Goslar. Aktuell findet in Goslar der 62. Verkehrsgerichtstag statt. In dessen Rahmen gibt es mehrere Arbeitskreise zu verschiedenen verkehrspolitischen Themen. Eines davon behandelt die Frage, ob man betrunkenen Autofahrern nicht nur den Führerschein, sondern auch das Auto wegnehmen sollte. Die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages haben allerdings keinerlei Verbindlichkeit für die Entscheidungen der Politik.
Tatsächlich besteht bei anderen Verkehrsverstößen für die Behörden die Möglichkeit, ein Fahrzeug einzuziehen. Konkret ist dies bei Fahren ohne Führerschein, Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz und illegalen Autorennen der Fall. Daher stellt sich der Arbeitskreis I "Einziehung von Täterfahrzeugen bei strafbaren Trunkenheitsfahrten" der Frage: "Vollgedröhnt am Steuer: Muss auch das Auto weg?"
"Ungleichbehandlung ist problematisch"
Während es in den oben genannten Fällen spezialgesetzliche Regelungen gibt, müsste eine solche für den Fall der Trunkenheitsfahrten erst geschaffen werden. Prof. Dr. Bijan Nowrousian von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung in Münster würde dies begrüßen. Die derzeitige Ungleichbehandlung der verschiedenen Verkehrsdelikte in Sachen Einziehung des Fahrzeugs erweise sich seiner Ansicht nach als problematisch.
Alkoholisierung sei eine häufige Unfallursache, gerade auch bei Unfällen mit Personenschaden. Die verschiedenen Verkehrsstraftaten würden sich in ihrem Gepräge aber durchaus unterscheiden. Bei illegalen Autorennen etwa gebe es eine ganze „Raserszene“ als tatförderndes Milieu, die es so bei Trunkenheitsfahrten nicht gebe. Aber die Grundidee hinter den bestehenden Einziehungsmöglichkeiten lasse sich auf Rauschfahrten übertragen: nämlich die Ermöglichung der Einziehung des Fahrzeugs bei besonders hoher krimineller Energie und einem entsprechend hohen Maß an (zumindest abstrakter) Gefährdung.
Ähnlich sieht dies Andreas Winkelmann, Erster Oberamtsanwalt der Amtsanwaltschaft Berlin. Alkohol- und Drogendelikte im Straßenverkehr hätten statistisch belegt eine hohe Unfallrelevanz. Angesichts des hohen Gefährdungspotentials sei es demnach sachgerecht, Alkohol und Drogen im Straßenverkehr bei der Einziehung von Kraftfahrzeugen auf Augenhöhe im Vergleich zu anderen Straßenverkehrsdelikten zu behandeln.
Ungleichgewicht zwischen Sanktion und Nebenfolge
Widerspruch kommt dagegen von Hanno Lillig, Fachanwalt für Strafrecht aus Düsseldorf. So sei festzuhalten, dass die Einziehungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen das Pflichtversicherungsgesetz und Fahrens ohne Führerschein in der Praxis nicht genutzt würden. Außerdem seien Trunkenheitsfahrten von dem Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens deutlich zu unterscheiden. Bereits die Deliktsformen seien vollkommen unterschiedlich. So nehme das Auto im zweiten Fall eine besondere Rolle in der Art des Umgangs damit und in der Präsentation durch den Täter ein, da sich dieser durch das genutzte Fahrzeug und die vermeintliche Beherrschung desselben definiere. Dies sei bei der Trunkenheitsfahrt nicht der Fall.
Auch aufgrund der massiven wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Täter, der hohen Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot sowie der Gefahr eines Ungleichgewichts zwischen Sanktion und Nebenfolge, sei die Schaffung einer Einziehungsmöglichkeit aufgrund einer Trunkenheitsfahrt abzulehnen. Das Übermaßverbot besagt, dass eine gesetzliche Regelung oder eine andere Maßnahme der öffentlichen Gewalt zu unterbleiben hat, wenn die aus ihr folgenden Nachteile für den Betroffenen außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg stehen.
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