Keine Hilfe in der Krise: Stehen die Mutter-Kind-Kliniken vor dem Aus?

Der Rettungsschirm für Defizite und Mehraufwendungen ist am 1. Oktober ausgelaufen. Seither gibt es keine weiteren Hilfen vom Land für die Mutter-Vater-Kind Kliniken. Auch in Bad Harzburg ist eine Klinik betroffen.

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Wie geht es mit den Mutter-Kind-Kliniken weiter?
Wie geht es mit den Mutter-Kind-Kliniken weiter? | Foto: Pixabay

Bad Harzburg. Bereits seit Monaten befinden sich zahlreiche Eltern und Kinder im Homeoffice oder auch im Homeschooling. Eine Situation die schnell an die Belastungsgrenzen vieler gehen kann. Unterstützung in solchen Ausnahmesituationen konnten Familien in der Vergangenheit in den Kurberatungsstellen und Kliniken des Müttergenesungswerkes finden. Doch diese sehen sich nun aufgrund der Corona-Krise vor einer ungewissen Zukunft. Der Rettungsschirm, der Defizite und Mehraufwendungen auffangen sollte, erlosch zum 1. Oktober. Doch aufgrund von Hygienebestimmungen können die Kliniken ihre Kapazitäten nach wie vor nicht voll ausschöpfen. In einer Online-Petition sammelt der Evangelische Fachverband für Frauengesundheit nun Unterschriften für die Fortsetzung des Rettungsschirmes bis mindestens März 2021. Auch in unserer Region ist ein Mutter-Vater-Kind-Heim betroffen.


Zu den nicht ausgeschöpften Kapazitäten der Häuser kommen auch kurzfristige Absagen und Unsicherheiten der Mütter, wie Antje Krause, Geschäftsleiterin des Mutter-Vater-Kind-Heimes "Haus Daheim" in Bad Harzburg gegenüber regionalHeute.de berichtet. Eine Planung sei somit sehr schwierig. "Wir können zwar planen, dass Dienstag 34 Familien anreisen, ob diese dann auch kommen, wissen wir nicht", so Krause weiter. Derzeit könne das Haus rund 90 Prozent seiner Plätze belegen - und steht damit besser da, als andere. Dennoch bestehe auch hier die Sorge darüber, dass das Heim plötzlich aufgrund einer Coronainfektion geschlossen werden muss. Diese Schwankungen in den Belegungszahlen könnten nicht aus den normalen Tagessätzen aufgefangen werden. Diese seien nicht so komfortabel, um einen Verlust von knapp 40 Prozent ausgleichen zu können. Zwar gebe es einen Hygienezuschlag in Höhe von 16 Euro pro Familie, dieser könne jedoch bei Weitem nicht alles abdecken. Im Jahresdurchschnitt sieht Krause das Haus Daheim bei unter 60 Prozent in der Auslastung.

Großer Mehraufwand und steigende Kosten


Nach der Corona-Krise einfach mehr Arbeiten, um die Verluste wieder einzufahren, sei in ihrer Branche nicht möglich. Neben den Ausgaben zur Gebäudeerhaltung werde das Geld auch für die Abdeckung der Personalkosten benötigt. "Wir haben hohe Qualitätsstandards, die auch in Personal fließen. Wir brauchen psychologische Psychotherapeuten, ärztliche Versorgung, einen ärztlichen Dienst, Krankenschwestern, Erzieherinnen, Sozialassistenten und Physiotherapeuten", zählt Krause auf. Hinzu würden außerdem das Küchenpersonal und Reinigungskräfte kommen. Diesen Personalstamm gelte es zu halten.

Momentan würden die Mitarbeiter bereits am Limit arbeiten, unter anderem deshalb, weil viele Angebote dreifach oder vierfach angeboten werden müssen, um die Gruppengrößen möglichst klein zu halten. Dadurch haben nicht nur die Gruppenleiter Mehrstunden, auch der Reinigungsaufwand nach den Kursen ist höher. Krause fürchtet darüber hinaus, dass auch die Energiekosten steigen werden. Durch das viele Lüften werde auch viel nach draußen geheizt. Hinzukommen personelle Ausfälle. Wer in Coronazeiten einen Schnupfen hat, bleibt eine Woche zu Hause, bis das Testergebnis vorliegt. So bestehe immer die Gefahr, dass ganze Abteilungen geschlossen werden müssen, aufgrund von Personalmangel.

Wenn zu, dann zu


Unterstützung vom Land gebe es bisher nicht. Derzeit werde geprüft, ob für die Einrichtung die Überbrückungshilfe für die Monate Oktober, November und Dezember infrage kommt. Alle Hoffnung liegt jedoch auf dem Rettungsschirm. In der Online-Petition konnten bereits über 10.000 Unterschriften gesammelt werden, die demnächst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zu übergeben werden sollen.

"Wir fühlen uns von der Landespolitik alleingelassen.

- Antje Krause



Neben der Klinik in Bad Harzburg macht man sich auch in Braunlage und Altenau Sorgen. Man stehe im regelmäßigen Austausch. "Wir glauben, dass, wenn es die Häuser nicht schaffen, eine Versorgungsstruktur wegbrechen wird, die sich explizit an belastete Mütter, Väter und pflegende Angehörige wendet. Wenn das wegbricht wird es das auch nicht mehr geben", prognostiziert Krause, denn die Struktur könne dann nicht mehr aufgebaut werden, da es keine Rücklagen gebe. Es gebe keine Investoren in diesem Bereich. So seien in den letzten 20 Jahren von ungefähr 130 Kliniken noch 77 übriggeblieben. Erst in diesem Sommer musste in Hahnenklee eine Klinik geschlossen werden. Diese werde wohl nie wieder aufmachen.

Dabei ist der Bedarf groß, wie Krause weiß. Dennoch gehen die von den Krankenkassen bewilligten Klinikaufenthalte zurück. Während im Jahr 2014 rund 11 Prozent der Anträge abgelehnt wurden, waren es im Jahr 2019 bereits 17 Prozent. "Mütter und Väter haben in diesem Land keine Lobby", bemängelt Krause weiter.

Durch die Krise kämpfen


Das Haus Daheim gibt es in Bad Harzburg bereits seit den frühen 30er Jahren. Somit habe es schon so manche Krise überlebt. Zwar sind Antje Krause und ihre Mitarbeiter "wild entschlossen" am Markt zu bleiben, doch so langsam verliert sich die Sicherheit. Personal zu entlassen könne jedoch keine Lösung darstellen, betont Krause. In diesem Fall müsse man sich die Frage stellen, ob die Arbeit überhaupt noch geleistet werden könne. "Ich wünsche mir, dass die Politik das hört", so Krause abschließend. Ansonsten sehe sie für die Zukunft der Einrichtungen schwarz.


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