Die Privarbrauerei Härle darf ihr Bier nicht mehr als bekömmlich bezeichnen. Ein bescheuertes Urteil ohne jeden Realitätsbezug finden wir.
Nun ist es amtlich. Jedenfalls in erster Instanz. Im Land des Reinheitsgebotes darf man das Volksgetränk Bier nicht mehr als bekömmlich bezeichnen. Die Privatbrauerei Härle hat das getan, was in den 50er und 60er Jahren noch keinerlei Anstoß erregt hätte. Ein obskurer »Interessenverband« namens »Verband Sozialer Wettbewerb« (VSW) störte sich dennoch daran. Die Argumentation: Der Europäische Gerichtshof hatte 2012 entschieden, dass die Winzergenossenschaft Deutsches Weintor ihren Wein trotz des geringen Säuregehalts nicht als bekömmlich anpreisen durfte. Die Petze VSW beantragte nun eine einstweilige Verfügung gegen Härle und ist damit vor Gericht natürlich durchgekommen. Der Richter legte eine Begründung, so der Liveticker der Schwäbischen Zeitung, erst nach der explizieren Aufforderung des Brauereibesitzers vor. Bekömmlich bedeute, dass etwas verträglich sei für den Körper. Damit liege ein Bezug zur Gesundheit vor. Und man darf als Hersteller von Alkoholika nicht den Eindruck erwecken, dass solche Getränke auch einen gesundheitlichen Aspekt hätten.
Alle Kleingeister dürfen sich freuen
Damit können die Kleingeister vom VSW und alle Spießer und Bürokraten freuen. Kein normaler Mensch würde in Zweifel ziehen, dass Alkohol im Übermaß genossen schädlich ist. Aber das gilt ebenso für den Konsum von Orangensaft. Ob etwas gesund ist oder nicht, hängt vom Maß ab. Ein Gläschen Wein oder Bier hebt die Stimmung, hat zudem auch gesundheitlich positive Begleiterscheinungen, die längst nachgewiesen sind. Wenn es der Psyche guttut, dann ist das durchaus ein gesundheitlicher Faktor. Angst vor einem kontrollierten Rausch haben nur Menschen, die nicht das Maß kennen. Wir leben in einer Zeit, wo Gesundheitswunsch zum Wahn wird. Jeden Tag gibt es neue Wundermittel und Ernährungsvorschriften, die ewiges Leben und Wohlbefinden versprechen. Und tatsächlich grassieren Unverträglichkeiten und Allergien wie nie zuvor.
Was ist gesund?
Was ist das für ein Irrsinn, dass ein Bier noch nicht einmal als bekömmlich bezeichnet werden darf? Warmes Bier wird im Schwarzwald angeboten und hilft gegen Erkältungen. Bier enthält neben Mineralstoffen wie Kalzium, Phosphor, Magnesium und Kalium auch viele B-Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyophenole. Die stammen aus dem zum Brauen verwendeten Malz und Hopfen oder von der Brauhefe. Im Endprodukt sind sie zwar nur in geringen Mengen enthalten, aber im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken ist der Gehalt relativ hoch. Aber ganz davon ab. Gesund bleibt man nicht, wenn man nur gesund lebt. Wer zu Hause auf dem Sessel sitzen bleibt und nicht in den Bergen kraxelt, segelt oder Ski fährt, setzt sich nicht der Gefahr aus zu verunfallen. Aber er verödet. Und wer sein ganzes Leben lang nur Mineralwasser trinkt, hat auch keine Gewähr auf Gesundheit.
Wie bekämpft man Alkoholismus?
Es ist ein riesiger Irrtum, wenn man meint, mit Verboten die Dinge regeln zu können. In der DDR und den anderen Ostblockstaaten haben Diktaturen vor der Wende versucht, den Alkoholismus zu bekämpfen. Völlig erfolglos. Alkoholismus ist wie jede andere seelische Krankheit ein Produkt von vielen Ursachen. Zum Alkoholiker wird man nicht, weil es Bier gibt oder es beworben wird als bekömmlich. Sondern weil man zum Beispiel keine berufliche Zukunft hat oder was auch immer. Wo es in der Geschichte keinen Alkohol gab, haben sich die Menschen ihn irgendwie gebrannt. Wer Missbrauch vermeiden will, muss nicht Gesetz um Gesetz, Gängelung um Gängelung verabschieden, sondern muss sich um die Ursachen kümmern. Die Privatbrauerei hat nun die Flaschen, auf denen Bekömmlichkeit angepriesen wird, umzuetikettieren. Eine Berufung wird folgen. Ob der Gesunde Menschenverstand eine Chance hat, ist allerdings eine andere Sache.