Zahl der politisch motivierten Straftaten auf Rekordwert

Erstmals seit 2001 wurden über 5.000 Delikte gezählt. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius macht dafür vor allem zwei Faktoren verantwortlich.

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Symbolbild | Foto: Rudolf Karliczek

Niedersachsen. Mit 5.010 politisch motivierten Straftaten in Niedersachsen im vergangenen Jahr, liegt der Wert so hoch wie nie zuvor seit Beginn der Erfassung 2001. Zum Vorjahr (3.622 Taten) ist dies ein Anstieg um etwa 38 Prozent. Der Mittelwert der letzten zehn Jahre lag etwa bei 3.100. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius und Landespolizeipräsident Axel Brockmann stellten die Zahlen am heutigen Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz vor und ordneten diese ein.



So machte Pistorius den Anstieg vor allem an zwei Faktoren fest: den Corona-Protesten und dem Wahljahr mit Bundestags- und Kommunalwahl. So sei vor allem der Anteil an Straftaten, die keiner politischen Richtung zuzuordnen seien, angestiegen. Mit 1.790 Taten waren es um 183 Prozent mehr als 2020 (633). Straftaten im Rahmen von Zusammenkünften, die sich gegen die Corona-Maßnahmen gerichtet hätten, seien selten eindeutig politisch zuzuordnen. Und auch bei beschädigten oder gestohlenen Wahlplakaten sei dies schwer möglich, wenn es keine Hinweise auf die Täter gebe.

Die meisten Taten mit rechtem Hintergrund


Mit 1.822 Fällen machen die rechtsorientierten Straftaten weiterhin den größten Teil der Fälle aus. Über die Hälfte davon seien sogenannte Propagandadelikte, wie das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. Einer Straftat im Phänomenbereich „rechts“ lag zusätzlich eine terroristische Zielrichtung zu Grunde, die Tat wurde durch die Polizei verhindert. In 68 Fällen geht es um Gewaltdelikte.


Die Zahl der Straftaten mit linkem Hintergrund ist mit 1.224 so hoch wie nie zuvor seit 2001. In 67 Prozent der Fälle gehe es um Sachbeschädigungen und Diebstahl. Hierbei spiele der Wahlkampf eine große Rolle. 121 Gewalttaten mit linkem Hintergrund wurden registriert. Die Opfer seien häufig Polizeibeamte gewesen. Landespolizeipräsident Axel Brockmann nannte aber auch explizit einen Fall aus Braunschweig, bei dem es zu einer Brandstiftung an einem Wohnhaus gekommen war, das als Anlaufobjekt der örtlichen rechten Szene gilt (regionalHeute.de berichtete).

Reichsbürger weiter auffällig


Eine weitere Auffälligkeit bildet weiterhin das Phänomen der selbsternannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Der Anteil der Straftaten in diesem Phänomenbereich habe sich um 98 erhöht, sie liegt jetzt bei 206 (2020: 108). Dabei hat es sich häufig um Beleidigungen und Nötigungen gehandelt; es waren aber auch 19 Gewaltdelikte zu verzeichnen. In 64 Fällen waren die Taten rechtsmotiviert.

Die Straftaten gegen Amts- und Mandatstragende sind von 246 auf 344 im Vergleich zum Vorjahr erneut angestiegen. Davon waren 83 rechts- und 35 linksmotiviert. In 225 Fällen konnte keine Zuordnung erfolgen.

Weniger Fälle mit religiösem Hintergrund


Für den Bereich der ausländischen Ideologie sind die Taten von 165 aus dem Vorjahr auf 138 Taten weiter gesunken. Im Bereich der religiösen Ideologie hat die Bedrohung durch den islamistisch geprägten Extremismus/Terrorismus weiterhin eine herausragende Bedeutung, auch wenn die Anzahl der in diesem Zusammenhang registrierten Straften im Vergleich zum Vorjahr von 40 auf 36 weiter rückläufig ist. Auch die Anzahl der terroristischen Straftaten in diesem Bereich hat abgenommen. So sind acht terroristische Straftaten aus einer religiösen Ideologie (Vorjahr: zehn) und eine terroristische Straftat aus einer ausländischen Ideologie (Vorjahr: acht) zu verzeichnen.

Boris Pistorius sieht ein Problem in der sich veränderten Medienlage beziehungsweise des Medienkonsums. "Immer mehr Menschen sind ohne kritische Überprüfung der Inhalte dazu bereit, an Verschwörungstheorien zu glauben, die Inhalte und Memos insbesondere über Messenger-Dienste und soziale Netzwerke zu verbreiten und sogar völlig abstrusen Erzählungen Glauben zu schenken", so der Innenminister. Allgemein herrsche ein rauerer Umgangston. Hass-Postings im Netz seien ein zunehmendes Phänomen.

"Demokratie ist wehrhaft"


Auf all diese Entwicklungen habe man, auch mit personellen Maßnahmen und Schwerpunktsetzungen innerhalb der Sicherheitsbehörden, bereits reagiert und werde diesen Weg weiterhin gehen. "Unsere Demokratie und ihre Institutionen sind wehrhaft. Wir sind aber weiter gefordert nicht nachzulassen, wachsam zu bleiben und vor allem klar Position zu beziehen gegen die Feinde unseres Staates", so Pistorius weiter. Dafür stärke man in Niedersachsen beispielsweise bereits seit Jahren erfolgreich die Abwehrkräfte gegen antidemokratische Tendenzen in den Behörden.


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