Apulien in Königslutter: Il Mulino

von Andreas Molau




Ich besuchte auf einen Lesertipp hin das Il Mulino in Königslutter und traf mit Nadia und Massimo Casadibari italienische Gastgeber, wie man sie aus dem Urlaub kennt. [wowslider id="168"] Gern möchte man mit Massimo Casadibari bei einer Familienfeier sitzen. Am besten in Apulien, in Bari, woher der Koch stammt. Wenn er und seine Frau Nadia, die in Genua geboren worden ist, über Ihre Herkunft sprechen, über Familie und die Traditionen der heimatlichen Küche, dann kann man sich eine große Tafel vorstellen mit lärmenden Kindern, jungen Burschen und Mädchen, gestandenen Familienvätern, Müttern und Greise, die gemeinsam bei Wein, Pasta, Fisch und Fleisch fröhlich tafeln. Man weiß nie, was einen bei den Erkundungsfahrten für Kulinarisch38 erwartet. Das macht die Arbeit so spannend. Es gibt hier so viele Geschichten, dass es nie langweilig wird. Diesmal brachte mich ein Lesertipp auf eine Spur nach Königslutter. Diese Landschaft zwischen Asse und Elm ist zu jeder Jahreszeit ein Traum. Und für die Stadt mit dem zauberhaften Dom und den alten Straßenzügen habe ich sowieso ein Faible. Wenn die Fahrt abwärts vom Tetzelstein in Richtung der Domstadt geht, kommen Kindheitserinnerungen auf.

Ein verwandelter Gasthof

Die Lichtung nach dem Lutterspring tut sich auf und hinter den Wiesen zeichnen sich die Türme der ehrwürdigen Kirche ab. Seit fast 900 Jahren ragen die Spitzen in den Himmel und haben schon so lange jeden Frühling aufs Neue die Maisonne und danach den Sommer, Herbst und Winter erlebt, dass sie das nervöse  Treiben der Menschen gelassen sehen werden. Mit meiner Großmutter und einer Großtante war ich als Kind hier. Da muss ein kleiner See liegen. Die Tante fuhr einen altertümlichen NSU-Prinz, bei dem man selbst mit geringen Körperausmaßen die Knie an die Brust ziehen musste. Königslutter ist nicht so groß.  Die alte Mühle liegt in der Innenstadt, weshalb auch das Il Mulino schnell gefunden ist. Eigentlich wirkt es auf den ersten Blick wie ein normaler deutscher Gasthof, der er bis August des letzten Jahres tatsächlich gewesen ist. An der Seite tanzt munter ein Bach. Tische und Stühle laden draußen zum Verweilen ein. Nun verraten, wenn man den Innenraum betritt, mediterrane Bilder an den Wänden, ein paar Kleinigkeiten hier und da, dass in diesem Raum italienisch gelebt wird. [wowslider id="167"]

»Besser ist nicht gut genug«

Es ist 11 Uhr. Massimo Casadibari hat gerade mit dem kleinen Transporter Besorgungen gemacht und werkelt noch in der Küche herum. Seine Frau beschäftigt sich mit einem Kältetechniker. Dass sie selbst gar nicht aus der Gastronomie stammt, mag man gar nicht glauben. Sie steht voll im Thema. Es geht um die Zapfanlage und die geheimen Gründe des Vorkühlsystems. Kurzum, dass Bier schäume zu stark, beklagt sie sich. Auf den Einwand des Handwerkers, das sei doch schon besser geworden, lächelt Nadia Casadibari nur freundlich: »Besser ist nicht gut genug.« Vom Stiefelabsatz Bella Italias bis in die Kulinarisch38-Region ist es ein weiter Weg. Massimo Casadibari ist eigentlich Restaurator gewesen und mit dieser Ausbildung gab’s in der Heimat kaum Arbeit. Der Aufbruch nach Deutschland, wo er neue Perspektiven suchte, nach Braunschweig sollte sich als lebensentscheidend für den jungen Mann herausstellen.

Kochen als Passion

Er habe schon immer gern gekocht. Es sei eine Passion, erklärt Massimo, der ab und zu sprachliche Unterstützung von seiner Frau bekommt. Dabei kann auch er sich selbst gut verständigen. Man muss zuhören und aufmerksam sein. Eigentlich sowieso gut für jedes Gespräch. Die großen braunen Augen leuchten lebendig. Vielleicht liegt es daran, dass er mit seinem Temperament mehr sagen möchte und das schneller, als das in der fremden Sprache geht. Deshalb fliegt der Blick ab und zu seiner Frau, der er dann Passagen auf Italienisch erklärt. Die übersetzt rasch. Zu Hause mit acht Geschwistern sei schon viel und leidenschaftlich gekocht worden. Der Vater, die Mutter und die Kinder. Alle hätten mitgeholfen und alle hätten danach gemeinsam die Mahlzeit zu sich genommen. Das finden die Eltern von vier inzwischen eigenen Sprösslingen für sich auch heute wichtig. Und das ist es, was den Geist dieses Hauses auszumachen scheint. Die Gäste sind zur Bewirtung willkommen und Massimo Casadibari möchte zeigen, was alles die Küche seiner Heimat zu bieten hat.

Der weite Weg zur Selbstständigkeit

Der Weg zum eigenen Restaurant war lang. 18 Jahre hat er an der Seite von Paolo Ruggieri im Braunschweiger Lindenhof gearbeitet. Erst als Hilfskoch und zum Schluss als rechte Hand. Ruggieri erkannte das Talent des jungen Mannes und förderte ihn. Am Besten lernt man durch große Vorbilder. Ehrgeiz und Fleiß waren beim Koch als Seiteneinsteiger ohnehin vorhanden. Die Leidenschaft bemerkt man gleich, wenn es um die Küche geht. Inzwischen seine Küche. Massimo Casadibari hat ein Kochbuch mit traditionellen apulischen Rezepten auf dem Tisch liegen und erzählt Anekdoten über die Herkunft der Gerichte. Als Restaurator interessiert er sich besonders auch für Geschichte. »Italienisch kochen, ist mehr als nur Rezepte zu verwirklichen«, erklärt Nadia Casadibari. Sie seien damit aufgewachsen, hätten Geschmack und Geruch von den Großeltern schon erfahren und seien mit dieser Art zu leben verwachsen.

Tradition und Mut zu Neuem

Tradition ist viel, das wissen beide, aber nicht alles. Deshalb wälze Massimo regelmäßig Rezepte, probiere aus und entdecke gern Neues. Diese Einladung spricht er auch an seine Gäste aus. Die sollten sich im Il Mulino auf kulinarische Entdeckungsreise begeben und andere Aromen und Texturen schmecken, als sie sie bisher kannten. Weil gute Grundprodukte die Voraussetzung für guten Geschmack sind, haben die beiden einen besonderen Zulieferer ausgewählt. »Rungis Express« beliefert die besten Lokale. Der exquisite Zulieferer kennt Massimo Casadibari aus dem Lindenhof, weiß um seine Kochkunst und sieht deshalb die Partnerschaft mit dem Il Mulino als Auszeichnung an. Und die Betreiber vom Il Mulino sind stolz darauf, dass sie ihren Kunden eine solch hohe Qualität garantieren können.

Bis bald, im Il Mulino

Während die fünfjährige Tochter, deren Kindergarten wegen des Streiks ausgefallen ist, Teig knetet, die Große aus der Schule kommt, eine Kundin zufrieden Töpfe von einem Catering zurückbringt, wird das Gespräch immer lebendiger. Massimo Casadibari schwärmt von seiner Heimatküche. Er bedauert, wie stiefmütterlich Desserts behandelt werden, und eilt zwischendurch in die Küche, um eine Kostprobe seiner frisch zubereiteten Mousse al Cioccolato zu holen. Noch warm, entfalten sich feine Schokoladenaromen. »Wir produzieren alles frisch, alles selbst und verwenden keine Zusätze«, so Nadia Casadibari kurz und bündig. Ich freue mich auf das erste richtige Essen im Il Mulino. Und während ich den Ort verlasse und im Rückspiegel die Türme des Doms sehe, muss ich an meine Großmutter denken, an die Feste zu Hause, zu Geburtstagen. Wenn alles bunt durcheinanderlief und gemeinsam mit Onkels, Tanten gegessen wurde. Vielleicht ein bisschen so wie in der Heimat von Massimo Casadibari. Ein guter Grund, um wiederzukommen. Il Mulino Lutterstraße 12, 38154 Königslutter Telefon: 05353 5884022


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