Niedersachsen. Mehr als 3 Millionen Mal wurde gesetzlich Versicherten in Niedersachsen im Jahr 2022 ein Antibiotikum verschrieben – deutlich weniger als im Vorpandemiejahr 2019 (minus 12 Prozent). Die Kosten für die Antibiotika-Verordnungen beliefen sich landesweit auf 73 Millionen Euro. Das zeigt eine aktuelle Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) über das die AOK in einer Pressemeldung informiert.
Rund 46 Prozent der Rezepte wurden für Reserveantibiotika ausgestellt. Diese Mittel werden eingesetzt, wenn Standardantibiotika nicht mehr helfen. Obwohl das WIdO für diese Wirkstoffe in Niedersachsen zwar bereits seit 2013 sinkende Verordnungszahlen verzeichnet, werden sie nach Experten-Meinung immer noch zu häufig verschrieben.
Wichtiger Pfeiler der Medizin
Antibiotika sind in der Bekämpfung bakterieller Infektionen ein wichtiger Pfeiler der Medizin. Allerdings haben Bakterien die Fähigkeit, sich an die Wirkstoffe anzupassen und diesen zu widerstehen. Diese Resistenzen können lebensbedrohlich werden. Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der AOK Niedersachsen: „Das kritische Hinterfragen jeder Verordnung ist weiterhin angezeigt, damit Antibiotika langfristig als lebensrettende Medikamente erhalten bleiben. Hier gilt die medizinische Faustregel: so viel wie nötig und so wenig wie möglich.“
Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung
Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung verstärkt das Problem der Resistenzbildung ebenfalls, da die Wirkstoffe zum Beispiel über den Konsum von Fleisch oder über das Grundwasser auch vom Menschen aufgenommen werden könnten. Zur medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten in Deutschland sind im Jahr 2022 insgesamt rund 272 Tonnen Antibiotika zum Einsatz gekommen, während laut einer Auswertung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit rund 540 Tonnen an Tierärztinnen und Tierärzte abgegeben wurden.
Auch hier ist für Niedersachsen ein positiver Trend erkennbar: Wurden 2011 landesweit noch rund 820 Tonnen Antibiotika zur Nutzung in der Tiermedizin abgegeben, waren es 2022 im Mittelwert rund 360 Tonnen. Damit hat sich die Abgabemenge immerhin deutlich verringert. Hier habe unter anderem eine Anpassung im Arzneimittelgesetz gegriffen, nach der der Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung auf das therapeutisch unverzichtbare Mindestmaß reduziert werden soll. Trotzdem besteht laut WIdO immer noch die Gefahr, dass zu viele Antibiotika-Wirkstoffe mit tierischen Ausscheidungen über Kläranlagen oder als Dünger ins Oberflächen- und Grundwasser gelangen könnten.
Neue Wirkstoffe werden benötigt
Das WIdO weist anlässlich der aktuellen Auswertung darauf hin, dass neben einer zurückhaltenden Verordnung in der Human- und Tiermedizin auch Wirkstoffe mit neuen Wirkprinzipien benötigt werden, die in der Lage sind, die gegenwärtigen Resistenzen zu überwinden. Um hier gegenzusteuern, hat unter anderem das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2018 bis zu 500 Millionen Euro für zehn Jahre bereitgestellt, mit denen unter anderem die Entwicklung neuer Antibiotika unterstützt werden soll.
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