Celle: Försterling am Ernestinum: „Politiker reden viel und sagen nichts“


| Foto: Darius Bruer)



- Ein Beitrag unserer Redaktion von CelleHeute.de -

Das Interesse schien groß, zumindest am Anfang. Die 10. bis 12. Jahrgänge des Gymnasium Ernestinum in Celle empfingen den FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling zu einer Diskussionsrunde. Bei den teils durchaus kritischen Fragen waren die Schüler trotz schwieriger Akustik noch konzentriert, aber die Antworten schienen sie schon nach gut 20 Minuten derart zu langweilen, dass etliche lieber zu einem Buch griffen und für Klausuren lernten.

[image=82743]Dabei bemühte sich der 30jährige redlich und versuchte schon zu Beginn, Distanz abzubauen, in dem er den Schülern das „du“ anbot. Auch seine Einleitung war für einen Politiker erfrischend kurz, beschränkte sich auf eine schnelle Vita und sein Geständnis, dass er das Abi nach 12 Jahren auch heute noch für die richtige Entscheidung hält. Dabei habe er außerdem die Oberschuldiskussion in Celle verfolgt und nicht verstanden, wie man Gymnasien infrage stellen könne.

„Die größte Reform wäre keine Reform“


Auszüge aus den Fragen und Antworten:

Schüler: Warum Oberschule?
Försterling: Wir haben rund 25% weniger Schüler als vor zehn Jahren, im Harz bis zu 40% wenige. Mit der Oberschule haben wir die Chance, Schulen im ländlichen Raum aufrechtzuerhalten. Durch neue Konzepte können wir den Makel der Hauptschule verbessern und somit auch die Chancen für die Schüler.“

Schüler: Wann wurde das überlegt?
[image=82744]Försterling: Anfang 2010 haben wir uns erstmals mit diesem Konzept beschäftigt. An den Lösungen mussten erst die Fraktionen, dann die Parteien beteiligt werden sowie Lehrer- und Schulleiterverbände, so haben wir sie erstmals zum 1.8. 2011 eingeführt.
Aber: Bildungspolitik muss dafür sorgen, dass ein Schülerjahrgang komplett ohne Reform durch die Schule kommt. Das würde wirklich mal helfen. Die größte Reform wäre keine Reform.

Schüler: Wie wollen Sie die Jugend für Politik interessieren?
Försterling: Wenn mich etwas aufregt, sagt man dann „interessiert mich nicht oder engagiere ich mich“? Ich frage mich: In welcher Partei gibt es die meisten Überschneidungen, wo kann ich mich engagieren? Bei den jungen Liberalen haben wir in den 90er Jahren überlegt, die Wehrpflicht abzuschaffen. 2010 wurde dies realisiert - es lohnt sich also, sich einzubringen.

„Ich möchte niemals von den Piraten regiert werden“


Schüler: Wie wird man Politiker?
Försterling: Wenn man Politikwissenschaften studiert, solle man die Finger davon lassen, Berufspolitiker zu werden. Es gibt keine Qulifikationsgrundlage. Ich selbst bin Finanzbeamter.

Schüler: Was halten Sie von der Piratenpartei?
Försterling: Manche lockere Antwort in Talkshows finde ich interessant, aber sie kommen so langsam in der Realität an.

Ich habe ein Problem damit, Internet für Stimmungen zu nutzen, ohne erkennbar zu machen, wer dahinter steht. Ich stehe zu meiner Aussage, auch wenn sie viel kritisiert wurde: Ich kann mir nicht vorstellen, von Leuten regiert zu werden, deren einziger sozialer Kontakt aus einem Pizzalieferanten besteht.

„Auch ein Intellekt kann in vier Jahren nicht so weit sinken“


[image=82745]Schüler: Macht es Sie nicht stutzig, dass die Piraten dennoch so viel Zulauf haben? Internet ist ja frei, warum nutzen Sie das nicht?
Försterling: Es macht mir Sorge. Es zeigt mir auch, dass es den etablierten Parteien nicht gelingt, durchzudringen. Es liegt daran, dass alle viel reden, aber nicht viel sagen. Ich kann mir keine politische Talkshow mehr angucken, ich könnte mich dort auf jeden Platz sehen. Irgendwann hat man genug von jedem Satzbaustein gehört. Ich glaube, man muss auch mal klare Ansagen machen.

Es kann doch nicht sein, dass ein Finanzbeamter wie ich über irgendwelche pädagogischen Konzepte entscheidet. In meinem Wahlkreis habe ich die Schachtanlage Asse, wo widerrechtlich große Mengen von Atommüll eingelagert worden sind.
Nach jetzigem Kenntnisstand ist die Rückholung die einzig sinnvolle Variante. Es wird aber noch 40 Jahre dauern, die Fässer da rauszuholen. Mein Anliegen ist, dass ich in 40 Jahren sagen kann, dass ich dabei gewesen bin.

Schüler: Sind die Umfragewerte für die FDP nicht deprimierend, zweifelt man an der Gesellschaft?
[image=82746]Försterling: Ich frage mich eher, was wir falsch gemacht haben. Wenn man von fast 15 % bei 4-5% steht, muss sich ja irgendwas verändert haben. Es wäre einfach, das einfach auf die Wähler abzuschieben. Selbst ein Intellekt kann ja in vier Jahren nicht so weit gesunken sein. Insofern müssen wir zugeben, dass wir viele Fehler gemacht haben, dass wir uns für die falschen Ministerien entschieden haben. Erst die Abschaffung eines Ministeriums fordern, um genau das hinterher zu besetzen, würde man das kein zweites Mal machen. Als ich 1998 in die FDP eintrat, wurden wir in Niedersachsen nicht gewählt, in Berlin lagen wir bei 1,2 Prozent, in Brandenburg unter „Andere“ bei 0.9%. Wir hatten schon einmal solche Zeiten und ich glaube, dass wir da wieder rauskommen. Viele merken nach und nach: So ganz ohne FDP können sie sich da Parteiensystem auch nicht vorstellen.

Fotos: Darius Bruer


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