Region. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland Heinrich Bedford-Strohm erinnert in seiner Neujahrspredigt an Ereignisse, die bewegten. Und er sagt: Angst ist ein schlechteer Ratgeber. Die komplette Ansprache wird hier unkommentiert und ungekürzt veröffentlicht.
Ein neues Jahr liegt vor uns. Was es wohl bringen wird? Niemand kann das sagen. Prognosen, das haben wir 2016 erlebt, können danebenliegen. Astrologische Voraussagen treffen in den wenigsten Fällen ein. Die Zukunft, und selbst die allernächste, ist in vielerlei Hinsicht offen, von Unwägbarkeiten bestimmt. Manchmal ist dieses Nicht-Wissen schwer zu ertragen, vor allem dann, wenn man eher zur Sorge als zum unbefangenen Blick auf die Zukunft neigt.
In den letzten Monaten war viel von der Sorge um das Bestehende und der Angst um die Zukunft die Rede. Der Anschlag von Berlin hat uns alle erschüttert. Bei Manchen hat er die Angst, persönlich Opfer eines solchen Anschlags werden zu können, verstärkt. Aber es sind auch Ängste vor sozialem Abstieg, vor der Veränderung überhaupt, die Menschen bewegen. Andere wiederum erschreckt der raue, oftmals hasserfüllte Ton, den wir gegenwärtig so häufig besonders im Internet erleben, der zunehmende Unwille, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen. Dies lässt sich nicht einfach vom Tisch wischen. Nur - die Angst ist eben wirklich ein schlechter Ratgeber. Sie verengt den Blick und auch das Herz, macht mutlos und lässt resigniert die Hände sinken.
Wie damit umgehen? Woraus schöpfen, um die inneren Gegenkräfte gegen Angst und Verunsicherung zu stärken? Wie zu einem Grundgefühl der Zuversicht kommen, das kluges Überlegen und beherztes Handeln erst wirklich möglich macht?
Es kommt auf die Quellen an, aus denen sich das Herz nährt. Der christliche Glaube - davon bin ich überzeugt und erfahre es selbst immer wieder - ist eine besonders kraftvolle Quelle. Die biblischen Texte, die gerade jetzt in der neuen Lutherbibel 2017 vielen Menschen wieder besonders nahe kommen, sind die Grundlage dafür. Sie sind eine Quelle der Liebe und der Hoffnung. Die Liebe hat ihren Ursprung in der bedingungs- und grenzenlosen Liebe Gottes zu allen Menschen. Sie hat Gott selbst Mensch werden lassen. Das ist die Botschaft von Weihnachten, die einmal im Jahr groß gefeiert wird, aber immer gilt.
Diese unbedingte Liebe Gottes hat - sozusagen auf ihrer Rückseite - die Hoffnung: Wenn Gott uns Menschen so liebt, dass er auch und gerade dort ist, wo Kummer, Schmerz, Sorge und Leid wohnen, dann ist die Lage eben nicht hoffnungslos. Vielleicht immer wieder ernst - das schon -, aber nicht hoffnungslos. Wer dem liebenden Gott vertraut, für den wird die Bibel zu einer großen Hoffnungsgeschichte. Der Gott, der das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten herausgeführt hat, der kann auch uns herausführen aus Angst und Beklemmung. Wer auf den liebenden Gott vertraut, der kann mit dem Psalmbeter sagen: "Der Herr ist mein Hirte… Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich."
Wer sein Vertrauen und seine Hoffnung auf Gott setzt, macht es sich nicht leicht, indem er einfach eine rosarote Brille überzieht. Die Zukunft - sie bleibt ungewiss. Aber im Vertrauen auf Gott, der unbedingt auf unserer Seite steht, verliert das Kommende seinen Schrecken, das Nicht-Wissen seinen bösen Bann. Und damit lässt sich leben, lässt sich gestalten, was in unserer eigenen Hand und Kraft liegt.
Hinweis: Der Ratsvorsitzende der EKD predigt in einem Festgottesdienst zum Neujahrstag, 1. Januar 2017, um 17 Uhr im Berliner Dom.
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