Wolters: Aus der Region in die Welt

von Andreas Molau




Braunschweiger Bier gibt es in verschiedenen Ländern und Kulturkreisen. Das Hofbrauhaus Wolters als Global Player?


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Reinhard Lemcke[/image] Die Ausfuhrabteilung der Wolters-Brauerei hat ganz schön was auf die Beine gestellt. Reinhard Lemcke lehnt sich auf seinem Bürostuhl zurück. Eine Tasse Kaffee in der Hand, und erzählt eine bemerkenswerte Geschichte. Lemcke ist Export-Director des Braunschweiger Unternehmens und hat in den letzten sieben Jahren eine funktionierende Exportabteilung aufgebaut. Ohne große Geräusche und mit stetigen Zuwachsraten. Wenn man diese Entwicklung verstehen will, gilt es immer wieder, den Blick zurück zu richten. Auf den Zeitpunkt, als die Traditionsmarke zur Disposition stand. Im Dezember 2005 hatte der InBev-Konzern verkündet, den Standort Braunschweig stilllegen zu wollen. Im globalen Netz des Konzerns sei dort eine Brauerei nicht wirtschaftlich zu betreiben, hieß es zur Begründung. Logik spielt in den Sphären ökonomischer Entscheidungen oft kaum eine Rolle. So auch hier. Denn der Betrieb hatte 2004 sogar schwarze Zahlen geschrieben. Aus heutiger Sicht, wo die Marke regional gefestigt ist und weltweit expandiert, mag das wie ein Treppenwitz klingen. Damals gab es bereits risikofreudige Menschen, die an eine Zukunft für die Tradition glaubten.

Der Neuanfang

Vor allem vier ehemalige Manager aus dem Betrieb. Thomas Renneke, Wilhelm Koch, Peter Lehna und Hanns-Bernd de Wall bildeten eine Investorengruppe und übernahmen die Brauerei. Die Stadt Braunschweig engagierte sich zusätzlich und kaufte das Werksgelände. Und eine ganze Region zeigte, was möglich ist, wenn man das will. Am 1. Oktober 2006 startete Wolters neu. Das erste Ziel in dieser Zeit sei natürlich die Konsolidierung des heimischen Marktes gewesen, erinnert sich Reinhard Lemcke. Auch er war Teil der InBev-Familie und leitete die Exportabteilungen von Gilde in Hannover sowie von Hasseröder in Wernigerode. Die wurden von den wenig weitsichtigen Akteuren des belgischen Biergiganten ebenfalls dichtgemacht. In Braunschweig sah man das als Chance und verpflichtete den ehemaligen Kollegen. Ein Jahr später konnte der 380. Geburtstag von Wolters gefeiert werden. Und während das Bier sich in der Region wieder zur festen Größe etablierte, inszenierte Reinhard Lemcke, sozusagen im Windschatten des Überlebens, zunächst allein, seine One-Man-Show, wie er das heute nennt.

Regionalität und Globalisierung

Regionalität und Globalisierung schließen einander nämlich nicht, wie einem oft Glauben gemacht wird, aus. Sie können sich sogar ergänzen. Die Erfolgsgeschichte der Wolters-Exportabteilung illustriert diese These. »Als regionale Marke den Sprung auf den Weltmarkt zu wagen, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch«, erklärt Lemcke. Die Situation sei von zwei Grundbedingungen gekennzeichnet: »Auf dem deutschen Markt gibt es für eine regionale Marke kaum Möglichkeiten zum Wachstum. National kann man nur etwas bewegen, wenn man das mit einem enormen Medieneinsatz begleitet. Und vor Ort kann das Wachstum nur erfolgen, wenn andere kleine Mitbewerber zurückgedrängt werden.« Das Erste konnte man nicht an der Wolfenbüttler Straße. Denn die Finanzierung der Brauerei musste erst einmal geschultert, die Arbeitsplätze erhalten werden. Das Zweite lag nicht in der Absicht der Beteiligten. Also war der Export nur folgerichtig. [wowslider id="24"]

Der Weg in den Weltmarkt

Um so einen Schritt wagen zu können, bedürfe es zahlreicher Voraussetzungen, erklärt Lemcke. Das finge schon bei ganz grundlegenden logistischen Dingen an: Können alle gewünschten Flaschenarten oder Dosen geliefert werden, entsprechende Gebinde und Verpackungen? »Wir hatten hier in Braunschweig das nötige Know-how«, resümiert der Export-Chef. Und die richtigen Kontakte. Reinhard Lemcke klemmte sich ans Telefon und meldete sich bei seinen Agenten und Importeuren, mit denen er bisher zusammengearbeitet hatte. Da gebe es eine traditionsreiche Brauerei im Süden Niedersachsens, die ein erstklassiges Bier zu einem guten Preis liefern könne. Gleich der erste Versuch erwies sich als Volltreffer. Ein Exporthaus aus Flensburg war vom Konzept aus der Löwenstadt begeistert und begleitete die ersten Lieferungen nach Südamerika. »Peru und Chile sind die Länder, wo wir mittlerweile eine gewisse Bekanntheit aufbauen konnten«, so Lemcke. Der Exporteur sorge nicht nur dafür, dass der Braunschweiger Gerstensaft sicher über die Ozeane verschifft werde. Man teile die Philosophie der Brauerei und trage diese erfolgreich zur südamerikanischen Kundschaft. »Deutsches Bier hat auf dem Weltmarkt sowieso, allein wegen des Reinheitsgebotes, einen guten Ruf. Mit Wolters haben wir zusätzlich noch eine Marke, die Geschichten erzählen kann. Geschichten schaffen Emotionen, Emotionen Bindungen«, erläutert Lemcke die Situation. Dazu gehört bis in die jüngste Gegenwart die Erfolgsgeschichte der Wolters-Brauerei seit der Loslösung von InBev.


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Wolters auf Primo-Tour in Südamerika.[/image]

Vorsichtige Positionierung

Das deutsche Wirtschaftswunder ist in der ganzen Welt bekannt. Und hier konnte man auch aktuell sehen, wie Erfindungsreichtum und Fleiß zum Erfolg führen. Das zweite Standbein, das sich für die Ausfuhr ergab, war Amerika mit seinen besonderen Marktgesetzen. Man habe sich allmählich an die Bedürfnisse der Bierliebhaber herangetastet. Sei es zunächst ein relativ mildes Bier gewesen, was die Brauer für die USA hergestellt hätten, so sei dies recht bald durch eine herbere Variante ersetzt worden: »Wir haben festgestellt. Wenn man dort schon ein deutsches Bier trinken will, dann muss es Charakter aufweisen und etwas mehr Körper als viele Mainstream-Biere.« Das dritte Standbein schließlich erwies sich als absoluter Glücksfall. China hat sich bekanntlich seit einigen Jahren wirtschaftlich geöffnet. Und deutsches Bier ist bis heute im Reich der Mitte stark nachgefragt. »Wir bekommen wöchentlich Anfragen von Importeuren, die uns eine Kooperation anbieten«, freut sich Lemcke. Sechs feste Partner seien inzwischen gefunden worden. Bei acht soll voraussichtlich erst mal Schluss sein. Wachstum ist bei Wolters ein hohes Gut. Aber es muss organisch erfolgen.
 
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Genuss verbindet

Jedes Land, jeder Kulturkreis habe seine eigenen Gesetze. In China zum Beispiel legten die Vertriebe auf Exklusivität wert. Da müsse man für jeden Importeur eine eigene Marke bereitstellen. Die Bekannteste, neben Wolters Pilsener, ist inzwischen »Brunonia«. Mit der Quadriga des Braunschweiger Schlosses auf dem Etikett wolle man ganz bewusst die regionale Verankerung dokumentieren. Allerdings sei es nicht ratsam, sich nur auf einen Absatzmarkt zu verengen, erklärt Lemcke. In Afrika konzentrieren die Beteiligten sich deshalb auf das Wolters Malzbier. In Osteuropa schließlich habe man ebenfalls verlässliche Partner gewonnen. Bis jetzt geht Wolters in die baltischen Länder, die Ukraine und Russland. Mengenmäßig sei das noch nicht besonders viel. Aber die Sache entwickele sich sehr erfreulich. Stolz ist Lemcke darüber, dass es Wolters nun sogar im Iran gibt. Die Brauerei ist damit eine der wenigen der westlichen Welt, die den Markt bedienen kann. Natürlich handelt es sich dort um ein Malzgetränk ohne Alkohol. Denn in islamischen Staaten wird in der Regel darauf verzichtet. Deshalb wird an der Wolfenbüttler Straße also auch halal gebraut. Da überdies an Israel geliefert wird, gibt es zudem eine koschere Variante. Geselligkeit verbindet.

Ein stabiler Faktor

Nach sieben Jahren hat sich die Exportabteilung bei Wolters zu einem wichtigen Faktor mit interessanten Perspektiven entwickelt. Vier Mitarbeiter sorgen dafür, dass Braunschweiger Bier nicht nur zu Hause getrunken wird, sondern in aller Welt. Damit leistet das engagierte Team einen Beitrag zum Erhalt und Ausbau einer Biermarke, um die vor zehn Jahren eine ganze Region gekämpft hat, und auf die damals in den Chefetagen von InBev niemand mehr einen Pfifferling gewettet hätte.


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