Caritas und Jugendsozialarbeit der Stadt warnen

"Wir laufen Gefahr, dass wir eine Generation verlieren"

Dr. Marcus Kröckel (Dritter von links), Ayca Aytekin (Vierte von links) und  Thomas Mallon (Sechster von links) mit Daniela Tedesco und Anne Wenhake (Erste und Fünfte von links) aus dem PACE-Team.
Dr. Marcus Kröckel (Dritter von links), Ayca Aytekin (Vierte von links) und Thomas Mallon (Sechster von links) mit Daniela Tedesco und Anne Wenhake (Erste und Fünfte von links) aus dem PACE-Team. | Foto: Caritasverband Braunschweig e.V.

Braunschweig. Den Weg in Ausbildung oder Beruf zu finden, ist für manche Jugendliche schwer. Die Hindernisse können ganz unterschiedlich sein. In Braunschweig finden Betroffene Unterstützung in dem von der Caritas unterhaltenen Pro-Aktiv-Center (PACE) und der Jugendsozialarbeit der Stadt - die Hand in Hand arbeiten. Dies teilt der Caritasverband Braunschweig mit.



Die Chancen, direkt nach der Schule eine Ausbildungsstelle – gar im Traumberuf – zu erhalten, seien nach wie vor ungleich verteilt, aber jeder könne etwas erreichen, wenn er sich darauf einlasse. "Die aktuelle Lage verdeutlicht einen enormen Bedarf an Unterstützung, der selbst durch die umfangreichen Bemühungen der Braunschweiger Jugendsozialarbeit nur unzureichend aufgefangen werden kann“, erklärt Mallon, der intensiv mit Pace-Leiterin Ayca Aytekin und ihrem Team im Austausch ist. Mallon ist Leiter der Jugendsozialarbeit der Stadt. „Viele Jugendliche haben aufgrund der schwierigen Umstände während der Corona-Pandemie ihre schulische Laufbahn bewusst verlängert, da Praktikums- und Ausbildungsplätze gestrichen wurden und Studiengänge vermehrt nur noch online angeboten wurden. Dazu kommen die Auswirkungen der sozialen Isolation, die sich nur sehr langsam oder gar nicht verringern lassen“, ergänzt Aytekin. Man müsse aufpassen, dass man nicht eine ganze Generation verliere.

Kürzungen wären katastrophal


Kürzungen, die immer wieder diskutiert werden, hätten katastrophale Auswirkungen. “Konkret für unsere Arbeit im PACE könnten Kürzungen die Gefahr einer schlechteren Versorgung der Ratsuchenden bedeuten, wenn durch weniger Gelder weniger Personal bzw. Arbeitsstunden zur Verfügung stehen würden. Das heißt, dass seltener kurzfristige Beratungstermine ermöglicht werden könnten, insgesamt weniger Zeit für Klientinnen bleiben könnte und größere Abstände bis zu Folgeterminen bestehen würden. Insgesamt würde die Intensivität in der Betreuung abnehmen“, so Caritas-Vorstand Dr. Marcus Kröckel. Dies sei fatal in der aktuellen Situation. Die jungen Menschen wachsen in einer Zeit auf, die von ihnen als Dauerkrise empfunden werde. Krisen hätten einen erheblich gravierenderen Einfluss auf Kinder und Jugendliche als auf Erwachsene. „Aktuell sind mehr als 30 Prozent unserer Klientel mit diagnostizierten psychischen Erkrankungen belastet“, weiß Kröckel zu berichten. Deshalb müsse das Angebot eigentlich ausgebaut werden, um noch mehr helfen zu können.

Das was macht PACE und die Jugendsozialarbeit der Stadt aus?


Übergeordnete Aufgaben von PACE sind die soziale Stabilisierung, die Bewältigung des Lebensalltags und die Schaffung von Alltagsstrukturen, die zur Verbesserung der Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit der Klientinnen führen. Dies kann zum Beispiel konkret bedeuten, die jungen Erwachsenen bei der Suche nach passenden Ausbildungs- oder Arbeitsplätzen zu unterstützen, mit ihnen Bewerbungsunterlagen zu erstellen, sie bei ihrer Existenzsicherung zu unterstützen oder bei Problemen mit Finanzen, der Wohnung, psychischen Gesundheit, Familie und im Umgang mit Behörden zur Seite zu stehen.

Vor dem Pro-Aktiv-Center agieren wichtige Anlaufstellen wie die Kommunale Schulsozialarbeit, die Kompetenzagentur und die Praxisklassen. Diese Einrichtungen bieten gezielte Unterstützung und ermöglichen eine individuelle Förderung. Eine flankierende Rolle übernehmen die Koordinierungsstelle Schulverweigerung, die Kompetenzagentur PLUS und die Schulabgängerbefragung, die gemeinsam mit den genannten Anlaufstellen ein durchdachtes Netzwerk bilden.

Gemeinsam stark


Ein gemeinsames Merkmal ist die intensive Einzelfallhilfe. Die engagierten Teams suchen aktiv nach jungen Menschen in Krisensituationen oder benachteiligenden Verhältnissen. In Braunschweig werden derzeit über 2.000 "Einzelfälle" von den gut 44.000 Jugendlichen im entsprechenden Altersbereich unterstützt. Dies unterstreicht die Relevanz. „Das Pro-Aktiv-Center nimmt in der Jugendsozialarbeit einen festen Platz ein und bildet eine Schnittstelle zu den vorgelagerten und begleitenden Einrichtungen. Eine koordinierte Herangehensweise trägt dazu bei, dass das Pro-Aktiv-Center und die umliegenden Angebote nahtlos ineinandergreifen, um eine ganzheitliche und effiziente Jugendsozialarbeit zu gewährleisten“, erklärt Mallon. Die Caritas leiste einen großen Beitrag zur Unterstützung von Jugendlichen. Schließlich würden hier verschiedene Förderprogramme, darunter das PACE-Förderprogramm des Landes, aus einer Hand angeboten. „Ohne den Jugendmigrationsdienst, das Jugendcafé St. Cyriakus, die Respekt Coaches an Schulen oder die Allgemeine Sozialberatung der Caritas würden bedeutende Elemente einfach fehlen“, erklärt er.

Warum eigentlich Ausbau angesagt ist


„Wir leisten einen gehaltvollen Beitrag zur sogenannten Auswahlreserve für Unternehmen und Hochschulen. Dies bedeutet, dass durch unsere Maßnahmen mehr qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“, ergänzt Dr. Marcus Kröckel. Jeder Schüler, der ohne Schulabschluss bleibt, stehe vor einem deutlichen Problem und werde langfristig auf Sozialleistungen angewiesen sein. „Die jährlichen Folgekosten liegen bei rund 10.000 Euro pro Betroffenem. Die Kommune trägt etwa 15 % der Kosten selbst. Über den Zeitraum zwischen Schulzeit und Rente summieren sich diese Ausgaben erheblich“, ergänzt Mallon. Insgesamt zeige sich, dass die Arbeit nicht nur einen sozialen Mehrwert schafft, sondern auch erhebliche ökonomische Effekte hat, indem sie langfristig Kosten minimiert und die Wirtschaft durch gut qualifizierte Arbeitskräfte vor Ort hält.

Wie soll es weitergehen?


Es sei wichtig, auf die demografischen Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren, da mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als nachkommen. Dies markiere den Beginn eines erheblichen Fachkräftemangels, so Aytekin. „Zugleich sind wir auch ein sicheres Land für viele Menschen auf der Flucht. Viele von ihnen sind jung und werden unsere Nachbarn, diese zu integrieren muss Hauptaufgabe sein“, so die Pace-Leiterin. „Die Situation ließe sich auch durch die Einrichtung von Sprachlern- oder Praxisklassen an allen 30 weiterführenden Schulen umfassen, zurzeit profitieren nur wenige Schulen von solchen Angeboten. Darüber hinaus ist es sinnvoll, die Jugendsozialarbeit durch kinder- und jugendtherapeutische Angebote an Schulen zu stärken. Sechs Vollzeitstellen würden die Situation spürbar verbessern. Es ist wichtig, diese Maßnahmen als Daseinsvorsorge und Investition in die Zukunft zu betrachten“, gibt Mallon abschließend eine Empfehlung zur künftigen Entwicklung.


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