Kumlehn: Mit Hilfe der Stadtratsfraktionen Spuren gefunden

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| Foto: Kumlehn



Wolfenbüttel. Jürgen Kumlehn wandte sich mit einem Dankeschön an WolfenbüttelHeute.de. Sein Dank gilt den Fraktionen des Stadtrates, die ihm durch Spenden ermöglicht hatten, eine DVD zu erwerben.

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Jürgen Kumlehn beschäftigt sich seit langer Zeit mit jüdischen Familien. Foto: Anke Donner)



Im Rahmen seiner Spurensuche und der Recherche nach aus Wolfenbüttel vertriebenen Juden, stieß Jürgen Kumlehn auf das Objekt seiner Begierde. Es war eine von der Shoa-Stiftung in Los Angeles herausgebrachte DVD mit einem Interview der Jüdin Estera Retkinski, die nach 1945 in Wolfenbüttel lebte und hier das erste jüdische Kind nach 1945 zur Welt brachte. Um die Kosten von 80 Dollar für die DVD aufbringen zu können, sprach Kumlehn die Stadtratsfraktionen an und bat um Unterstützung.

Inzwischen ist die DVD bei Kumlehn angekommen und er hat sich ausgiebig mit dem Inhalt befasst. „Es ist das eindrucksvolle Dokument einer Frau mit Lebensstationen wie Getto Lodz, KZ-Auschwitz, KZ Bergen-Belsen, Munitionsfabrik Magdeburg und erneut Bergen-Belsen, Stadt Wolfenbüttel und schließlich USA. Einen Satz, den Frau Retkinski sagte, werde ich wohl nicht mehr vergessen: ´Man hat uns wie Gold bewacht, aber wie Müll behandelt´“, so Kumlehn.

Die DVD möchte Jürgen Kumlehn nun bald dem Archiv im Museum im Schloss übergeben. Ergebnisse dieser Recherche will er dann in meinem Vortrag am 17. Juni 2015 vorstellen. Über WolfenbüttelHeute.de möchte er die Gelegenheit nutzen und sich bei den Stadtratsfraktionen der CDU, Linke, Grünen und Piraten/FDP bedanken. Dank ihrer Hilfe konnte er die notwendige Summe aufbringen.

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Ralf Achilles. Foto: Marc Angerstein



„Die Fraktionen haben nach meiner Anfrage sofort geantwortet - und dann auch geholfen. Darüber bin ich wirklich begeistert. Ich habe auch die SPD-Fraktion gebeten. Warum ich von denen bis heute keine Antwort bekommen habe, weiß ich nicht“, wundert sich der Erinnerer.

Auf Nachfrage von WolfenbüttelHeute.de antwortet SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Achilles: „Da ist ganz offensichtlich irgendetwas schief gelaufen. Ich weiß, dass wir über die Bitte von Herrn Kumlehn beraten und dieser auch zugestimmt haben. Dass er nun von unserer Fraktion keine Antwort und keine Unterstützung bekam, kann nur ein Missverständnis sein, das mir sehr leid tut und auf meine Kappe geht. Es soll auf keinen Fall eine Missachtung der Arbeit von Herrn Kumlehn sein. Ich kann nur sagen, dass es nicht unsere Absicht war“, so Achilles.

Hintergrund:


Jürgen Kumlehn bezeichnet sich selbst als Erinnerer. Seine Freizeit verbringt er damit, nach Spuren zu suchen, die die NS-Zeit hinterlassen hat. Vor allem konzentriert er sich darauf, Juden zu finden, die aus Wolfenbüttel deportiert wurden. Diese, zum Teil auf der ganzen Welt verstreuten Menschen will er finden, über ihre Schicksale berichten und Kontakt zu ihnen oder Angehörigen aufnehmen. Ein deutliches Zeichen seiner Arbeit sind die Stoplersteine, die mit seiner Unterstützung in Wolfenbüttel verlegt und an jüdische Familien erinnern, die von den Nazis ermordet, vertrieben und verschleppt wurde. Eines dieser Schicksale ist das der Familie Retkinski. So ergaben Jürgen Kumlehns Recherchen über die jüdische Familie, dass am 13. Mai 1946 Jakob Retkinski als Kind des jüdischen Ehepaares Henryk und Estera Retkinski in Wolfenbüttel geboren wurde. Jakob Retkinski war somit das erste, nach dem Krieg und der Befreiung in Wolfenbüttel geborene Kind jüdischer Eltern.

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Das Dokument des Internationalen Suchdienst Arolsen zeigt Daten von Jakob Retkinski und seiner Einreise in die USA. Foto:



Henryk Retkinski und Estera Ajzkowicz, beide aus Polen, trafen sich nach der Befreiung aus Konzentrationslagern im Salzgittergebiet und Bergen-Belsen in Wolfenbüttel, verliebten sich und heirateten vermutlich im Oktober 1945 in Braunschweig. Mehrere Jahre brachten sie in schlechten Wolfenbütteler Wohnbedingungen und verließen schließlich die Stadt um in die USA auszuwandern. Spuren der Familie in den USA fand er mit Hilfe von Matthew Smith, dem Neffen des ermordeten amerikanischen Soldaten, an dessen Schicksal seit Oktober 2014 ein weiterer Wolfenbütteler Stolperstein erinnert (WolfenbüttelHeute.de berichtete). Matthew Smith, leitender Mitarbeiter in der Chicagoer Stadtverwaltung, überbrachte im Oktober die Grüße des dortigen Oberbürgermeisters und des Bischofs von Chicago. Er fand im Washingtoner Holocaust-Memorial Museum mehrere Video-Interviews mit persönlichen Bezügen zu Wolfenbüttel, darunter auch ein mehr als eineinhalbstündiges Interview mit Frau Retkinski. Und während Smith sich in den USA bemüht Jakob Retkinsky zu finden, forscht Jürgen Kumlehn weiter von Wolfenbüttel aus.

Im Juni möchte er in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Erwachsenenbildung drei Vorträge zu jüdischen Rückkehrern nach Wolfenbüttel halten. Auch über das Schicksal der Familie Retkinski wird er berichten. Seine Informationen erhielt er auch über den Suchdienstes in Arolsen. Das Interview mit Estera Retkinski konnte weitere Aufschlüsse über das Schicksal der Familie geben.

Die Shoah Foundation


Die Shoah Foundation, vollständig Survivors of the Shoah Visual History Foundation genannt, ist eine 1994 vom US-amerikanischen Regisseur Steven Spielberg gegründete gemeinnützige Organisation in den USA, die weltweit und in großem Umfang Schilderungen von Überlebenden des Holocaust auf Video aufnahm, um sie nachfolgenden Generationen als Unterrichts- und Ausbildungsmaterial zugänglich zu machen. Quelle: Wikipedia


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