Wolfenbüttel. Die Lessingstadt ist bereits über 900 Jahre alt. In den vielen Jahrhunderten seit der ersten urkundlichen Erwähnung im Jahr 1118, hat sich die Stadt stark verändert. Wir blicken in unserer neuen Serie "anno dazumal" auf das Wolfenbüttel früher und heute.
Ein romantisches Fleckchen findet, wer den Stadtmarkt überquert und durch die Mühlenstraße zur Stobenstraße schlendert. Hier liegt Klein Venedig. Hier sind die Überbleibsel des früheren Grachtensystems zu sehen, das Ende des 16. Jahrhunderts durch den niederländischen Baumeister Vredeman de Vries angelegt wurde. Die Niederländer wussten nämlich ganz genau, wie man Sumpfgebiete entwässert. Durch Kanäle wurde so Bauland geschaffen. An Klein Venedig ist der Okerarm nur teilweise sichtbar, er fließt teilweise unterirdisch an den Krambunden entlang und taucht erst am Rathaus und dann wieder an der Kommisse auf.
Da Klein Venedig von einem Niederländer angelegt wurde, sollte man doch denken, dass "Klein Amsterdam" dann der passendere Name gewesen wäre. Doch im 19. Jahrhundert kam es in Mode, Orte und Viertel, die nah am Wasser gebaut waren, als Venedig oder Klein Venedig zu bezeichnen. Beispielsweise haben auch Freiburg und Bamberg ein "Klein Venedig".
So romantisch dieser Ort heute auch sein mag, vor 100 Jahren war er das ganz und gar nicht. Unser Bild - zur Verfügung gestellt von Dieter Kertscher von der Aktionsgemeinschaft Altstadt - zeigt Klein Venedig um 1916. Hier präsentiert sich der Okerarm wenig einladend und romantisch. Denn der Okerarm, an dem heute Fotos geschossen werden und sich Romantiker mit kleinen Liebes-Schlössern verewigen, hatte früher einen ganz praktischen Zweck. Er diente als Transportweg, zum Antrieb der Mühle und zur Abfallentsorgung. Und das roch man irgendwann auch.
Die Abläufe, die aus den Hauswänden ragen, zeigen deutlich, wie man früher das Abwasser entsorgte. Es wurde kurzerhand in die Oker geleitet wurde. Im 18. Jahrhundert war die Oker sogar so stark verschmutzt, dass hier nicht einmal Fische leben wollten.
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