Berlin. Die Bundesregierung hat bei der Europäischen Union ein offizielles Verfahren auf dem Weg gebracht, um die iranischen Revolutionsgarden mit Terrorismus-Sanktionen zu belegen. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstagausgabe). Das Auswärtige Amt stellte, unterstützt von weiteren EU-Mitgliedstaaten, demnach in Brüssel einen Antrag, die Elitetruppe der Islamischen Republik unter dem Sanktionsregime zu listen, das die EU als Reaktion auf die Anschläge des 11. September 2001 in den USA eingeführt hatte.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) informierte ihre Kollegen darüber bei der jüngsten Sitzung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 24. Juni in Luxemburg. Eine Sprecherin der EU teilte auf Anfrage lediglich mit, die Diskussionen im Rat seien "intern und vertraulich, daher können wir sie in der Öffentlichkeit nicht weiter kommentieren".
Anders als bisher sieht laut SZ nun auch der juristische Dienst des Europäischen Auswärtigen Dienstes in dem deutschen Antrag eine Grundlage dafür, die den hohen rechtlichen Anforderungen genügt. Die anderen 26 EU-Mitgliedstaaten müssen den möglichen Strafmaßnahmen einhellig zustimmen. Ob Einstimmigkeit erzielt werden kann, gilt in Brüssel als nicht sicher.
Die Bundesregierung stützt ihre Initiative auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das im Dezember 2023 einen Deutsch-Iraner wegen versuchter Brandstiftung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt hatte. Er soll im November 2022 versucht haben, einen Molotow-Cocktail auf die Synagoge in Bochum zu werfen, schleuderte ihn aber wohl aus Angst vor Entdeckung gegen eine benachbarte Schule. Das Gericht befand, dass staatliche Stellen in Iran hinter dem Anschlag steckten, ohne diese genauer zu benennen.
Den Auftrag für den Anschlag soll er von einem weiteren Deutsch-Iraner erhalten haben, der im April unter bislang ungeklärten Umständen in Teheran getötet worden ist. Dieser gehörte in Deutschland früher den Rockergangs Hells Angels und Bandidos an und hatte sich 2021 nach Iran abgesetzt. In Deutschland wurde er mit Haftbefehl wegen Mordes gesucht. In einem Beschluss des 3. Strafsenats beim Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2023 wurde er als Teil einer Gruppe bezeichnet, die sich zusammengeschlossen habe, um Anschläge auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen in Deutschland zu verüben. Innerhalb des "Operativteams" habe er demnach "in Zusammenarbeit mit einer staatlichen Stelle im Iran, den Quds-Kräften der Revolutionsgarde, eine koordinierende Funktion" eingenommen. Die Quds-Brigaden sind eine Spezialeinheit der Revolutionsgarden, die für Operationen im Ausland zuständig ist, darunter Terroranschläge.
Die Informationen zur Anbindung an die Quds-Kräfte, benannt nach dem arabischen Wort für Jerusalem, stützt sich laut dem Beschluss "vornehmlich auf Behördenzeugnisse". In der Regel sind damit Informationen von Geheimdiensten gemeint, hier offenbar Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz. Die Angaben hätten sich durch weitere Ermittlungen erhärtet, unter anderem durch Zeugenaussagen, heißt es in dem Beschluss.
Nach europäischen Recht setzt eine Listung Ermittlungsverfahren wegen terroristischer Aktivitäten oder entsprechende Urteile in einem EU-Mitgliedstaat voraus. Ein solches Verfahren oder Urteil lag im Fall der iranischen Revolutionsgarden nach Einschätzung der EU-Juristen bislang nicht vor. In der Zusammenschau der beiden nun von Deutschland geltend gemachten Verfahren sehen sie der Zeitung zufolge nun aber auch eine gerichtsfeste Grundlage.
mehr News aus der Region