Mehr häusliche Gewalt und Trickbetrug - So wirkt sich Corona auf die Kriminalität aus

Die Polizeidirektion Braunschweig hat aktuelle Zahlen vorgelegt. Für den Bereich der Wohnungseinbruchs- und Kraftfahrzeugdiebstähle ist eine "Corona-Delle" erkennbar.

Polizeipräsident Michael Pientka bewertet die neuen Zahlen.
Polizeipräsident Michael Pientka bewertet die neuen Zahlen. | Foto: Polizei

Region. Die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2020 der die gesamte Region umfassenden Polizeidirektion Braunschweig liegt vor. Demnach hat die Corona-Pandemie auch in diesem Bereich einen erheblichen Einfluss. So gehen mangels Gelegenheit Einbrüche und Körperverletzungen zurück, die häusliche Gewalt und Trickbetrug steigen dagegen an. Das berichtet die Polizeidirektion in einer Pressemitteilung.


Die polizeiliche Aufklärungsquote der Polizeidirektion Braunschweig liegt 2020 bei 64,23 Prozent und konnte im vierten Jahr in Folge noch einmal erhöht werden. Das Straftatenaufkommen hat sich um 2.000 Fälle im Jahr 2019 auf etwa 66.300 Fälle reduziert und so ging die Kriminalitätshäufigkeit in der Region Braunschweig auch im fünften Jahr in Folge zurück. Für den Bereich der Wohnungseinbruchs- und Kraftfahrzeugdiebstähle ist eine "Corona-Delle" erkennbar, hier ist eine deutliche Abnahme zu verzeichnen. Hingegen sind bei den Trick- und Internetbetrügereien erhebliche Zunahmen und eine Verlagerung in den digitalen Raum festzustellen.

Vermehrte Anwesenheit der Bürger


Polizeipräsident Michael Pientka: "Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben augenscheinlich Einfluss auf die Polizeiliche Kriminalstatistik 2020. Die polizeilichen Konzepte, die seit Jahren zu Verbesserungen der Präventions- und Ermittlungsarbeit beitragen, greifen nach wie vor und verzeichnen keine Qualitätseinbußen in der aktuellen Situation. Dies macht der erneute Anstieg unserer Aufklärungsquote auf über 64 Prozent deutlich. Geprägt ist die rückläufige Entwicklung der Straftaten von 2019 zu 2020 durch einen Rückgang von Körperverletzungsdelikten, von schweren und einfachen Diebstählen sowie von Wohnungseinbruchsdiebstählen. Die Anzahl von 1.282 Wohnungseinbrüchen sank noch einmal um 193 Taten auf 1.089 Fälle. Kraftfahrzeugdiebstähle gingen um 69 Taten auf 325 bekanntgewordene Fälle im Vergleich zu 2019 zurück. Dieser Rückgang ist auch durch die in der Corona-Pandemie veränderten Rahmenbedingungen begünstigt. Die vermehrte Anwesenheit der Bürgerinnen und Bürger an ihren Wohnorten während der Lockdownzeiten und den damit verbundenen fehlenden Tatgelegenheiten, sind neben zielgerichteten Kontrollen zur Bekämpfung der Eigentumskriminalität offensichtlich ursächlich für die sinkenden Zahlen."

Ähnlich ist der hohe Rückgang bei den Rohheitsdelikten einzuordnen. Gerade bei Körperverletzungsdelikten sind die Fallzahlen um 564 Taten gesunken. Auch bei schweren und gefährlichen Körperverletzungen sind die Zahlen auf insgesamt 1600 um fast 600 Taten aus dem Vorjahr gesunken. Grund hierfür waren offensichtlich die pandemiebedingte Schließung von Gastronomie- und Kneipenszene. Nur bei den Raubdelikten gab es im Bereich Straßenraub und räuberischer Erpressung 40 Taten mehr als im Vorjahr (von 149 in 2019 auf 189 Taten im Jahr 2020).

Schadsoftware und digitale Erpressung an der Tagesordnung


Durch ein coronabedingt verändertes Konsum- und Kaufverhalten, wie das Bestellen über das Internet, sind vor allem die "Straftaten im virtuellen Raum" stark angestiegen. Mit Blick auf die Vermögens- (Betrugs-) und Fälschungsdelikte stiegen die Zahlen des Warenbetrugs von 1.620 auf 2.177 Taten an. Auch der Computerbetrug stieg um 89 Taten auf insgesamt 164 Taten an. Generell sind "Cybercrime-Delikte" (Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten oder mittels dieser Informationstechnik begangen)- wie kaum ein anderer Deliktsbereich- angestiegen. Der Einsatz von Schadsoftware und digitale Erpressung sind nahezu an der Tagesordnung. Insgesamt wurden 4.971 Fälle von "Cybercrime" registriert. Cybercrime nahm auch wegen eines Anstieges von Warenbetrugstaten und der "Verbreitung pornografischer Schriften" zu.

Vor allem in Zeiten zunehmender Digitalisierung steigt auch das Risiko von Cyberkriminalität für Privatpersonen und Unternehmen weiter an. Die Polizeidirektion Braunschweig setzt daher auf die Durchführung von Präventionsveranstaltungen wie dem "Safer Internetday" und regelmäßige Informationsbeiträge in den örtlichen Medien. Aber auch eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Unternehmen ist zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden und schließlich auch zur Vermeidung von Cyberkriminalität ein essentieller Baustein. Mit dem "Ratgeber Internetkriminalität" des Landeskriminalamt Niedersachsen steht allen Bürgerinnen und Bürgern weiterhin auch ein Online-Ratgeber zu aktuellen Gefahren und Trends im Bereich Cybercrime zur Verfügung.

Enkeltrick und falsche Polizisten richten hohen Schaden an


Trotz erheblicher Anstrengungen im Rahmen unserer Presse- und Präventionsarbeit, steigen die "Straftaten zum Nachteil älterer Menschen" weiter stetig an. Nicht nur in Form des "Enkeltricks", auch beim Auftreten als "falsche Polizeibeamte" gelangen häufig aus ausländischen Call-Centern agierende Tätergruppierungen an enorme Vermögenswerte ihrer Opfer. 805 Versuchstaten durch "falsche Polizeibeamte" wurden im letzten Jahr registriert. Hier ist bei 52 vollendeten Taten ein Schaden von über 540.000 Euro entstanden. Glücklicherweise kommen zwischen 90 und 95 Prozent der Taten nicht über das Versuchsstadium hinaus. Die insgesamt 238 vollendeten Fälle im Bereich Enkeltrick führten innerhalb der letzten zehn Jahre zu einem finanziellen Schaden von fast 4,5 Millionen Euro. "Auch im Deliktsfeld der Enkeltricks gibt es coronabedingt Veränderungen hinsichtlich des Modus operandi. Die Täter gaukeln den Opfern bei den Anrufen eine Coronaerkrankung vor, für deren Behandlung angeblich sehr teure Medikamente benötigt werden und fordern die Zahlung von Geldbeträgen ein. Mit Präventionsprojekten, wie "Klüger als Betrüger" der Polizeiinspektion Braunschweig versuchen wir gezielt auf ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger zuzugehen und sie zu sensibilisieren," so der Polizeipräsident.

Häusliche Gewalt steigt deutlich an


Als weiterer Themenschwerpunkt, ist der Deliktsbereich "Häusliche Gewalt" zu sehen. Unter den Voraussetzungen der Corona-Pandemie stieg die Anzahl der Delikte im Hellfeld um 316 auf insgesamt 3248 Taten. Von diesen Straftaten der häuslichen Gewalt wurden 83 Prozent im Zusammenhang mit Körperverletzungen, Nötigungen, Bedrohungen und Nachstellungen begangen. Aufklärungsangebote der Polizei und ihrer Netzwerkpartner, die interdisziplinäre Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt (iKostHG) sowie Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel des Straf- und Gewaltschutzgesetzes, sollen die Gewalt im häuslichen Umfeld enttabuisieren und ins Hellfeld rücken. "Der Anstieg ist auch eine Rückmeldung zu den guten Beratungs- und Interventionsangeboten, zu einem gesteigerten Anzeigeverhalten der Opfer und zu unseren starken Netzwerken," erklärt Michael Pientka.

Erfreulich ist der auffällige Rückgang bei der Kinder- und Jugenddelinquenz. Weniger Körperverletzungen (von 615 in 2019 auf 434 Fälle in 2020), weniger Ladendiebstähle (von 937 auf 621 Fälle) und weniger Beleidigungen (von 214 auf 166 Fälle). Dem gegenüber steht die Zunahme der Straftaten gegen die "sexuelle Selbstbestimmung durch Kinder- und Jugendliche". Hier müssen wir einen Anstieg um 86 Taten (45,5 Prozent) auf insgesamt 275 Taten registrieren. Grund dafür ist die alltägliche Nutzung von Smartphones und Social Media-Plattformen, die die "Verbreitung von kinder- und jugendpornographischen Inhalten" unter jungen Menschen einfacher macht.

216 Polizisten im Dienst verletzt


"Straftaten zum Nachteil von Polizeivollzugsbeamtinnen und -Beamten sowie Rettungskräften" sind weiterhin ein Problem. Insgesamt wurden 532 Taten erfasst, 504 Fälle in 2019, bei denen 1.182 Polizistinnen und Polizisten zum Opfer wurden. 216 Beamtinnen und Beamte wurden verletzt. Einer von ihnen sogar schwer. In 19 Fällen wurden Rettungskräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst angegangen. Hier wurden 32 Helferinnen und Helfer Opfer einer Straftat. Michael Pientka abschließend: "Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kolleginnen und Kollegen anderer Blaulichtorganisationen sind tagtäglich für die Bürgerinnen und Bürger im Einsatz. Jeder Angriff auf diese, ist auch ein Angriff auf den Rechtsstaat, der nicht hinnehmbar ist."


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