Braunschweig/Wolfenbüttel. Am Freitag war Welt-Aids-Tag. Dieser Aktionstag soll für die AIDS-Vorsorge sensibilisieren und der Stigmatisierung von Betroffenen entgegenwirken. Auch die Aidshilfe Braunschweig, die HIV- und Aidskranke in der gesamten Region betreut, hat in den Innenstädten auf das Thema aufmerksam gemacht.
Am Samstag waren Vertreter der Aidshilfe Braunschweig in der Wolfenbütteler Fußgängerzone unterwegs und haben für Aufklärung gesorgt. Insbesondere möchte man mit solchen Aktionen darauf hinweisen, dass Menschen mit HIV auch heute noch diskriminiert werden. Dies passiere überall, wie Jürgen Hoffmannvon der Aidshilfe Braunschweig im Gespräch mit regionalHeute.de verriet. Noch immer sei die Unwissenheit über die Krankheit groß. Dies treffe vor allem auf das Arbeitsleben zu. Die Angst vor Mobbing und Ausgrenzung sei hier besonders groß, berichtet Jürgen Hoffmann. Daher hat die Aidshilfe die Aktion "Positiv eingestellt" ins Leben gerufen.
"Oft fehlt die emotionale Auseinandersetzung"
Jürgen Hoffmann, Geschäftsführer der AIDS-Hilfe Braunschweig. Foto:
Ziel ist es, 100 Unternehmen zu finden, die mit ihrem Gesicht für einen respektvollen Umgang mit HIV-positiven Menschen am Arbeitsplatz stehen. Doch nicht nur im Berufsleben ergeben sich immer wieder scheinbar unüberwindbare Hürden für HIV-poistive Menschen. Häufig fehle es schlichtweg an der emotionalen Auseinandersetzung mit einem Betroffenen, erzählt Jürgen Hoffmann. Das Wissen um die Krankheit wäre teilweise da, jedoch fehle der direkte Bezug und viele Aspekte blieben im Dunkeln. Und vor dem Unbekannten haben Menschen Angst, es schürt Vorurteile und Ablehnung.
Das kann auch Carsten Duka bestätigen. Der 54-Jährige Braunschweiger lebt seit 1989 mit dem Virus. Seit 1998 ist er in Behandlung. Die Medikamenteneinahme bestimmt seinen Tagesablauf, bringt Nebenwirkungen mit sich und muss regelmäßig kontrolliert werden. Doch all das beschert ihm ein fast normales Leben - trotz HIV. Die ganze Geschichte von Carsten Duka lesen Sie hier.In Braunschweig wurden im Jahr 2016 elf HIV-Diagnosen gestellt, sagt Elke Kreis von der Aidshilfe Braunschweig.
Nicht heilbar, aber behandelbar
Inzwischen ist die Medizin so weit, dass es Medikamente gibt, die das Virus in Schach halten und verhindern, dass es zu einem Ausbruch der Krankheit kommt. Denn erst wenn HIV unentdeckt oder unbehandelt bleibt, kommt es zum Ausbruch der tödlichen Krankheit Aids. Und gegen Aids gibt es kein Heilmittel - auch nicht nach vielen Jahrzehnten der Forschung. "Das Virus ist sehr intelligent. Es verändert permanent seine Oberflächenstruktur. Das macht es so schwer, einen Impfstoff zu finden", weiß Elke Kreis. Aber es hat sich in der Wissenschaft dennoch einiges getan. Die Medikamente sind im Gegensatz zu Mitte der 90-er Jahre deutlich verbessert worden. Früher habe ein HIV-Kranker bis zu 30 Tabletten pro Tag nehmen müssen, viele mit starken Nebenwirkungen. Heute sind es deutlich weniger. Manche Patienten benötigen mitunter nur noch eine Tablette am Tag, sagt Elke Kreis. "Dennoch sind die Tabletten nicht ohne. Sie haben noch immer Nebenwirkungen. Man kann es als eine kleine Chemotherapie betrachten. Und das macht natürlich was mit dem Körper. Und ich denke, dass da auch noch Erkrankungen und Nebenwirkungen von den Kombinations-Therapien auf uns zu kommen, die wir noch gar nicht kennen. Vor allem von den neuen Medikamenten", erklärt Elke Kreis. Zudem müsse man bedenken, dass eine HIV-Infektion beispielsweise zu einem erhöhten Krebsrisiko oder Herzinfarktrisiko führe. "Man kann durch eine Therapie sicher alt werden trotz HIV. Aber man darf eben auch nicht vergessen, das die Medikamente und das Virus selbst auch ein gewisses Risiko mit sich bringen", so Elke Kreis.
Dennoch, die Medikamente sorgen dafür, dass das Virus eingedämmt wird und es zu keinem Ausbruch von Aids kommt. Für viele HIV-Infizierte ist das der einzige Weg zu einem halbwegs normalen Leben. "Man sagt, dass HIV-Infizierte etwa zehn Jahre nach der Diagnose spätestens mit einer Behandlung beginnen sollten", sagt Elke Kreis. Diese zehn Jahre hat Carsten Duka auch fast ausgeschöpft. Erst als die T-Helferzellen unter 200 pro Mikroliter sanken, ließ er die Krankheit behandeln. 22 Tabletten musste er anfangs nehmen. "Früher hat man sehr lange gewartet, bis man mit einer Therapie angefangen hat, weil die Nebenwirkungen so groß waren. Heute fängt man wesentlich früher an", sagt Elke Kreis.
Nicht jeder HIV-Kranke überträgt die Krankheit
Der Beginn der Therapie hat bewirkt, dass sich die Erkrankung erst so richtig in sein Bewusstsein gedrängt hat. "Mir ging es die ganze Zeit über nicht schlecht, mir tat nichts weh und ich hatte auch nicht mehr Krankheiten oder Infektionen. Erst mit der Einnahme der ganzen Medikamente ist mir bewusst geworden, hier ist was nicht in Ordnung", beschreibt Carsten Duka die Anfangsphase seiner Behandlung. Heute, beinahe 30 Jahre später, sind die Werte bei Carsten Duka soweit stabil, dass er als nicht mehr infektiös gilt. "HIV ist behandelbar. Man kann, wenn man die Medikamente regelmäßig nimmt, einigermaßen normal leben. Wenn man sich für eine Therapie entscheidet, muss man auch dabei bleiben.
Es hat sich herausgestellt, dass, wenn Therapien abgebrochen werden, der Zustand hinterher noch schlechter ist. Viele Menschen wissen auch nicht, dass es möglich ist, durch die Medikamente nicht mehr infektiös zu sein. Und das ist auch unsere Botschaft: Prävention durch Therapie. HIV-Kranke, die unter Therapie stehen, können niemanden anstecken", erörtert Elke Kreis. Man müsse aber auch unterscheiden, dass es zwei verschiedene HIV-Typen, HIV I und HIV II, gibt. HIV I ist die Form, die hier bei uns verbreitet ist. "Unter HIV I gibt es ganz viele Subtypen, die aggressiv oder weniger aggressiv sind", erklärt Elke Kreis.
Aids kommt schleichend
Wird HIV nicht therapiert, wird es unweigerlich zum Ausbruch der Krankheit kommen. Es ist ein schleichender Prozess, sagt Elke Kreis. Aids zeigt sich in verschiedenen Formen und bringt viele Erkrankungen mit, die nach und nach den Körper heimsuchen. Das Immunsystem bricht zusammen und der Körper hat irgendwann nicht mehr genug Abwehrkräfte, um die Krankheiten zu bekämpfen. "Das Immunsystem geht in den Keller. Viren, Bakterien und Pilze werden dann zum Feind für den eigenen Körper. Das kann alles Mögliche sein, es kann eine Lungenentzündung, eine Gürtelrose oder ein Pilz sein. Man spricht hier von opportunistischen Infektionen, die Aids-definierenden Infektionskrankheiten. Und wenn man diese opportunistischen Infektionskrankheiten bekommt, dann spricht man vom Aids-Stadium", weiß Elke Kreis.
Ein Mittel zur Vorbeugung
Prävention steht im Fokus der Aidshilfe. Sie will zum einen für Aufklärung innerhalb der Gesellschaft sorgen und zum anderen HIV-Infizierten zu einer Therapie raten. In Deutschland stagniert die Zahl der Neu-Infizierten bei etwa 3.000. Zahlen, die beim Robert-Koch-Institut erfasst wurden. "Das ist aber auch so eine Sache. Es sind ja nur die Zahlen, die über die Labore gemeldet worden sind. Niemand weiß, wie viele Menschen mit HIV es tatsächlich gibt. Es gibt eine hohe Dunkelziffer. Das Robert-Koch-Institut schätzt, dass in Deutschland etwa 12.000 Menschen leben, die HIV haben und es nicht wissen. Deshalb wollen wir dafür sorgen, dass sich Menschen testen lassen. Andere Länder sind in der Präventionsarbeit sehr viel weiter als wir. Dort gehen die Zahlen der Neuerkrankungen zurück. Es gibt jetzt sogar eine neue Methode - die PrEP. Auch das wird in anderen Ländern mehr beworben.
Bei dem PrEP handelt es ich um ein HIV-Medikament, dass man zum Schutz vor einer Ansteckung einnimmt, bevor man ungeschützten Geschlechtsverkehr hat. Dieses Medikament ist nun auch zugelassen, allerdings sehr teuer. Wenn eine Person einen Monat lang jeden Tag dieses Medikament nehmen wollen würde, würde das 500 Euro kosten", so Elke Kreis. Inzwischen gebe es wenige Apotheken in Deutschland, die das Medikament für etwa 50 Euro abgeben können, da es seit Oktober gestattet ist, dass ausgewählte Apotheken das Medikament verblisterndürfen. Auch In Braunschweig gibt es eine Apotheke, die das Medikament für einen geringeren Preis anbietet. "In einigen Ländern werden die Kosten für das Medikament von der Kasse übernommen. Es hat sich gezeigt, dass es in diesen Ländern eine deutlich niedrigere Infektionsrate gibt. Es ist kein Muss, aber es ist eine Möglichkeit. Jeder Mensch muss das für sich selber entschieden", schließt Elke Kreis.
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