Wolfsburg. Restaurantleiter Jimmy Ledemazel und Sommelier Marcel Runge luden ins Wolfsburger Sterne-Restaurant "aqua" und zahlreiche Gäste kamen und labten sich an Käse und Wein. Beiden ist es nach 15 Jahren gelungen, den deutschen "Mister Cheese", Volker Waltmann aus Erlangen, wieder in die Autostadt zu holen.
Volker Waltmann und Jimmy Ledemazel bei der Begrüßung. [/image]
Der bekannte Affineur hat sich auf Rohmilchkäse spezialisiert. "Rohmilchkäse hat ja sehr viele Gegner, aber auch sehr viele Befürworter", leitete er den Abend ein. Er sei ein klar bekennender Befürworter und habe deshalb 16 unterschiedliche Rohmilchkäse-Raritäten mitgebracht, die bislang in seinen feuchten Kellern lagerten und von ihm und seinem Team "gepflegt" wurden. Diese Fähigkeiten habe er sich in Frankreich angeeignet und dort sehr viele wertvolle Lieferantenbeziehungen aufbauen können. Oft bezieht er von dort Rohkäse, den er in Erlangen wäscht, reifen lässt und veredelt. Dadurch bietet Waltmann sehr viele exklusive Produkte, die er nicht nur an die Spitzengastronomie veräußert, sondern über seinen Onlineshop auch an Privatkunden verkauft.
Volker Waltmann beantwortete auch Fragen am Tisch. [/image]
"Brin d`Amour", den Asterix und Obelix-Fans kennen dürften, präsentierte er genauso, wie "Roquefort fermier Carles" vom wirklich letzten französischen Bauern, der Roquefort aus Schafsmilch herstellt. Darin ist kein künstlicher Schimmel, wie oft in industriell hergestelltem Käse, sondern Brotschimmel: Komplett verschimmeltes Brot wird feinpulverig gemahlen und dem Käse zugesetzt. "Völlig unbedenklich - der Schimmel ist nicht toxisch", so der Affineur. Zu jedem der 16 präsentierten Käsesorten gab es entsprechende Erklärungen oder Geschichten, die den Abend kurzweilig und interessant gestalteten. Waltmann verstand es, das Publikum in seinen "Käse-Bann" zu ziehen.
Sommelier Marcel Runge überzeugte mit seiner gewohnt charmanten Art. Und seine Weine überzeugten auch. [/image]
Sommelier Marcel Runge erklärte - von Tisch zu Tisch gehend - die Auswahl seiner dazu harmonierenden Weine. Zum Roquefort füllte er die Gläser mit einem 2009 Tertre du Lys d´Or. Dazu war der Wein absolut überzeugend: Konzentriert, ohne überladen zu wirken, mit vollendeter Harmonie, vielschichtig und komplex.
Die kulinarische Käse- und Weinreise begann aber zunächst mit "Hüftgold", bestehend aus überwiegend mildem Rohmilchkäse der Doppelrahmstufe.
Rechts im Bild ein "Brillat Savarin fermier", der cremig und mild daherkam. Vorne ein italienischer Robiola Tris, der auf Leinwandstoff reift und deshalb außen trocken und innen flockig ist. Links oben: Ein Chaource fermier, der sehr gut zu Champagner passt. [/image]
Dazu empfahl Marcel Runge einen 2014 Chablis Fourchaume 1er. Im zweiten Käsegang mussten die Gäste schon "Bock auf Ziege haben", denn es waren drei Ziegenrohmilchkäse auf dem Teller. Dazu der Tipp des Käse-Experten Waltmann: "Je härter ein Ziegenkäse ist, umso dünner sollte er gegessen werden." Den Geschmacksunterschied machte er deutlich mit unterschiedlich dick geschnittenen Käseproben von neun Monate gereiftem und frischem Ziegenkäse.
Ein Loch ist im Käse: Rechts im Bild kommt es beim Kauf auf einen echten Strohhalm in der Mitte des Käses an, damit er atmen und reifen kann. Das ist ein frischer und ein gereifter St. Maure de touraine fermier mit geaschter Naturrinde, die dafür sorgt, dass der Käse schneller reift und Stubenfliegen abhält. Vorne liegt ein wirklich leckerer Tomme de Chevre avec Muscadet und links im Bild ein Clacbitiu fermier. [/image]
Der Sommelier überraschte dazu mit einem 2016 Sauvignon le Bouc, von dem nur 6.000 Flaschen abgefüllt werden.
Der viertbeliebteste Käse der Deutschen folgte dann: Der Camembert. Allein die Industriemarke President produziert pro Woche 1,1 Millionen Packungen. In Wolfsburg hingegen kam mit Camembert de Normandie fermier der "letzte echte Camembert Frankreichs" auf den Teller. Ein Käse, der komplett in Handarbeit hergestellt wird und von dem höchstens 800 Schachteln pro Woche produziert werden.
Links im Bild, der "Käse des Volkes", der letzte echte Camembert Frankreichs. 300 Gramm kosten acht Euro. Vorn im Bild ein Brie de Meaux fermier, der schon im Jahr 1817 auf dem Wiener Kongress zum "König der Käse" gekürt wurde. Er reift auf Strohmatten, die dem Käse Feuchtigkeit entziehen. Rechts im Bild ein Coulommier fermier, der ganz mild schmeckt. "Als würden Sie frische Rohmilch trinken", kommentierte Volker Waltmann. [/image]
Aus der Normandie schenkte Marcel Runge dazu 2016 Poiré Granit aus, geschmacklich ausgeprägt: Frische, klare, saftige Birnen-Frucht.
Rechts im Bild ein Reblochon fermier, der nach Rezepten französischer Mönche gewaschen wird. Unten auf dem Teller wurde Pont I´Eveque fermier angerichtet. Ein Livarot fermier liegt oben. Bei diesem "Backsteinkäse" ist wichtig, dass er eine saubere, geschlossene Rinde hat. Sonst könnten Bakterien in den Käse eindringen und den Geschmack verfälschen. Auch beim Kauf oder bei einem Käsewagen im Restaurant, sollten Genießer darauf achten. Ist die Rinde gerissen, wurde der Käse zu trocken gelagert. [/image]
Sommelier Marcel Runge reichte dazu 2014 Trousseau Singulier von Stephane Tissot, einem der charismatischsten und einflussreichsten Winzer-Persönlichkeiten Frankreichs. Und charismatisch war auch der Wein: Oxidativ im Holz ausgebaut mit einem rustikalen Geschmack nach Kirsche, Kräuter und Leder. Sehr korrespondierend. Da in Frankreich zu Käse in mehr als 80 Prozent aller Fälle Weißwein getrunken wird, wurde auch im "aqua" diese Quote eingehalten: Ein Crémant de Bourgogne Grand Cuvée als Aperitif und danach vier weiße und ein roter als begleitende Weine.