Gewalt gegen Einsatzkräfte: Autofahrer verurteilt

von Julia Seidel


Um den Brand in der Krummen Straße zu bekämpfen mussten die Einsatzkräfte die Harzstraße und die Krumme Straße für den Verkehr sperren. Foto: Werner Heise
Um den Brand in der Krummen Straße zu bekämpfen mussten die Einsatzkräfte die Harzstraße und die Krumme Straße für den Verkehr sperren. Foto: Werner Heise | Foto: Werner Heise

Wolfenbüttel. Im Januar kam es in der Krummen Straße in Wolfenbüttel zu einem Brand in einem Fachwerkhaus. Um eine Ausweitung des Brandes zu verhindern und obendrein das Feuer zu bekämpfen, mussten die Harzstraße sowie die Krumme Straße für den Verkehr gesperrt werden. Am heutigen Donnerstag musste sich ein Autofahrer vor Gericht verantworten, weil er die Sperrung nicht hinnehmen wollte.


Dem 62-Jährigen wird vorgeworfen in hohem Tempo auf die Absperrung zugefahren zu sein. Zwei Feuerwehrleute hätten ihn daraufhin anhand einer Warnkelle und dem Versperren der Straße zum Anhalten gezwungen. Dabei habe sich der Autofahrer lautstark verbal aggressiv verhalten und versuchte an den beiden Feuerwehrleuten vorbeizufahren um seinen Weg ungehindert fortzusetzen. Dabei sei er dem dicht an seinem Auto stehenden Feuerwehrmann über den Fuß gefahren. Um den Mann daran zu hindern weiter zu fahren, stellte sich die Feuerwehrfrau auf die Straße. Kurz vor ihr kam er zum Stehen. Als ihm die Frau mit der Polizei drohte und zum Funkgerät griff, legte er den Rückwärtsgang ein und fuhr in Richtung Kornmarkt davon. Dabei soll er noch fast mit einer Passantin kollidiert sein, welche an dieser Stelle grade die Straße überqueren wollte. Später sei er zu Fuß noch einmal zurückgekommen und hätte die Feuerwehrleute gefragt, warum er dort nicht hätte lang fahren dürfen. Diese erinnern sich jedoch nicht daran.

"Ich wusste gar nicht, dass ich was getan habe"


In seiner Anhörung berichtet der Angeklagte davon, dass er bis zu seiner Vorladung gar nicht gewusst haben will, dass er etwas falsch gemacht habe. Zwar räumt er ein, dass er lauter geworden ist, dies sei jedoch unter anderem darauf zurückzuführen, dass lediglich ein Fenster seines Mercedes nach unten gehen würde. So müsste er lauter sprechen, um verstanden zu werden. Ein Termin vom Jobcenter, zu dem er spät dran war, habe ihn zudem nervös gemacht. Da der Termin im Roncallihaus stattfinden sollte, wollte er über die Krumme Straße auf den Parkplatz der St. Petrus Kirche fahren. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht verstanden, warum er dort nicht reinfahren durfte. Einen Brand - ja! Davon wurde etwas gesagt. Aber wo genau, das wusste er nicht. Erst nachdem die Feuerwehr laut geworden sei, ist er es auch geworden. Ob er dabei jemandem über den Fuß gefahren ist oder nicht, habe er nicht gemerkt und er könne es sich nicht vorstellen, da der Feuerwehrmann seinen Erinnerungen nach zu weit vom Wagen entfernt gestanden habe.

Ganz anders schildert das jedoch die Feuerwehrfrau. Ihr Kollege habe so dicht an dem Wagen gestanden, dass er mit dem Bauch am Spiegel stand und diesen beim Anfahren des Autos einziehen und ausweichen musste, um nicht am Spiegel hängenzubleiben. Auch der 19-jährige Feuerwehrmann erklärt, dass ihm der Angeklagte mit seinem Reifen gute fünf Zentimeter über seine Stahlkappenschuhe gefahren sei. Diesen verdankt er es, dass er unverletzt aus dem Vorfall herausgekommen ist. Gemerkt hat er es selbst nicht, aber gesehen, denn nachdem der Angeklagte eingelenkt und angefahren sei, habe sich das Rad etwas angehoben.

Glück im Unglück


"Das niemand bei dem Vorfall verletzt wurde, das ist nicht Ihnen zu verdanken", so Richter Kuhlmann zum Angeklagten, der seit zirka 40 Jahren Probleme mit dem Knochengerüst habe und deswegen nur wenig arbeiten könnte. Deswegen sei er in dieser Situation besonders unter Stress und Zeitdruck geraten. "Ich hatte Angst, dass es Sanktionen vom Amt gibt, wenn ich nicht rechtzeitig bei dem Termin bin." Lediglich drei bis vier Stunden könne er arbeiten. Alles Weitere werde vom Amt ausgeglichen. Auch ein Gutachten vom Gesundheitsamt attestiert ihm starke Vergesslichkeit und schreibt zugleich, dass hoher Zeitdruck bei seiner Arbeit ausgeschlossen werden sollte, da er physisch und psychisch nicht in der Lage sei dem Stand zu halten. Scheinbar werden es eben diese Begleitumstände, die die Situation eskalieren ließen.

Am Ende gab es eine Entschuldigung für die Feuerwehr


Während seiner Vernehmung habe sich der 62-Jährige kooperativ gezeigt. Ein Bild, das auch die Verhandlung widergespiegelt hat. Nun will er erst begriffen haben, warum er überhaupt angezeigt worden ist. An den Aussagen der jungen Feuerwehrleute zweifelt er nicht. Die Fahrt über den Fuß kann allerdings nicht abschließend geklärt werden. Auch nicht, ob er dies bemerkt haben könne. Dies wiederum kommt ihm zugute, denn so wird die Klage wegen Fahrerflucht fallen gelassen. Dennoch hat er sich zu verantworten. "Wenn man direkt auf jemanden zufährt, der auf der Straße steht, dann nimmt man zumindest in Kauf, dass er verletzt werden kann", so Kuhlmann. Abgehauen ist er jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach aufgrund von angedrohten Polizeimaßnahmen. In den Abschlussworten des Angeklagten kommt dann endlich die lang ersehnte Entschuldigung gegenüber den Einsatzkräften. Das Gericht verurteilt ihn zu sieben Monaten auf Bewährung und zwei Monaten Fahrverbot. Obendrein muss der gebürtige Saalfelder, der seit 1989 in Wolfenbüttel lebt, 500 Euro an die Freiwillige Feuerwehr Wolfenbüttel zahlen und zehn Sozialstunden, ebenfalls bei der Feuerwehr, ableisten.

Richter Kuhlmann wies nach der Urteilsverkündung noch einmal ausdrücklich daraufhin, dass die Freiwillige Feuerwehr existenziell wichtig ist. "Es handelt sich hierbei um ein Ehrenamt von Leuten, die anderen helfen! Und dem gehört gefälligst Respekt gezollt", so Kuhlmann abschließend.

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