Gericht: Freispruch im Missbrauchsprozess - Zweifel bleiben

von Frederick Becker


Das Amtsgericht hatte einen Fall von sexuellem Kindesmissbrauch zu verhandeln. Foto: Frederick Becker
Das Amtsgericht hatte einen Fall von sexuellem Kindesmissbrauch zu verhandeln. Foto: Frederick Becker | Foto: Frederick Becker

Peine. Vor dem Amtsgericht musste sich heute ein Peiner wegen sexuellen Missbrauchs an einem Jungen verantworten. Bei dem mutmaßlichen Opfer handelte es sich um einen zum Tatzeitpunkt Siebenjährigen.


Es ging bei der Verhandlung um insgesamt vier Taten, die zwischen Juli und September 2014 geschehen sein sollen. Der Angeklagte war damals Nachbar des Opfers, der mit seinem zwei Jahre älteren Bruder und der Mutter auf Telgte lebt.

Der Angeklagte soll den Siebenjährigen in zwei Fällen auf den nackten Po geschlagen haben, außerdem soll er das Kind im Intimbereich berührt und dabei „Du Muschi“ gesagt haben.

Es geschah bei einem Übernachtungsbesuch


Am schwersten wertete das Gericht indes den vierten Tatvorwurf. Der 27-jährige Berufslose soll den Jungen entkleidet haben, als dieser schlief. Diese Tat will der ältere Bruder des Jungen mit angesehen haben. Der Schlafende soll nichts gemerkt haben.

Der Angeklagte wurde von seiner gesetzlich bestellten Betreuerin zu der Verhandlung begleitet. Er leidet unter massiven psychischen Problemen und wollte sich, wie die Verteidigung erklärte, vor Gericht nicht zur Sache äußern. Er hatte zuvor im polizeilichen Verhör bereits alle Taten bis auf die vierte eingeräumt.

Zu dem Missbrauch soll es gekommen sein, als die Brüder bei dem Angeklagten zu einem Übernachtungsbesuch zu Gast waren. Schon seit längerem habe eine Freundschaft zwischen dem Mann und dem Brüderpaar bestanden, man habe häufig Zeit miteinander verbracht und gemeinsam „Ballerspiele“ am Computer gespielt. Die Kinder sagten über den Tathergang unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Die Mutterwollte es nicht wahrhaben


Im Anschlussvernahm das Gericht die Mutter der Brüder, die Nebenklägerin. „Die Kinder bauten den Kontakt auf, ich fand den Angeklagten nett und freundlich“, berichtete sie. Es habe eine gute Nachbarschaft bestanden. Sie habe deshalb auch keine Einwände gegen den Übernachtungsbesuch gehabt. Die Kinder hätten dann nach der betreffenden Nacht Andeutungen über das Geschehen gemacht, so habe sie von dem angeblichen Missbrauch erfahren. „Ich glaubte das zuerst nicht, als Mutter will man das nicht hören“. Freunde hätten sie dann letztlich überzeugt, zur Polizei zu gehen.Der Angeklagte verfolgte die Aussage mit starrem Blick auf die Tischplatte.

Das Gericht merkte an, dass die Aussage der Mutter in Teilen stark von den Angaben der Söhne abweiche. Der Ältere, der angab, Zeuge des Missbrauchs geworden zu sein, sagte zweimal bei der Polizei aus, jedoch jeweils unterschiedlich. Auch die Aussage vor Gericht deckte sich in Teilen nicht mit den vorherigen Angaben. Mal wollte der Junge im gleichen Zimmer geschlafen haben, mal in einem anderen. Auch der Tathergang wurde unterschiedlich geschildert.

Die Zweifel überwogen


„Die Vernehmung der Kinder war schwierig“, konstatierte der Staatsanwalt bei seinem Plädoyer. Die Angaben der Kinder und ihrer Mutter zum Kontext der Tat und deren Ablauf seien derart unklar, dass drei der Anklagepunkte nicht zweifelsfrei nachzuweisen seien. Auch bei den Aussagen zur vierten Tat gäbe es gravierende Widersprüche. „Die Aussagen können nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts führen“, meinte der Staatsanwalt, deswegen sei der Angeklagte vollumfänglich freizusprechen. Die Verteidigung schloß sich dem Antrag der Staatsanwaltschaft an. Die Zweifel seien schlicht zu groß. Die Aussagen seien erschütternd, man müsse sich jedoch an objektiven Gesichtspunkten orientieren. Die Nebenklage stellte keinen konkreten Antrag, meinte aber dass ein Schuldspruch stattfinden müsse.

„Die Taten werden im Laufe der Zeit immer dramatischer geschildert“, stellte auch das Gericht bei der Urteilsverkündung - Freispruch - fest. Die Situation sei unglücklich, insbesondere weil die Taten schon lange zurückliegen. „Ich habe nicht das Gefühl, tatsächliche Erinnerungen gehört zu haben.“ Von der Unschuld des Angeklagten sei man jedoch trotzdem nicht restlos überzeugt.


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