Keine Bundeswehr in Altenheimen? Kommunen widersprechen Verteidigungsministerin

Anders als vom Verteidigungsministerium behauptet, habe die Bundeskanzlerin nicht persönlich mit den Landräten telefoniert - zumindest nicht in den Städten und Kreisen unserer Region. In vielen Städten und Kreisen sind jetzt schon Soldaten in den Alten- und Pflegeheimen tätig.

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Bundeswehrsoldaten können Alten- und Pflegeeinrichtungen helfen, die vorgeschriebenen Antigen-Schnelltests bei Personal und Besuchern durchzuführen. (Symbolbild)
Bundeswehrsoldaten können Alten- und Pflegeeinrichtungen helfen, die vorgeschriebenen Antigen-Schnelltests bei Personal und Besuchern durchzuführen. (Symbolbild) | Foto: Rudolf Karliczek

Region. Am vergangenen Mittwoch sprach Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer im ZDF Morgenmagazin über Amtshilfen der Bundeswehr in Altenheimen. Für Schnelltests und andere Hilfen stünden 15.000 Soldaten bereit, nur fordere sie niemand an. "Die Kanzlerin selbst hat die Landräte antelefoniert, hat nochmal deutlich gemacht, dass es diese Hilfe gibt", so Kramp-Karrenbauer. Eine Anfrage bei den Städten und Kreisen in der Region ergab, dass nirgends ein Anruf der Kanzlerin eingegangen sei. In vielen Kommunen sei die Bundeswehr gar schon in den Altenheimen beschäftigt.


Die Bundeswehr ist im Grunde schon überall im Einsatz. 5.500 Soldaten unterstützen bundesweit die Gesundheitsämter der Städte und Kreise bei der Kontaktnachverfolgung. 10.000 könnten kurzfristig die Alten- und Pflegeheime bei den Schnelltests unterstützen, auch bei nichtmedizinischen Aufgaben könne das Personal unterstützend tätig werden, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber regionalHeute.de. Die Soldaten bleiben nach einem Amtshilfeersuchen für drei Wochen in den Einrichtungen und sollen dann durch Kräfte ersetzt werden, die durch die Bundesregierung und die Bundesagentur für Arbeit angeworben wurden. In Niedersachsen gilt eine Testpflicht für alle Mitarbeitenden seit dem 16. Dezember. Diese müssen sich jeden zweiten Tag einem Antigen-Schnelltest unterziehen. Gleiches gilt für Besucher.

Bundeswehr verzichtet auf Vergütung der Amtshilfe


Ein Blick auf die Website der Bundeswehr sorgt für Verwirrung - dafür, dass die Bundeswehr angeblich nicht angefordert werde, ist sie in vielen Städten und Kreisen vertreten. Das bilde aber, so der Ministeriumssprecher weiter, nicht die geleistete Hilfe in Altenheimen nach. 2.344 Soldaten arbeiten in über 130 Impfzentren, 1.000 Soldaten arbeiten in über 250 Alten- und Pflegeeinrichtungen. Es sind aber eben nur 1.000 von 10.000 bis 15.000 Kräften, die theoretisch zur Verfügung stehen. Am vergangenen Mittwoch beschloss der Bundestag dann noch einmal schwarz auf weiß, was Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer von Anfang an klargestellt hat: Die Amtshilfeleistungen sind kostenlos. Unter normalen Umständen müsste die Amtshilfe vergütet werden. Zwar wollte man von Anfang an von dieser Vergütung absehen, das Verteidigungsministerium sah dennoch darin die Ursache dafür, dass sich die Städte und Kreise scheuen, die Hilfen anzufordern.

Woran liegt es?


Beim Verteidigungsministerium ist man weitestgehend ratlos, weshalb die Kommunen sich scheuen, Amtshilfeanträge zu stellen. Man "vermutet" Ängste vor möglichen Kosten, die ja nun ausgeräumt worden seien. Bürokratiehindernisse könne es auch nicht geben - Landkreise und kreisfreie Städte melden ihren Bedarf einfach bei den Kreisverbindungskommandos, den Bezirksverbindungskommandos oder den zuständigen Landeskommandos. Für Hilfen bei der Antragsstellung ist beim Kommando territoriale Aufgaben rund um die Uhr ein Hilfstelefon geschaltet, auch Verbindungsoffiziere stünden zur Verfügung. "Auch die Kanzlerin hat ja diverse Gespräche mit den Landräten geführt, um das Angebot noch einmal zu erläutern."

Kein Anruf der Bundeskanzlerin


401 Kreise und kreisfreie Städte gibt es in Deutschland. Sie alle abzutelefonieren, nimmt Zeit in Anspruch. In sieben von acht Kreisen und kreisfreien Städten in unserer Region ist kein Anruf der Kanzlerin eingegangen. In Braunschweig und Salzgitter ist die Lage unklar, da die Städte regionalHeute.de trotz Nachfrage bislang eine Antwort schuldig blieben. Der Landkreis Peine erhielt eine E-Mail von Kanzleramtschef Helge Braun zur Information über die Amtshilfen, alle anderen Städte und Kreise antworten lapidar, dass es kein Gespräch gegeben habe, dass man aber Kenntnis über die Möglichkeit der Amtshilfen habe. Von dieser werde sogar "rege Gebrauch gemacht", so der Landkreis Helmstedt in einer ausführlichen Antwort auf eine Anfrage unserer Online-Zeitung.

Nicht wirklich völlig kostenlos


"Bereits bevor uns Ihre Anfrage erreicht hat, sind für mehrere Einrichtungen Amtshilfeersuchen gestellt worden", antwortet Landrat Andreas Ebel aus dem Landkreis Gifhorn. Man begrüße, dass keine Personalkosten erhoben würden. Kostenlos sei der Einsatz der Soldaten damit für die Einrichtungen aber nicht, wie der Landrat klarstellt: "Auf der anderen Seite sind Kosten durch die Einrichtungen zu tragen, insbesondere Unterkunft, Verpflegung, Ausstattung mit Schutzausrüstung. Auch die angekündigte Schulung der Soldatinnen und Soldaten läuft in Niedersachsen erst ab der kommenden Woche an. Aus Sicht der Kreisverwaltung wäre es daher erfreulicher gewesen, zunächst die Voraussetzungen für einen umgehenden und tatsächlichen kostenfreien Einsatz der Bundeswehr zu schaffen." In Gifhorn werden Bedarfe an den Einrichtungen aktiv durch die Heimaufsicht der Kreisverwaltung erfragt.

Goslar informiert Heime per Newsletter


Im Landkreis Goslar lief laut Landkreissprecher Maximilian Strache bis zum vergangenen Wochenende eine Abfrage bei den Alten- und Pflegeheimen dazu, welche Bedarfe für Unterstützung bestehen. Wie Strache weiterhin anmerkt, würde sich durch die Klarstellung, dass auf Personalkosten verzichtet werde, nichts wesentlich für den Landkreis ändern. Seit Beginn der Pandemie informiere man Alten- und Pflegeheime mit einem Newsletter über die aktuelle Rechtslage und Unterstützungsangebote. Dementsprechend arbeite man in Goslar proaktiv, um mögliche Hilfen schnell und unkompliziert bei den Pflegeheimen ankommen zu lassen.

Bundeswehr in etlichen Helmstedter Einrichtungen im Einsatz


"Von der Möglichkeit, über den Landkreis Helmstedt ein Amtshilfeersuchen an die Bundeswehr zu richten, wird rege Gebrauch gemacht", so Andreas Jünemann, Fachbereichsleiter Assistenz und Kommunikation in Helmstedt. Im Landkreis ändere der Kabinettsbeschluss zum Verzicht auf Vergütung der Amtshilfeleistung nichts. Jünemann äußert sich jedoch skeptisch: "Da die Kostenträger allerdings die Einrichtungen selbst wären und nicht die vermittelnde Behörde, bleibt die Entwicklung abzuwarten." In zwei Einrichtungen in Helmstedt sind bereits seit dem 25. Januar Bundeswehrsoldaten als Testpersonal im Einsatz. Für weitere vier Einrichtungen seien bereits Anträge gestellt und bewilligt worden. In Bearbeitung seien Anträge für Amtshilfe in vier weiteren Einrichtungen.

Soldaten in Peine seit vergangenem Mittwoch im Einsatz


"Der Landkreis Peine hat bereits in der vergangenen Woche ein Amtshilfeersuchen gestellt und dieses auch bewilligt bekommen. Zehn Soldaten der Bundeswehr sind am Dienstag angekommen und vom Gesundheitsamt geschult worden", so Fabian Laaß, Sprecher des Landkreises Peine. "Sie sind seit Mittwoch bereits in Alten- und Pflegeheimen eingesetzt", so Laaß weiter. Zuvor habe der Landkreis Peine alle Einrichtungen kontaktiert und Bedarfe erfragt. Bereits vor geraumer Zeit sei die Heimaufsicht des Landkreises personell verstärkt worden, um Heime bei der Umsetzung eines Hygienekonzeptes zu unterstützen und bei Problemen zu intervenieren.

Amtshilfe für zwei Einrichtungen in Wolfenbüttel


Der Landkreis Wolfenbüttel erklärt ebenfalls, ein Schreiben des Bundeskanzleramtes Mitte Januar erhalten zu haben. "Durch den Landkreis Wolfenbüttel wurde der Bedarf dazu von den Alten- und Pflegeheimen im Kreisgebiet erfragt. Die Ergebnisse lagen Mitte der vierten Kalenderwoche vor. Zwei Einrichtungen haben Bedarf angemeldet, sodass der Landkreis dafür um Amtshilfe ersuchen wird", erklärt Landkreissprecher Andree Wilhelm. Bei der Beantwortung der Abfrage habe es eine hohe Rückmeldequote gegeben, sodass man davon ausgehe, dass alle tatsächlichen Bedarfe gemeldet worden sind. Man begrüße die Klärung der finanziellen Seite durch das Kabinett, Details, so Wilhelm abschließend, seien aber noch in Klärung. Auch im Landkreis Wolfenbüttel erfolge ein regelmäßiger Austausch zwischen den Pflegeeinrichtungen, dem Gesundheitsamt und der Heimaufsicht.

Die Stadt Wolfsburg nannte keine Details zu bisherigen Bedarfsabfragen. Man sei aber mit den Einrichtungen in Kontakt.


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