Inklusions-Modell: Die Stellungnahmen von CDU, SPD, GRÜNE, LINKE und FDP im Überblick - Björn Försterling: "Große Entscheidungsfreiheit für die Eltern"


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In Niedersachsen sollen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bald mehr Möglichkeiten bekommen.

[image=5e1764af785549ede64cc98a] Die FDP im Niedersächsischen Landtag hat sich in ihrer Fraktionssitzung mit den Plänen von FDP und CDU zur Inklusion an den Schulen befasst.

„Uns ist wichtig, dass gerade die Eltern eine große Entscheidungsfreiheit bekommen. Sie sollen wählen können, ob ihr Kind an eine Regel- oder eine Förderschule gehen soll“, sagt der Wolfenbütteler Björn Försterling, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion.

Die Inklusion solle Schritt für Schritt erfolgen. „Wir wollen alle Grundschulen ab dem kommenden Schuljahr mit einer sonderpädagogischen Grundversorgung ausstatten. Die weiterführenden Schulen sollen im darauf folgenden Schuljahr bereit sein, um die Inklusion in den Klassenzimmern umzusetzen“, so Försterling. Die Förderschulen blieben als sonderpädagogische Förderzentren bestehen. Es gehe darum, eine individuelle Lösung für jedes einzelne Kind zu finden.

„Bei der Inklusion geht es nicht allein um Fragen des Geldes und des Systems“, erinnert der FDP-Bildungspolitiker, „es ist auch eine gesellschaftliche Frage. Am Ende wird der Erfolg der Inklusion vom menschlichen Miteinander abhängen. Das lässt sich nicht alles von oben durch Gesetze regeln.“

Der Gesetzentwurf zur Inklusion soll voraussichtlich im November ins Plenum eingebracht werden.

Landes-CDU will Inklusion sorgfältig beraten


Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bereich der allgemeinen Bildung hat in Niedersachsen einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. So lautet die Einschätzung der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion nach ihrer heutigen Sitzung. „Wir haben das Thema Inklusion intensiv beraten, aber ganz bewusst noch keinen endgültigen Beschluss gefasst“, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Björn Thümler.

Stattdessen sollen auf Basis der Vorstellungen der CDU-Fraktion – Erhalt des Elternwillens und bester Förderort für das Kind – zunächst Gespräche mit den Behindertenverbänden und den kommunalen Spitzenverbänden gesucht werden. „Wir wollen unsere Ideen auf den Prüfstand stellen. Dies tun wir mit der nötigen Zeit und ohne Hektik“, so Thümler weiter. Die Inklusion denke nicht vom System, sondern vom individuellen Menschen aus. „Genauso werden wir das ebenfalls tun.“ Dabei solle nicht außer Acht gelassen werden, dass Niedersachsen bereits ein sehr breit gefächertes und gutes Förderschulsystem besitze. Für einige Kinder sei das der beste Lernort – für andere die allgemeinen Schulen, so Thümler.

Der CDU-Fraktionschef betonte, dass die Entscheidung, wie die Inklusion an niedersächsischen Schulen eingeführt werden soll, ein zukunftsweisendes Thema für die nächsten Generationen sei. „In diesem sensiblen Bereich sollte man nicht ohne weiteres gesetzlich regeln, was in den Herzen und Köpfen der Menschen ankommen muss. Die Idee der Inklusion wurzelt tief im christlichen Menschenbild. Deshalb stehen wir zur Unterschrift unter die UN-Konvention“, erklärte Thümler und stellte gleichzeitig klar: „Es kann nicht in unserem Interesse liegen, einen Beschluss umzusetzen, ohne die Menschen, die davon berührt sind, mitzunehmen.“

Landes-GRÜNE kritisieren weitere Verzögerung bei Inklusion


Zur heutigen Ankündigung der Regierungsfraktionen, voraussichtlich erst im November einen Gesetzentwurf zur Verwirklichung der UN-Behindertenrechtskonvention in der Schule vorzulegen, erklärt die schulpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen Ina Korter:

“Einmal mehr missachten CDU und FDP die Rechte der behinderten Kinder und die Wünsche ihrer Eltern. Es ist nicht akzeptabel, dass die Regierung erst jetzt, zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention, Gespräche mit den Verbänden suchen will. Seit zweieinhalb Jahren warten die Betroffenen, die Eltern und die Behindertenverbände darauf, dass die UN-Konvention endlich umgesetzt wird und Inklusion für alle Wirklichkeit wird.”

Landes-SPD: “Schwarz-Gelb spielt beim Thema Inklusion weiter auf Zeit”


Die Regierungsfraktionen von CDU und FDP setzen ihre Verzögerungstaktik beim Thema Inklusion nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion fort.

„Die Mitteilungen von CDU und FDP sind enttäuschend. Erst hat Schwarz-Gelb über Jahre hinweg nichts getan. Jetzt – kurz nach der Kommunalwahl – entdeckt man plötzlich das Thema und erklärt, man dürfe nichts überstürzen“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende und schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Frauke Heiligenstadt, am Dienstag in Hannover. Es sei absehbar, dass die Koalition bis zum Tag der Landtagswahl „auf Zeit spielt“.

„Ministerpräsident McAllister hatte Mitte des Jahres für Oktober einen Gesetzentwurf zur Inklusion angekündigt. Entweder hat Kultusminister Althusmann bis jetzt keinen Entwurf, oder er darf ihn nicht vorlegen. Fakt ist, diese Landesregierung ist bei der Inklusion blank“, analysierte die SPD-Schulexpertin. Stattdessen müsse jetzt die CDU-Fraktion pro forma einspringen.

Insbesondere aber der letzte Satz der Pressemitteilung von CDU-Fraktionschef Thümler, es könne nicht im Interesse der CDU sein, einen UN-Beschluss umzusetzen, ohne die Menschen „mitzunehmen“, sei der blanke Hohn. „Die Menschen in Niedersachsen sind schon viel weiter als CDU und FDP. Zuletzt hatte sich im Juni dieses Jahres ein Bündnis aus 15 Verbänden gebildet, um Schwarz-Gelb beim Thema Inklusion Beine zu machen. In Wirklichkeit betätigen sich CDU und FDP seit Jahren als Bremsklötze“, sagte Heiligenstadt. „Die UN-Konvention ist bereits im März 2009 in Deutschland in Kraft getreten, vor zweieinhalb Jahren!“

Erst vor einem Monat habe eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung ergeben, dass in Deutschland 23,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf gemeinsam mit anderen Kindern unterrichtet würden. Heiligenstadt: „In Niedersachsen liegt dieser Anteil bei gerade einmal bei 7,9 Prozent – das ist der letzte Platz.“

Landes-LINKE: Umgang mit der UN-Behindertenrechtkonvention ist einfach dreist


Zur Ankündigung der Regierungsfraktionen, voraussichtlich erst im November einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention an Schulen vorzulegen, erklärte die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag, Christa Reichwaldt:

„Der Umgang der CDU-Fraktion mit der UN-Behindertenrechtkonvention ist einfach dreist: CDU-Fraktionsvorsitzender Björn Thümler behauptet, man wolle keine vorschnellen Beschlüsse fassen – dabei  wurde die Konvention bereits  am 13. Dezember 2006 von den Vereinten Nationen verabschiedet und zwei Jahre später von Deutschland ratifiziert. Seitdem wird die Umsetzung von CDU und FDP verschleppt. Das ist ein armseliges Spiel zulasten der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung. Schon jetzt ist Niedersachsen bundesweit Schlusslicht bei der inklusiven Beschulung. Offenkundig müssen wir bis zu den nächsten Landtagswahlen warten, bis hier etwas passiert.“


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