Region. Die Folgen der Coronakrise für die heimische Wirtschaft sind bislang noch nicht absehbar, der Trend deutet aber vor allem in eine Richtung: nach unten. Da sind sich die meisten Volkswirte einig. Vom kleinen Friseursalon, bis zum international führenden Automobilhersteller haben fast alle Branchen mit ausbleibenden Kunden, Auftragsstornos und den folgenden Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Aber wie ist die Lage am Bau? regionalHeute.de hat mit drei Handwerksbetrieben aus der Region gesprochen.
Eigentlich, verrät Dachdeckermeister Thomas Dinse, der einen kleinen Betrieb in Söllingen im Landkreis Helmstedt führt, spüre er keine großen Veränderungen in der Auftragslage. Im Gegenteil. Es ginge sogar bergauf. Zum Teil habe sich die Wartezeit für neue Aufträge sogar verlängert. Und, so der Handwerksmeister, er habe sogar einen neuen Mitarbeiter einstellen können. "Wirtschaftlich", so der Dachdeckermeister, "sieht es bis Ende des Jahres sehr gut aus." Ein Eindruck, der sich im Gespräch mit Kollegen aus anderen Bereichen bestätigt.
Bei Plagemann und Sohn, einem Schöppenstedter Bauunternehmen mit etwa 90 Mitarbeitern, ist man zuversichtlich, dass die Arbeit weitergehe. Auch mit einem Auftragseinbruch rechne man nicht, erklärt Reiner Voß, Geschäftsführer des Unternehmens. Das liege auch daran, dass das man bis zu 60 Prozent seiner Aufträge aus der öffentlichen Hand erhalte. Außerdem seien die meisten Aufträge, etwa Hausbaustellen, bereits seit längerem geplant. Hier sei es sehr unwahrscheinlich, dass eine Baustelle wegbreche. Man höre nicht plötzlich auf sein Haus zu bauen.
Bei Daniel Temmeyer, der vor einigen Jahren den Gärtnerei- und Landschaftsbaubetrieb seiner Eltern in Helmstedt übernommen hat, festigt sich sogar der Eindruck, dass Kunden, die dank Coronakrise zu Hause säßen, nun Projekte in Angriff nähmen, die sie vorher immer wieder verschoben hätten. Momentan bekäme das Unternehmen, zu dem auch ein Hausmeisterservice gehört, jeden Tag mehr Aufträge. "So viele Aufträge, wie aktuell habe ich noch nicht erlebt." Gerade die Gärtnerei sei gefragt. "Die bestätigten Aufträge reichen bei uns bis weit in den August", erklärt der 27-Jährige.
Lieferschwierigkeiten aus dem Ausland
Grundsätzlich ist also alles in Ordnung. Oder? Das einzelne Körnchen Salz in der Suppe seien die Lieferschwierigkeiten, wenn Material aus dem Ausland beschafft würde. Die seien jedoch bei weitem nicht so umfangreich wie befürchtet. Zumal, so Temmeyer, das Gros seines Materials aus der Region käme. Lediglich "ausgefallenere Bodenbeläge" seien zurzeit schwierig zu beziehen. Viele Hersteller oder deren Zulieferer säßen in Norditalien, dem Epizentrum der europäischen Coronaepidemie. "Da geht gerade gar nichts." Ansonsten seien die Veränderungen verkraftbar, erklärt auch Dinse.
Beim Dachdeckermeister, der vor allem seine Metallteile aus Polen bezieht, haben sich Lieferzeiten zum Teil von zwei bis drei Wochen auf sechs Wochen oder mehr verlängert. Das bedauere er zwar, aber: "Da habe ich leider wenig Einfluss drauf." Zumal die allermeisten Kunden Verständnis dafür hätten. Und: Bei Ziegeln und Holzteilen gäbe es diese Probleme nicht. Die seien oft nur einen Tag nach Bestellung verfügbar. So könnte auf den meisten Baustellen problemlos weitergearbeitet werden. Auftragseinbußen habe er deswegen noch nicht gehabt.
Baubranche nicht von Kurzarbeit betroffen
"Unsere Mitarbeiter sind froh weiterarbeiten zu können", erklärt Reiner Voß im Gespräch mit regionalHeute.de. Während in vielen Branchen Kurzarbeit herrsche, schätzten die Handwerker sich glücklich weiter bei vollem Gehalt arbeiten zu können. Das sei vor allem deswegen möglich, weil die Mitarbeiter sich an die Hygienevorschriften hielten. Voß zeigte froh, dass Bauleiter und andere Mitarbeiter sich "so verantwortungsbewusst" zeigten. Abstände würden eingehalten, gemeinsame Arbeiten auf das mindeste beschränkt.
Überhaupt haben die Betriebe Maßnahmen ergriffen, um das Infektionsrisiko so klein wie möglich zu halten. Desinfektionsmittel stünde zur Verfügung, die Mitarbeiter seien angehalten einzeln zu den Baustellen zu fahren, auch Mund-Nasen-Schutz werde empfohlen. Bei Dinse und Temmeyer kommt dazu, dass die meiste Arbeit "an der frischen Luft" passiert. Hier ist die Ansteckungsgefahr besonders gering. Wenn doch einmal etwas "drinnen" anfalle, so Dinse, erledige er die Arbeit selbst. "Ich will niemanden zwingen sich irgendwie in Gefahr zu bringen", so der Dachdeckermeister.
Geht die Krise also am Handwerk vorüber? Größtenteils, glauben die befragten Unternehmer. Gerade Plagemann arbeite zu 60 Prozent im öffentlichen Sektor, der sei besonders zuverlässig. Auch Dinse habe noch einen Großauftrag, der ihm auch weiter Planungssicherheit gebe. Lediglich Temmeyer, schaut etwas besorgt in Richtung Wolfsburg. Er arbeite in vielen Fällen für VW-Angestellte. Sollte sich die Lage beim Autobauer weiter verschlechtern und es zu Entlassungen kommen, dann sorge auch er sich um seine Aufträge. Aber erst einmal, das bestätigen alle drei Unternehmen, seien die Auftragsbücher voll.
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