Mehr Strom, mehr Wasser - Forscher für Bau neuer Talsperren im Harz

Mit den Neu- und Umbaumaßnahmen könnte die aktuelle Kapazität um ganze 50 Prozent erhöht werden.

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An der Staumauer der Okertalsperre.
An der Staumauer der Okertalsperre. | Foto: Marvin König

Goslar/Harz. Seit Jahren laufen die Forschungen zu dem Thema, welchen Beitrag der Harz und seine Talsperren für die Zukunft der Niedersächsischen Wasserversorgung leisten können. Größer ist besser, lautet hier die Devise. Und so wurde auch ganz unvoreingenommen über Standorte für neue Talsperren nachgedacht. Erste Forschungsergebnisse des Projektes "Energie- und Wasserspeicher Harz" mit möglichen Standorten für Talsperrenerweiterungen und sogar völlig neue Talsperren haben die Harzwasserwerke und die beteiligten Niedersächsischen Universitäten am heutigen Montag in einer Pressemitteilung veröffentlicht.


Mit den Auswirkungen des Klimawandels stehen Trinkwasserversorgung und Hochwasserschutz als Hauptaufgaben der Talsperren im Harz immer mehr in Konkurrenz zueinander. Zum Abfangen von Hochwasserereignissen sollten die Talsperren möglichst leer sein, für die Trinkwasserversorgung und zur Niedrigwasseraufhöhung der Flüsse in der Region in Dürrezeiten möglichst voll. Das Gesamtvolumen der Wasserspeicher entscheidet darüber, wie gut die Talsperren beide Aufgaben erfüllen können. Insgesamt wäre es laut den Wissenschaftlern möglich, durch den Bau neuer Talsperren, Überleitungen zwischen bestehenden Talsperren und den Umbau und Nutzung von bereits vorhandenen Bauten bis zu 90 Millionen Kubikmeter Wasser mehr im Harz zu speichern. Das entspricht rund 50 Prozent des aktuellen Speichervolumens aller Talsperren der Harzwasserwerke im Westharz.

Talsperren zur Stromversorgung


Die Innerste- und die Granetalsperre haben beim Goslarer Hochwasser im Jahr 2017 einen unschätzbaren Beitrag geleistet, wie Landrat Thomas Brych bei einem Termin an der Innerstetalsperre im Jahr 2019 erläuterte. Die Harzwasserwerke pumpten damals eine Rekordmenge von 18,14 Millionen Kubikmetern Wasser in die Granetalsperre, so wurde ein weiterer Anstieg der Flusspegel verhindert. "Wenn wir die Talsperren nicht gehabt hätten", wäre es noch schlimmer gekommen", ist sich der Landrat sicher. Im Hochpumpen von Wasser steckt jedoch auch eine Menge Energie. Die Frage der Energiewende stößt sich immer wieder an der Frage möglicher Speichertechnologien. Auch hier können Talsperren helfen - produzieren Windräder beispielsweise mehr Energie, als nachgefragt wird, müssen sie nicht abgeschaltet werden. Ihr Strom könnte genutzt werden, um Wasser aus einem Becken im Tal in ein höher gelegenes Becken zu pumpen. Herrscht eine hohe Nachfrage nach Strom, aber wenig Wind, wird dieses Wasser dann wieder abgelassen - auf seinem Weg nach unten fließt es durch Turbinen und erzeugt Strom. Eine nachhaltige Speichertechnologie.

Die Okertalsperre könnte künftig auch der Stromerzeugung dienen.
Die Okertalsperre könnte künftig auch der Stromerzeugung dienen. Foto: aktuell24/DC



Die Funktion als sogenanntes "Pumpspeicherkraftwerk" wollen die Forschenden konkret zwei bestehenden Talsperren im Harz angedeihen lassen. "Oberhalb der Okertalsperre befindet sich ein großer Steinbruch. Dieser könnte zu einem zweiten Becken der Okertalsperre werden und so alle Funktionen der Talsperre unterstützen. Durch Anbindung dieses zweiten Beckens könnte die Okertalsperre zu einem Pumpspeicherwerk umgebaut werden", heißt es in der Pressemitteilung der Harzwasserwerke. Die Odertalsperre soll gleich zwei weitere Funktionen übernehmen. Auch hier soll ein Oberbecken zur Erweiterung zu einem Pumpspeicherkraftwerk gebaut werden. Gleichzeitig halten die Wissenschaftler die Nutzung des Bauwerks zur Trinkwassergewinnung für sinnvoll.

Hochwasserschutz und Trinkwasser


Ebenso soll oberhalb der Innerstetalsperre ein zweites Becken entstehen, das mit einem Stollen mit der Granetalsperre verbunden wird. "Dadurch könnte der Hochwasserschutz bis nach Hannover gestärkt werden und die Granetalsperre in ihrer Funktion unterstützt werden", prognostizieren die Forscher.

Der charakteristische Überlauf der Innerstetalsperre.
Der charakteristische Überlauf der Innerstetalsperre. Foto: Marvin König



Auch die Granetalsperre selbst soll eine Aufwertung erhalten: "Die Granetalsperre ist für die Trinkwasserversorgung durch die Harzwasserwerke von hoher Bedeutung. Eine Erhöhung der Granetalsperre wird dazu führen, dass die Talsperre in allen Funktionen wesentlich gestärkt wird." Weiterhin würden zur Verbesserung des Hochwasserschutzes in Goslar Möglichkeiten geprüft, größere Wassermengen der Gose und Abzucht in den Oker-Grane-Stollen abzuleiten und in der Granetalsperre zu speichern.

Der Oker-Grane-Stollen ist ein "Sammelstollen" für die Granetalsperre. Das über sieben Kilometer lange "Rohr" beginnt am Wasserkraftwerk Romkerhall, wo der Stollen Wasser aus der Okertalsperre und der Radau aufnimmt. Der Stollen nimmt auf seinem leicht abschüssigen Weg zum Granestausee auch Wasser aus der Gose auf.

Neue Talsperre im Siebertal


Im Siebertal bei Herzberg könnte eine komplett neue Talsperre entstehen. Der Standort sei bereits intensiv auf seine wasserwirtschaftliche Nutzbarkeit untersucht worden. Die neue Talsperre würde dann durch einen Stollen mit der Granetalsperre verbunden werden.

„Im nächsten Schritt werden wir jetzt konkret prüfen, was jeder Standort im Betrieb an Hochwasserschutz, Niedrigwasseraufhöhung, Energiegewinnung und Trinkwasserproduktion leisten kann“, sagt Professor Beck. „Außerdem werden wir auf die Umweltverträglichkeit schauen und den sozioökonomischen Nutzen jeder Standortvariante aus wissenschaftlicher Sicht bewerten.“

Die Harzwasserwerke als Projektpartner begrüßen die Veröffentlichung des Zwischenstandes. „Auch wenn sich sicherlich im Laufe des Projektes noch einiges ändern kann, ist es wichtig, den Harz als Speicher für Niedersachsen zu erforschen“, sagt der Technische Geschäftsführer Dr. Christoph Donner. „Durch das Jahrtausend-Hochwasser 2017 und die extreme Dürre seit 2018 ist das Potenzial des Harzes als einziges Mittelgebirge Niedersachsens immer deutlicher geworden.“ Denn er mache es möglich, den Hochwasserschutz, die Trinkwasserversorgung und die Flüsse mit ihren aquatischen Ökosystemen in Niedersachsen auch für die Zukunft im Klimawandel abzusichern. Unterstützung erfährt das Projekt aus der niedersächsischen Landespolitik.


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