Wie Rückenwind beim Radfahren: Inklusiver Gottesdienst zum Thema "Glück"

von Christina Balder




Braunschweig. Geschwister zu haben oder einen Unfall überleben: Das ist Glück für Bewohner der Evangelischen Stiftung Neuerkerode. Gemeinsam mit nichtbehinderten Kirchgängern feierten sie am Sonntagvormittag einen inklusiven Gottesdienst im Braunschweiger Dom. Zuvor hatten sie sich über das Thema Glück Gedanken gemacht und brachten diese auch in den Gottesdienst ein.

Die Jahreslosung, "Gott nahe zu sein, ist mein Glück", trifft den Zeitgeist, befand Pfarrer Rüdiger Becker, der Direktor der Stiftung, in seiner Predigt. Themenwochen im Rundfunk und Zeitschriftentitel zeigten, dass die Menschen auf der Suche nach dem Glück seien. Wie leicht das gefunden werden kann, bewiesen Bewohner Neuerkerodes, für die eine sinnstiftende Arbeit oder liebende Verwandte einen großen Teil ihres Glücks ausmachen. Auch Becker sagte: "Glück ist in den einfachen Dingen des Lebens." Familie, Arbeit, Freunde, Theater oder Musik - aber auch das Rauschen der Wälder oder der Rückenwind beim Radfahren, all das könne Glück bedeuten. Doch zuerst müsse man sich selbst erlauben, glücklich zu sein, und sich der Welt öffnen: "Erst muss man Rad fahren, bevor man den Rückenwind genießen kann."

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Es gebe aber auch Momente, in denen das Glück ganz weit weg scheint. "Manchmal sind wir stockblöd und blind, gehen griesgrämig durchs Leben und machen uns selbst unglücklich", sagte Becker. Er habe aber eine ganz einfache "Ich mach' mich glücklich"-Regel: Er selbst versuche immer, mitten ins Leben zu gehen und Menschen zu suchen, die ihn glücklich machen. Es gibt jedoch auch Zeiten, in denen diese Regel so einfach nicht anzuwenden ist, weil äußere Umstände uns unglücklich machen. "Wenn es schwierig wird, müssen wir einander Geschwister sein", riet Becker. Wir müssten unser Glück teilen mit jenen, die zu wenig davon haben.



Seit fünf Jahren steht die Stiftung Neuerkerode in einer Partnerschaft mit dem Dom. Eine von drei jährlichen gemeinsamen Veranstaltungen ist der inklusive Gottesdienst, der sich an Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen richtet. Bewohner Neuerkerodes sind an der Vorbereitung des Gottesdienstes beteiligt und übernehmen auch Rollen in seinem Ablauf. Dabei wird die Liturgie nicht verändert. "Der hochkirchliche Zugang ist wichtig", sagt Pfarrer Becker. "Wenn wir das zu spielerisch machen würden, würden wir das Ganze trivialisieren." Man wolle Barrieren vor dem Dom als dem "guten Wohnzimmer der Landeskirche" abbauen.

Becker sagte, er bemühe sich, die Predigt leicht verständlich zu halten. Andere Elemente für mehr Barrierefreiheit, etwa einen Gebärdendolmetscher, könne er sich durchaus auch vorstellen, wenn das Publikum dafür vorhanden wäre. "Ich hätte nichts dagegen, die Einladung in diese Richtung zu erweitern", sagte Becker. Aktuell richte sich der Gottesdienst aber vor allem an Senioren und geistig wie körperlich behinderte Menschen.




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