Die PARTEI greift die TU Braunschweig an: Lobbyarbeit und Menschenrechtsverletzungen?

Die PARTEI Braunschweig fordert Transparenz von der TU Braunschweig zu einem angeblichen Lobbytreffen mit der umstrittenen Grenzschutzorganisation Frontex. Die Hochschule weist die Vorwürfe von sich und legt offen, was passiert ist.

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Die PARTEI erhebt Vorwürfe gegen die TU Braunschweig. (Archivbild)
Die PARTEI erhebt Vorwürfe gegen die TU Braunschweig. (Archivbild) | Foto: Sina Rühland

Braunschweig. Die PARTEI kritisiert die TU Braunschweig für die Teilnahme an einem angeblichen Lobbytreffen der umstrittenen Grenzschutzagentur Frontex und bezieht sich dabei auf veröffentlichte Papiere aus Recherchen des NeoMagazin Royale (ZDF) unter Frontexfiles.eu. Die TU betont auf Anfrage von regionalHeute.de, dass es sich weder um ein Geheimtreffen, noch um eine Lobbyveranstaltung gehandelt habe. Im Zusammenhang mit einer Förderung der Forschung durch die EU sei eine Radartechnologie vorgestellt worden, die gegen Drogenschmuggel zum Einsatz kommen könnte.


Die PARTEI beruft sich auf Berichte von Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen durch die Grenzschutzagentur: "Das geschieht in Form von illegalen Pushbacks, also dem gezielten und bewussten Abtreiben von Gummibooten auf dem Mittelmeer, oder durch den Einsatz von Gewalt gegenüber Schutzsuchenden an den Grenzen. Solche Praktiken resultieren oft im Tod oder der Vertreibung der Schutzsuchenden in die Krisengebiete, aus denen sie flüchteten." Die Teilnahme an einem solchen "Lobbytreffen" stelle laut der PARTEI die weltoffene Ausrichtung der Forschungsuniversität infrage, auch über die Intransparenz zu dem Vorgang seitens der Universität sei man verärgert: "Wir sind uns sicher, dass Studierende gerne wissen wollen, ob Ihre Hochschule mit menschenverachtenden Privatpolizisten kollaboriert. Konnten so etwa zusätzlich Gelder generiert werden?" Die PARTEI stellt weiterhin die Frage, ob die TU deshalb keine Zivilklausel unterschrieben habe.

"Keine Kooperation mit Frontex"


TU-Sprecherin Elisabeth Hoffmann stellt klar: "Entgegen der in dem offenen Brief unterstellten Behauptungen hat zu keiner Zeit ein Vertreter der TU Braunschweig an einem Geheimtreffen oder einer Lobbyveranstaltung teilgenommen. Die TU Braunschweig kooperiert weder zurzeit noch kooperierte sie in der Vergangenheit mit Frontex." Die TU Braunschweig habe im Rahmen einer Forschung der Abteilung Mikrowellentechnik des Instituts für Hochfrequenztechnik Forschungsgelder aus dem EU-Programm "Horizont 2020" erhalten. Bei den Forschungen unter der Leitung von Professor Jörg Schöbel ging es um das Auffinden von Kleinstflugzeugen, die für den Drogenschmuggel von Nordafrika nach Portugal und Spanien eingesetzt würden. Diese lassen sich mit konventionellen Radaranlagen nicht aufspüren. "Es ist ein starkes Anliegen der EU, das zu unterbinden. Ein sogenanntes Passivradar kann Kleinstflugzeuge oder Drohnen finden", erklärt Hoffmann. "Die EU vergibt natürlich nicht altruistisch Forschungsgelder und sagt: 'Dann macht mal', man will auch einen Vorteil daraus ziehen."

Tagung Bedingung für Fördermittel


Voraussetzung für den Erhalt der Fördergelder sei dementsprechend gewesen, die Forschungsergebnisse den eigenen Behörden und Einrichtungen vorzustellen. Das sei bei der Tagung im Jahr 2019 in Warschau geschehen. "Die Tagung diente dem Informationsaustausch. Zu weiteren Begegnungen kam es nicht!", so Hoffmann. Hoffmann weist weiterhin den Vorwurf der fehlenden Transparenz zurück. Alle Informationen zu dem Projekt seien Online zu finden. Auch die Tagung selbst sei auf den Projektseiten dokumentiert worden.

Die zwei Seiten der "Zivilklausel"


Durch eine Zivilklausel verpflichten sich Universitäten, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen. Die TU Braunschweig hat sie nie unterzeichnet. Diese "Selbstverpflichtung" hat auch formelle Grenzen, wie Elisabeth Hoffmann, Sprecherin der TU Braunschweig, erklärt. So gebe es beispielsweise viele Technologien, die sowohl militärisch, als auch zivil eingesetzt werden können: "Eine Hochschule kann zwar von sich sagen, dass sie das nicht machen möchte, aber es gibt immer noch die Wissenschaftsfreiheit. Rein rechtlich ist es so, wenn jemand bei uns zum Beispiel mit der Bundeswehr zusammenarbeiten möchte, kann er oder sie das machen." Dabei gehe es laut Hoffmann eher um Technologien zur Gefahrenabwehr, beispielsweise das Aufspüren von biologischen oder chemischen Kampfmitteln, noch bevor jemand verletzt wird. "Dual Use", nennt man Technologieforschungen, die sowohl zivil als auch militärisch zum Einsatz kommen können. So könne Radarforschung am Ende genutzt werden, um Spargel unter der Erde zu sehen oder um Drohnen aufzuspüren und abzufangen.

Der NDR hat in der Recherche "Geheimer Krieg" die Zusammenhänge zwischen Forschung und Krieg erforscht, auch an der TU Braunschweig. Hoffmann erinnert sich: "Eine andere niedersächsische Uni hat im Bereich Psychologie/Soziologie erforscht, wie sich an Mimik und Gestik Lügen erkennen lassen. Diese Erkenntnisse können dann zum Beispiel vom Wachpersonal an Flughäfen eingesetzt werden, um Terroristen zu enttarnen" - rein theoretisch ein Verstoß gegen die Zivilklausel. Wegen dieser und anderer Verstrickungen habe sich der damalige TU-Präsident Jürgen Hesselbach gegen eine Zivilklausel ausgesprochen, oder wie es der NDR-Journalist laut Hoffmann zusammengefasst habe: "Sie sind ja wenigstens ehrlich, sie haben ja keine Zivilklausel, gegen die sie verstoßen. Die anderen haben eine, gegen die sie mit dem Thema verstoßen haben."


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