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Kinokritik: Late Night - Perspektiven der Diversität

Im Rahmen der "Ladies Night" feierte das C1 Cinema die Premiere der Tragikomödie "Late Night" Foto: C1 / Video: Marvin König | Foto: Astor Filmtheater Braunschweig

Braunschweig. Die glamouröse Welt des Fernsehens und die Zeichen der Zeit. Darum geht es in der Tragikomödie "Late Night", die am Mittwoch im Rahmen der "Ladies' Night" im C1 Cinema in Braunschweig anlief. Ein bewusst polarisierender Film, der sehr unterschiedliche Reaktionen bei unseren Filmtestern auslöste.

Als einzige weibliche Talkshow-Moderatorin führt die Engländerin Katherine Newbury, gespielt von Emma Thompson, seit 30 Jahren unangefochten das Feld im amerikanischen Fernsehen. Doch ihr Erfolg schwindet. Die Ankündigung der Senderchefin, sie abzusetzen, zwingt die egoistische Newbury zum Umdenken. Auf der Suche nach Lösungen trifft sie auf die selbstbewusste, Indischstämmige Molly Patel, gespielt von Mindy Kaling. Und die stellt das patriarchal beherrschte Team des Fernsehsenders- und die Welt der Moderatorin - gehörig auf den Kopf. Regie bei diesem außergewöhnlichen Ansatz, den Begriff 'Diversität' in einem Film zu verarbeiten, führt die - ebenfalls Indischstämmige - Nisha Ganatra, die von Mindy Kaling als Produzentin unterstützt wird. Der Film geht authentisch und humorvoll mit Diskriminierung, Gleichberechtigung, Chancengleichheit und Privilegien um. Und polarisiert dabei natürlich auch - im besten Sinne.

Inhalt:


Katherine Newbury (Emma Thompson) ist eine Legende auf ihrem Gebiet: Als Late-Night-Talkshow-Moderatorin war sie eine Pionierin und ist allseits bewundert. Doch dann wird sie eines Tages beschuldigt, eine Frau zu sein, die Frauen hasst. Um diesen Vorwurf zu entkräften, muss sofort eine Lösung her und so wird erstmals in der Geschichte von Katherines Sendung eine weibliche Autorin in den ansonsten nur männlich besetzten Writer's Room gelassen: Molly (Mindy Kaling). Mollys Einstellung scheint zunächst allerdings zu spät zu kommen: Die Quoten von Katherines Show fallen stetig und der Sender denkt laut darüber nach, die Moderatorin zu ersetzen. Molly will dennoch beweisen, dass sie nicht nur aus Diversitätsgründen ihren Job erhalten hat. Mit allen Mitteln bricht sie festgefahrene Hinterzimmer-Schemata auf, strebt einen Wandel an und gibt alles, um Katherines Sendung und auch ihrer Karriere neues Leben einzuhauchen. Die flotte Komödie überzeugt mit treffsicherem Dialogwitz auf drei Themengebieten - der Männerwelt der Fernsehshows, dem Druck, der auf älter werdenden Frauen lastet, der Kluft zwischen der arrivierten und der jungen Generation der Kreativen. Emma Thompson spielt Katherine genüsslich als gefürchtete Chefin, die nicht wissen will, wie es ihren Mitarbeitern und deren Angehörigen geht, sondern Leute quasi im Vorbeigehen feuert. Thompson weiß dabei auch gut den trockenen britischen Humor einzusetzen.

Trailer:


https://www.youtube.com/watch?v=6q7UdSJ0nSk

Kritik:


Ein toxisches Arbeitsumfeld, einmaskulin dominiertes und in veralteten Traditionen festgefahrenes Autorenteam und eine Chefin, die ihre Autoren in den letzten Jahrzehnten höchstens im Vorbeigehen gesehen hat - und die ihr eigentlich auch völlig egal sind. Der Traum, als Autorin für die Fernseh-Legende und Comedy-Koryphäe Katherine Newbury zu arbeiten wird für die selbstbewusste, ehrgeizige Molly Patel schnell zum Albtraum. Newbury sieht jedoch dem Ende ihrer Show, ihres Lebenswerkes entgegen - ihr Sender will sie durch einen umstrittenen Comedian ersetzen, der einen zutiefst misogynen und vulgären Humor pflegt. Da das Autorenteam nach der Devise "Wir machen das schon immer so" verfährt, nimmt Molly das Ruder in die Hand und legt sich dabei auch mit ihrer diabolischen Chefin an. Diese Prämisse führt zu brillanten Wortgefechten zwischen der stets nach Exzellenz strebenden, und dabei so verletzlichen Moderatorin und ihrem Luxusleben und denanderen Autoren in Mollys Team. Die Engländerin Emma Thompson legt als Katherine Newbury - ebenfalls Engländerin - eine oscarreife Leistung als verbissene, egozentrische Karrieristin hin. Dabei meistert sie den Spagat zwischen der gefürchteten Chefin und der 'privaten' Katherine, die mit ihrem Mann gegen dessen Parkinson-Erkrankung kämpft und eben auch "nur ein Mensch" ist. Emotional zeigt sie sich dort, ganz im Rahmen in der edlen Auslegung ihrer Rolle.

Mindy Kaling als Molly Patel erweckt ganz den Eindruck, als sei sie in ihre Rolle hineingeboren worden - was angesichts ihrer Gemeinsamkeiten mit der Figur nicht allzu weit hergeholt ist. Ihre Dialoge sind schlagfertig, humorvoll, sympathisch. Dabei gelingt ihr eine sehr nachvollziehbare und authentische Darstellung einer Frau, die für Diversität und Gleichberechtigung kämpft und die nur scheinbar unnahbare, schwer zu beeindruckende Katherine Newbury mit ihrer originellen, unverbrauchten Art langsam in ihren Bann zieht.Sie hält ihrem patriarchalen neuen Arbeitsumfeld konstant den Spiegel vor und stößt auch ihre Chefin, die sonst von allen nur mit Samthandschuhen angefasst wird, vor den Kopf und erteilt wichtige Lektionen, die nicht nur das Weltbild der bissigen Katherine Newbury verändern - und verbessern -, sondern auch so manchem Zuschauer einiges vermitteln - vorausgesetzt, er lässt sich darauf ein. Wer nicht zumindest bereit ist, über seine Privilegien und seine Rolle in der Welt nachzudenken, fühlt sich durch den Film wohl eher beleidigt. Late Night polarisiert - und macht wirklich Spaß dabei.

Einzig großer Kritikpunkt ist das etwas abrupte Ende, das ein wenig so wirkt, als sei den Machern die Zeit, das Geld, oder beides ausgegangen. Doch die Enttäuschung darüber zeigt letztlich nur, dass man gerne noch mehr von dieser ungewöhnlich modernen und dabei so ungezwungenen Komödie gesehen hätte.

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