André Münch zaubert im Hotel an der Wasserburg

von Andreas Molau




André Münch, der noch vor Kurzem ein Sternerestaurant in Stolpe geführt hat, ist nach Wolfsburg ins Hotel an der Wasserburg gekommen und zaubert nun dort kulinarisch.


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Ich bin etwas spät dran und der Parkplatz des Hotels an der Wasserburg in Wolfsburg ist natürlich »ausgerechnet jetzt« akkurat bis auf den letzten Platz gefüllt. Erstaunlich, was alles zur Stadt Wolfsburg gehört, geht mir bei der Fahrt durch den Kopf. Das Gefühl ist beim Passieren zahlreicher Dörfer eher so, als befinde man sich idyllisch auf dem Land und nicht in einer modernen Industriestadt. Vor Neuhaus ruht hinter einem stillen Weiher eine Wasserburg. Das Hotel liegt nicht weit entfernt. Der Parkplatz schon. Jedenfalls, wenn man keinen Abstellplatz findet. Ich kurve herum, bis jemand vom Hotel kommt. In der Hand Efeu. Und eine Lösung für mein Problem. Ein Plätzchen habe ich wohl übersehen. Die Frau winkt mich fröhlich ein und führt mich gleich durch einen Nebeneingang in das Hotel. »Das ist Deko für die Tische«, erläutert sie mir, auf den Efeu deutend, während die Rezeption übernimmt. Ich bin angemeldet. André Münch, der neue Küchenchef, weiß Bescheid. Wir treffen uns in einer Bar. Über dem Tresen hängen Lampen, die bald ein warmes Licht schenken. Wie halbe Eierschalen oder Schiffsrümpfe? Ich habe keine Zeit, weitere Überlegungen anzustellen. Denn André Münch kommt aus der Küche. Mit Schürze, die schwarzen Haare hinten zu einem Zopf zusammengebunden. Freundlich, offen. So, wie ich ihn bei der Recherche in einem Zeitungsbericht gesehen hatte. Sieben Jahre in Stolpe ein Sternerestaurant geführt. Und dann sollte es etwas Neues sein. Nach einem Jahr ist es nun die VW-Stadt Wolfsburg geworden.


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Christian Somann und André Münch.[/image]

Kulinarische Hochburg Wolfsburg

Obwohl eigentlich Provinz, ist die Stadt mit dem großen Konzern doch Kristallisationspunkt für Ideen und Unternehmungsgeist geworden. Passend dazu lief über die Radionachrichten gerade, dass der Wohnraum in Wolfsburg inzwischen knapp sei. André Münch erinnert später im Gespräch an Sven Elverfeld. Ein Ausnahmekoch. In so einem Umfeld mache es Spaß, sich anzusiedeln und  das eigene Konzept zu entwickeln. Nun ist noch sein zweiter Küchenchef gekommen. Christian Somann. Leichter Akzent, ruhige Stimme. Er kommt aus Weißenfels. Die beiden wirken auf den ersten Blick fast gegensätzlich. Im Gespräch zeigt sich. Sie scheinen sich bestens zu ergänzen. Liegen auf einer Wellenlänge. Kommunikation ist wichtig. Dem stimmen beide zu. Erwartet hätte man etwas anderes. Denn das Bild, das von der Sterneküche geläufig ist, ist ja sehr auf den Künstler und Einzelkämpfer festgelegt. Der Gourmetphilosoph oben auf dem Berg. Und unten die einfachen Menschen. Bei André Münch ist nichts abgehoben. Er spricht eine klare und bildreiche Sprache, wenn er etwa amüsiert von einem »Geschmackselfer« spricht. Wild, schwärmt der Jäger, der aus dem Ruhrgebiet stammt, sei das beste Fleisch: »Die Tiere wachsen ohne Stress und in Freiheit auf. Essen sie mal ein gutes Dammwild. Da fliegen sie weg.« Wenn die beiden über ihre Arbeit sprechen, dann merkt man den Spaß und die Lust, die sie am Kochen haben.


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Vielfalt und Gegensätze

Ganz unterschiedlich die Herkunft. Während Christian Somann aus einer Kochfamilie kommt – er selbst habe beim gleichen Lehrmeister wie seine Eltern angefangen –, schlägt der humorvolle André Münch familiär offenbar aus der Art. »Meine Familie ist von Gegensätzen geprägt«, erklärt er. Die eine Seite seien Lehrer, die andere Bauarbeiter. »Wenn die aufeinandertreffen, geht es zu wie bei Bud Spencer«, lacht er. Er selbst, so scheint es, hat offensichtlich beide Seiten in sich kreativ vereint. Intellektuelles Abwägen und kraftvolles Zupacken. Kreativ sollte der Beruf nach der Schule sein, den er machen wollte, erzählt er. Es sollte erst die Fotografie werden. Dann wurde es der Kochberuf. Die Lehre gleich in einem Sternehaus, in dem es jedoch von der Frikadelle an bis nach oben hin alles gab. Ein angrenzender Biergarten forderte die Vielfalt. Von dieser Vielfalt profitiere er bis heute, erzählt er. Und zu den Sternen greift André Münch auch jetzt im Hotel an der Wasserburg. »Jeder Koch möchte insgeheim einen Stern haben, wenn er in entsprechendem Umfeld arbeitet«, ist er überzeugt. Natürlich sei das eine große Herausforderung. Aber vor allem eben Anreiz.


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Essen muss Spaß machen

Eine psychologische Hemmschwelle für die Gäste sieht er nicht mehr so wie früher. Im Premiumrestaurant unter dem Dach des Hotels an der Wasserburg, dem Saphir, habe man fünf Tische. Und die würden ihn und sein Team auch völlig auslasten. Denn das »Cristalle« – das andere Feinschmeckerrestaurant –, andere Locations und die Pflichtfelder wie Tagungen und Events sowie Hochzeiten oder Jubiläen, fordern ihm nebenbei ebenfalls die ganze Bandbreite des kulinarischen Könnens ab. »Von der Currywurst und dem Klubsandwich bis hin zur ambitionierten Küche machen wir hier alles.« Auf den Stern muss André Münch erneut zusteuern. Denn die Auszeichnung ist immer an ein bestimmtes Restaurant gebunden. Und im letzten Jahr hatte er kein eigenes Haus, sei also erst jetzt wieder im Rennen. Im Oktober nächsten Jahres kommt erst der neue Michelin raus. Bis dahin haben er und Christian Somann noch alle Zeit der Welt, um sich den Traum der hohen Auszeichnung zu erfüllen. Die Ideen der beiden scheinen jedenfalls unerschöpflich zu sein.

Unerschöpfliche Ideen

Während des Gespräches tauchen immer wieder neue Bilder von Kreationen auf, die neugierig machen. Da ist etwa eine selbst gemachte Blutwurst, die in einem »Gruß aus der Küche« so in Form gebracht werde, dass sie wie eine Kartoffel aussehe. Im Verbund mit einem Apfelragout, Kartoffelschaum und Zwiebelerde sehe es dann so aus, als habe man eine Kartoffel vor sich, die keimend aus der Erde wachse. Oder dies. Da werde eine Frischkäsecreme auf einem Stein serviert. Darauf werde selbst gemachter grüner Biskuit gerieben und das Ganze mit Kresse garniert, sodass das die Kreation wie ein Moosstein aussieht. Die Ideen, so Christian Somann, entstünden im täglichen Leben, meist beim Erleben der Natur. Deshalb sei diese Art von Kochen zwar Spiel im höheren Sinn, stehe aber immer im Einklang mit Jahreszeiten und Umwelt, so André Münch. Und am Ende, so der neue Küchenchef, käme es vor allem auch darauf an, dass das, was da serviert werde, wirklich schmecke. Im Zentrum der Arbeit, da sind sich die beiden einig, stehe der Spaß am Essen. Mit einem Schmunzeln solle man Altbekanntes auf den Tellern neu entdecken können. All das macht neugierig auf ein kulinarisches Konzept und neue Geschmackseindrücke, von denen man in der Zukunft sicher noch viel hören wird. Hotel an der Wasserburg, An der Wasserburg 2, 38446 Wolfsburg, Tel.: 05363 - 9400.


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