Bad Breisig. Die bundesweit 585.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie erhalten 2,0 Prozent mehr Geld ab dem 1. September sowie weitere 4,85 Prozent ab dem 1. April 2025. Darauf haben sich die Chemie-Gewerkschaft IGBCE und der Arbeitgeberverband BAVC am Donnerstag wenige Tage vor dem Ablauf der Friedenspflicht verständigt.
Zur Stärkung der Tarifbindung auf beiden Seiten soll gewerkschaftliches Engagement stärker honoriert werden. Mit einer Fortschreibung der Schlichtungsregelung soll es weiterhin keine extern Schlichter geben. Damit ist ein mit Mehrheit verabschiedeter Schlichtungsspruch unmittelbar als Tarifvertrag verbindlich. Im Gegenzug erhalten aktive Gewerkschaftsmitglieder, die länger als drei Monate in der IGBCE organisiert sind, ab 2025 einen Zeitausgleich im Umfang von einem Arbeitstag pro Jahr. Sie müssen ihre Mitgliedschaft dazu beim Arbeitgeber nachweisen. Für 10, 25, 40 oder 50 Jahre Gewerkschaftsmitgliedschaft gibt es im entsprechenden Jahr zudem einen Zeitausgleich von einem weiteren Arbeitstag.
Der für die Eingruppierung der Beschäftigten ausschlaggebenden Bundesentgelttarifvertrag (BETV) solle zudem modernisiert werden, hieß es. Höhergruppierungen und Vertretungsregelungen sollen finanziell attraktiver gestaltet werden. Unter anderem sollen die Aufstiegschancen in den niedrigeren Entgeltgruppen verbessert und Unterschiede in den Entgelthöhen zwischen kaufmännischen, technischen und Meistertätigkeiten abgebaut werden. Ziel sei es, den Beschäftigten bessere Jobperspektiven zu geben und die Branche als Arbeitgeberin attraktiver zu machen.
"Beide Verhandlungsseiten haben sich nichts geschenkt. Aber am Ende steht ein Ergebnis, mit dem die Chemie-Sozialpartner die Talfahrt bei den Reallöhnen stoppen und die Tarifbindung stärken", sagte IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis. "Das nutzt nicht nur Kaufkraft und Binnenkonjunktur, mit der attraktiven Regelung exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder beweisen IGBCE und BAVC einmal mehr ihre tarifpolitische Innovationskraft."
Oliver Heinrich, IGBCE-Tarifvorstand und Verhandlungsführer, zeigte sich zufrieden. "Mit diesem Tarifabschluss nah an unserer Forderung geht es bei den Reallöhnen für die Chemie-Beschäftigten endlich wieder bergauf, und wir sind auf gutem Weg, die Inflationskrise hinter uns zu lassen." Beim Mitgliederbonus habe man am Ende eine einfache Lösung ausgehandelt, deren Vorteil sich für die Menschen sofort erschließe und der die Betriebe nicht überfordere. "Damit schlagen wir ein neues Kapitel in der Tarifpolitik auf."
BAVC-Präsidentin Katja Scharpwinkel sieht die Branche vor großen strukturellen Herausforderungen. "Für diesen hart erarbeiteten Kompromiss mussten sich beide Seiten erheblich aufeinander zubewegen. Aber es wird deutlich, was wir durch eine gute Sozialpartnerschaft auch unter schwierigen Rahmenbedingungen leisten können", erklärte sie. "Darauf können wir aufbauen, um die Transformation zu einer nachhaltigen Chemie-Industrie erfolgreich zu gestalten."
BAVC-Verhandlungsführer Matthias Bürk hält die Grenze der Belastbarkeit in der Entgeltfrage erreicht. "Aber wir verbinden langfristige Planungssicherheit mit Flexibilität für Unternehmen in einer kritischen Lage", erklärte er mit Blick auf die Regelung, dass die zweite Stufe der Entgelterhöhung aus wirtschaftlichen Gründen auch um bis zu drei Monate verschoben werden kann.
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