Pandemie und Lockdown schlagen auf die Kinder-Psyche

Laut einer Studie der Barmer Krankenkasse würden immer mehr Kinder eine Psychotherapie bekommen. Die Corona-Pandemie und der Lockdown würden die Situation zusätzlich verschärfen. Sie hinterlasse besonders bei den jungen Menschen Spuren, die ohnehin schon psychisch angeschlagen seien. Hier sei eine schnelle und unkomplizierte Hilfe besonders wichtig.

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Symbolfoto | Foto: Pixabay

Region. Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland sind in psychotherapeutischer Behandlung. Das geht aus dem aktuellen BARMER-Arztreport hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Auch die derzeitige Situation trage dazu bei, dass immer mehr Kinder eine Psychotherapie bekommen.


Demnach habe sich innerhalb von elf Jahren die Zahl der jungen Patienten mehr als verdoppelt. Rund 823.000 Kinder und Jugendliche benötigten im Jahr 2019 psychotherapeutische Hilfe, 104 Prozent mehr als im Jahr 2009. Die Corona-Pandemie samt strikter Kontaktbeschränkungen dürfte dabei die Situation noch ein Stück weit verschärfen, heißt es in dem Bericht. Bei BARMER-versicherten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis einschließlich 24 Jahren sei die Zahlen für die Akutbehandlung sowie der Anträge etwa für die erstmalige Therapie und deren mögliche Verlängerung in 2020 um sechs Prozent auf mehr als 44.000 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

„Psychische Probleme können für Kinder und Jugendliche ernste Folgen haben. Deshalb ist es wichtig, auf ihre Alarmsignale zu achten. Zeitnahe Hilfe und Prävention können viel dazu beitragen, dass psychische Probleme erst gar nicht entstehen oder sich verstetigen und zu einer psychischen Erkrankung führen“, sagt Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER.

Corona belastet Kinder


Gezielte Hilfen für betroffene Kinder Eltern, Bezugspersonen, Kinder- und Jugendärzte sowie ärztliche und psychologische Psychotherapeuten müssten im Sinne der betroffenen Kinder und Jugendlichen möglichst eng zusammenarbeiten, so BARMER-Chef Straub. Eine enge Kooperation sei während der Corona-Pandemie wichtiger denn je. Gerade jetzt seien die Kinder und Jugendlichen stark psychisch belastet. „Die Corona-Pandemie hinterlässt besonders bei den jungen Menschen Spuren, die ohnehin schon psychisch angeschlagen sind. Hier ist eine schnelle und unkomplizierte Hilfe besonders wichtig“, sagt Straub. Die BARMER biete dies zum Beispiel über ihr Kinder- und Jugend-Programm (KJP), bei dem derzeit fast 580.000 Kinder und Jugendliche eingeschrieben seien. Das KJP beinhalte mehrere extra Vorsorgeuntersuchungen, die weit über den Leistungen der Regelversorgung lägen. Die teilnehmenden Kinder- und Jugendärzte würden dabei gezielt auf psychische Auffälligkeiten der jungen Menschen achten. Zudem unterstütze die BARMER das Online-Angebot krisenchat.de für Menschen bis 25 Jahren.

Mobbing als eine von mehreren Ursachen für Psychotherapie


Den Ergebnissen des Arztreports zufolge hätten im Jahr 2019 rund 162.300 Kinder und Jugendliche erstmals eine Richtlinientherapie erhalten. Die Ursachen dafür seien sehr unterschiedlich. In knapp 37.400 Fällen seien Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen ausschlaggebend. Dafür gebe es viele Ursachen, angefangen von Trauererlebnissen bis hin zum Mobbing. „Junge Menschen sind heutzutage vielen Belastungen ausgesetzt, die der Psyche zusetzen können. Bis zu welchen Grad einzelne Faktoren wie Mobbing eine Rolle spielen, lässt sich aber nicht genau bemessen“, sagt Szecsenyi. Die zweithäufigste Ursache für eine erstmalige Therapie seien im Jahr 2019 Depressionen, und zwar in rund 23.100 Fällen gewesen, gefolgt von emotionalen Störungen im Kindesalter in gut 22.000 Fällen.

Professionelle Hilfe, um jahrelanges Leiden zu vermeiden


Viele junge Menschen leiden den Ergebnissen des Reports zufolge über Jahre an psychischen Störungen. Dies belege eine Langzeitbetrachtung von Kindern und Jugendlichen, die im Jahr 2014 erstmals eine Psychotherapie erhalten haben und mindestens zwei Jahre zuvor keine anderweitige therapeutische Hilfe benötigten. So wurde bei mehr als jedem oder jeder dritten Betroffenen bereits fünf Jahre vor Start der Richtlinientherapie zumindest eine psychische Störung dokumentiert. Nur bei 40,7 Prozent beschränkten sich die Psychotherapiesitzungen auf maximal ein Jahr, 36,4 Prozent erhielten auch mehr als zwei Jahre nach Start der Behandlung noch Psychotherapien.

„Die Betroffenen dürfen von einer Psychotherapie keine Wunder erwarten. Sie ist ein steiniger und beschwerlicher Weg. Je früher die Kinder und Jugendlichen aber professionelle Hilfe bekommen, desto größer ist die Chance auf einen minder schweren Verlauf“, so BARMER-Chef Straub. Schließlich werde die Behandlung schwieriger und langwieriger, sollten sich die Probleme chronifiziert haben. So seien zum Beispiel bei 62,5 Prozent aller Betroffenen auch noch fünf Jahre nach Start der Psychotherapie psychische Störungen diagnostiziert worden.


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