Chaos im Vorfeld des Kreistages - Wer ist da, und wenn ja, wie viele?

Die CDU lehnte als einzige Kreistagsfraktion eine Reduzierung der Mitgliederzahl für die Sitzung am heutigen Montag ab - Lenkte aber am gestrigen Sonntag ein. Wer und wie viele Kreistagsabgeordnete nun wirklich kommen, wird sich erst bei Sitzungsbeginn zeigen.

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Ganz so voll wird es in absehbarer Zukunft bei politischen Sitzungen nicht werden. (Archivbild)
Ganz so voll wird es in absehbarer Zukunft bei politischen Sitzungen nicht werden. (Archivbild) | Foto: Alexander Panknin

Goslar. Der Kreistag Goslar wird am heutigen 4. Mai stattfinden. Das hatte der Ältestenrat bereits am 14. April beschlossen. Für heftige Diskussionen sorgte der Vorschlag des Kreistagsabgeordneten Dr. Alexander Saipa (SPD), der zur weiteren Reduktion des Infektionsrisikos eine Verkleinerung des 50-Personen starken Kreistags auf nur 26 Mitglieder vorschlug. Alle Fraktionen stimmten diesem sogenannten "Pairing-Verfahren" zu - Lediglich die CDU ließ diese freiwillige Vereinbarung platzen. Über das vergangene Wochenende ließ sie sich nun doch auf die Pläne ein - zu spät?


Für die Beschlussfähigkeit eines Kreistags ist es notwendig, dass eine Mehrheit der Mitglieder anwesend ist. So will es die Niedersächsische Kommunalverordnung. Die "Pairing-Vereinbarung" wird für die aktuelle Corona-Situation für politische Gremien sogar ausdrücklich vom Innenministerium empfohlen. Durch eine freiwillige Reduzierung der Fraktionsgrößen könnten größere Mindestabstände geschaffen und besonders gefährdete Kreistagsmitglieder geschützt werden.

Landkreissprecher Maximilian Strache spricht auch von einer Vorbildfunktion der Politik: "Wenn es heißt, sämtliche Vereinsversammlungen sind abgesagt, dann zeigt die Politik, dass sie das im Rahmen der Möglichkeiten eben auch tut." So weit, so gut. Unserer Online-Zeitung liegt ein Mailverlauf vor, der die Geschehnisse im Vorfeld des Kreistages gut beleuchtet. Bereits Mitte April wurden alle Fraktionsvorsitzenden über das von Dr. Alexander Saipa im Rahmen des Ältestenrates vorgeschlagene Pairing-Verfahren unterrichtet. Die Verwaltung erbat Rückmeldung bis zum 20. April. Eine weitere Rundmail macht deutlich, dass bis zum 27. April die Antwort vieler Fraktionen noch ausstand. Grund dafür dürfte der Protest der CDU gegen die Vereinbarung sein, zu der die Jungorganisation der SPD Goslar (Jusos) und die AfD-Kreistagsfraktion unter Dr. Tyge Claussen noch am Samstagabend Pressemitteilungen veröffentlichten.

"Verantwortungslosigkeit und fehlende Führungsstärke"


Die Jusos werfen der CDU mangelnde Seriosität im Umgang mit der Pandemie vor: "In meinen Augen zeigt die Ablehnung der temporären Kreistagsverkleinerung Verantwortungslosigkeit und fehlende Führungsstärke der verantwortlichen Personen", so Kilian Grabow stellvertretender Vorsitzender der Jusos in Goslar. Vor allem die CDU-Fraktion verfüge über Abgeordnete, die der Gefahrengruppe einzuordnen
seien. "Auch würden wir der Jungen Union raten, ihren Parteifreunden im Kreistag diese logische Maßnahme nahezulegen", stellt Jan Wünsche, ebenfalls stellvertretender Vorsitzender, klar.

Die AfD widerrief noch am vergangenen Donnerstag ihre zunächst erteilte Zustimmung, in reduzierter Fraktionsgröße (drei Statt fünf Personen) teilzunehmen. "Die im Ältestenrat getroffene Pairing-Vereinbarung ist jetzt im Nachhinein durch das unerwartete Ausscheren der CDU-Fraktion gescheitert. Eine zahlenmäßige Halbierung aller Fraktionen für die am 4. Mai kommende und weitere Kreistagssitzungen kommt somit nicht zustande. Abgesehen davon ist meine Fraktion ohnehin gegen das Pairing-Verfahren", so der AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Tyge Claussen. Man habe sich nur auf die eine Ausnahme am heutigen Montag einlassen wollen.

CDU rechtfertigt Bedenken


"Wir hatten Bedenken, wenn an einer Kreistagssitzung nicht jedes Mitglied teilnehmen kann", erklärt Bernd Rotzek, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU Kreistagsfraktion im Gespräch mit unserer Online-Zeitung. "Wenn der Kreistag unbedingt stattfinden muss, sollte er in voller Besetzung stattfinden. Es scheitert ja eher an einem geeigneten Sitzungsraum, in dem man genug Platz für 50 Abgeordnete hat und den entsprechenden Sicherheitsabstand wahren kann", führt Rotzek aus und ergänzt: "Das sind Volksvertreter und der Kreistag ist ein politisches Organ, die Teilnehmer haben das Recht, sogar die Verpflichtung an der Sitzung teilzunehmen, da müssen wir sagen, so und so viel Prozent bleiben zu Hause. Kann natürlich sein, dass der eine oder andere mit einem Beschluss nicht einverstanden ist und ausgeschlossen wird. Deswegen wären wir eher für einen geeigneten Raum."

Der richtige Raum fehlt


Die Frage der Örtlichkeit löse bei seiner Fraktion Unverständnis aus, da der Landkreis Goslar laut Rotzek über einen großen Immobilienbestand verfüge: "Es gibt große Turnhallen, die dafür geeignet wären, so etwas durchzuführen. Vielleicht wäre es auch möglich, das Tagungszentrum Goslar zu nutzen." Die Kreistagssitzung am heutigen Montag findet nun jedoch im wesentlichen kleineren Gotec statt. Die CDU habe wegen ihrer Vorgehensweise "erhebliche Kritik" erfahren, aufgrund derer man am gestrigen Sonntag eingelenkt habe: "Wir haben unsere Bedenken zurückgestellt, fürchten aber trotzdem, dass Beschlüsse die gefasst werden, nicht angreifbar sein könnten. Wir wollen aber auch niemanden gefährden, deswegen werden auch wir uns halbieren und nur mit acht Abgeordneten teilnehmen", so Rotzek abschließend.

Wer kommt nun wirklich?


Über diesen Entschluss seien Landrat Brych und Dr. Alexander Saipa am gestrigen Sonntag in Kenntnis gesetzt worden. Für die Organisation ist das ein regelrechtes Chaos: "Da hängen ja auch logistische Fragen dran, die entsprechende Anzahl Stühle muss gestellt werden und die Raumgestaltung muss entsprechend durchgeführt werden können", erklärt Landkreissprecher Maximilian Strache. Die Pairing-Vereinbarung sei dazu laut Strache ohnehin nicht verpflichtend: "Alle Fraktionen bis auf die CDU haben gesagt 'wir machen das' - als die CDU ausgeschert ist, war das eigentlich hinfällig. Ob diese späte Zusage bei den anderen Fraktionen noch angekommen ist, könne er nicht beantworten: "Wir gehen am aktuellen Zeitpunkt davon aus, dass die Fraktionen an ihrer ursprünglichen Zusage festhalten", so Strache. Ob und wie viele Fraktionen ihre Mitglieder zahlenmäßig reduzieren, wird sich aber erst zeigen, wenn die Sitzung begonnen hat.

Aktualisiert: Wie Landkreissprecher Maximilian Strache mitteilt, seien die Fraktionen trotz der Ereignisse im Vorfeld der Kreistagssitzung der Pairing-Vereinbarung gefolgt. Insgesamt nahmen 27 Kreistagsmitglieder und der Landrat an der Sitzung teil.


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