Rat beschließt nach hitziger Debatte neues Klimaschutzkonzept

Das Konzept sieht 38 Maßnahmen wie etwa den Abbau des stadtweiten Endenergiebedarfs um 23 Prozent, energetische Gebäudesanierung für knapp 30.000 Wohneinheiten und Gewerbebetriebe sowie 80.000 gemeldete Elektro-Fahrzeuge vor.

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Symbolbild | Foto: Axel Otto

Braunschweig. Der Rat der Stadt Braunschweig hat in seiner Sitzung am heutigen Dienstag bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen das neue Integrierte Klimaschutzkonzept für die Stadt beschlossen. Vorangegangen war eine ausführliche und teils hitzige Diskussion. Während die Kritiker des Konzeptes von unrealistischen Zielen sprachen, deren nicht Erreichen zu noch mehr Verdruss führen werde, ist es anderen noch nicht ehrgeizig genug. Es seien jetzt drastische Änderungen aller Lebensbereiche nötig, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden.



Umweltdezernent Holger Herlitzschke erklärte zunächst, dass das Integrierte Klimaschutzkonzept 2.0 vor allem ein Szenario sei. Es folge der Frage: Was müsse in der Stadt maximal erreichbar passieren, um das vom Rat im vergangenen Jahr beschlossene Ziel zu erreichen, bereits 2030 und nicht erst 2050 klimaneutral zu werden? Dies sei eines der ambitioniertesten Ziele in ganz Niedersachsen. Um es zu erreichen, sei auch viel Überzeugungskraft nötig.

"Luftschlösser" und "Traumtänzereien"


Vor allem von CDU, AfD und FDP gab es Kritik. Von "Luftschlössern" und "Traumtänzereien ohne realistischen Bezug" war die Rede. Ratsherr Mathias Möller (FDP) bemängelte zudem, dass die Finanzierung kaum eine Rolle im Klimaschutzkonzept spiele. „Wir sollen über etwas beschließen, von dem wir nicht wissen, was es kostet und schon gar nicht, wie effizient welche Maßnahme ist.“ Bei vielen Maßnahmen sei zudem unklar, welche konkrete Einsparung sie bringen. „Wir können dem Konzept nicht entnehmen, wie das Ziel zu erreichen sein soll – das Einzige, was wir sehen, ist, dass es nicht zu erreichen ist“, klagt Möller. Das führe am Ende nur zu Frustration und Wut bei den Bürgern.

Für Heidemarie Mundlos (CDU) stehe jetzt schon fest, dass die Faktoren des aufgestellten Szenarios nicht optimal laufen könnten. Hier werde Vertrauen verspielt. Sie forderte mehr Realismus und Ehrlichkeit den Menschen aber auch sich selbst gegenüber.

"Geballte Kraft in die Umsetzung stecken"


Die Ratsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen begrüßt dagegen die positive Entscheidung zu der Beschlussvorlage des zuständigen Umweltdezernenten. Dazu die Stellvertretende Fraktionsvorsitzende Leonore Köhler: „Wir müssen nun unsere geballte Kraft in die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen zur CO2-Reduzierung stecken – denn nur so kann Braunschweig wirklich bis 2030 klimaneutral werden. In den kommenden Jahren wird es sich erweisen, ob wir angesichts der menschengemachten Klimakrise ausreichende Maßnahmen zur Klimaanpassung auf den Weg bringen konnten. Hier sind alle politischen Ebenen gefordert, auch die kommunale!"

"Durch vermehrte Hitzesommer und Starkregenereignisse spüren wir die Auswirkungen der Klimakatastrophe immer mehr am eigenen Leibe, die Dringlichkeit dieses Themas nimmt beständig zu. In diesem Sinne möchten wir mit unserem Änderungsantrag erreichen, dass es ein engmaschigeres Controlling des Klimaschutzkonzeptes gibt. Dadurch erhalten wir die Chance, zusätzliche Maßnahmen zu beschließen, wenn wir erkennen, dass wir die Zielwerte in manchem Sektor nicht erreichen werden", ergänzte Ratsherr Gordon Schnepel.

"Sozialen Aspekt nicht vergessen"


Gisela Ohnesorge (Die FRAKTION.BS) unterstützte den Rahmenplan zwar grundlegend, gab aber auch zu bedenken, dass der soziale Aspekt nicht komplett vergessen werden dürfe. Gerade ärmere Arbeitnehmer seien auf ihr Auto angewiesen und könnten sich kein Elektroauto leisten. Solange der ÖPNV keine wirkliche Alternative sei, dürfe man das nicht aus den Augen verlieren.

Dr. Bernhard Piest (BIBS) gab dagegen zu bedenken, dass Dürren, Überschwemmungen und andere Wetterextreme keine Zukunftsvisionen, sondern Realität seien. Es seien jetzt drastische Änderungen nötig. Sonst drohten Epidemien von Hitzetoten. "Das Leben, wie wir es kennen, ist in höchster Gefahr", ergänzte Fraktionskollegin Silke Arning.

Zum Hintergrund


Das Klimaschutzkonzept sieht laut einer Pressemitteilung der Stadt Braunschweig 38 stadtweite Maßnahmen wie etwa den Abbau des stadtweiten Endenergiebedarfs um 23 Prozent, energetische Gebäudesanierung für knapp 30.000 Wohneinheiten und Gewerbebetriebe, 80.000 gemeldete Elektro-Fahrzeuge, Ausbau von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie eine vielfache Steigerung von Erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Windenergienutzung sowie dem Einsatz von Wärmepumpen vor. Diese sollen jetzt umgesetzt werden. Bereits vorhandene Planungen wie für die Stadtbahn oder Maßnahmen zur energetischen Sanierung sind in das Konzept integriert. Auch ein intensives Monitoring ist vorgesehen.


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