Braunschweig. Ein Gänsehautmoment: "Marie Juchacz" betritt den Festsaal des Braunschweiger Altstadtrathauses und spricht ihre berühmten provokanten Worte: „Meine Herren und Damen!“ Mit fester Stimme trägt die als Marie Juchacz kostümierte Schauspielerin Andrea Freier Auszüge aus der ersten Rede einer Frau vor einem frei gewählten deutschen Parlament überzeugend vor. Das berichtet die AWO.
Anschließend gratuliert Oberbürgermeister Ulrich Markurth „der AWO, den Menschen, die dort arbeiten und dort Mitglied sind, und dem demokratischen Staat Deutschland, der solche Wohlfahrtsorganisationen hat, herzlich zu hundert Jahren AWO.“ Die Stadt hatte in ihr „Wohnzimmer“ geladen, und rund hundert Gäste sind gekommen, um das 100-jährige Bestehen der AWO zu feiern.
„Antriebsgeist der AWO sind die fünf Grundwerte“
Nach einer Würdigung der AWO-Gründerin Marie Juchacz sagte Markurth: „Der Antriebsgeist der AWO sind auch heute noch ihre fünf Grundwerte Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz. Ich hoffe, dass diese großartigen Werte nicht verloren gehen und nicht nur die AWO, sondern auch unser Gemeinwesen zusammenhalten. Die AWO hätte das Zeug für weitere hundert Jahre. Wir sind glücklich, dass es die AWO gibt.“
AWO-Gelände wird zum „Marie-Juchacz-Platz“
Auch die Braunschweiger AWO-Präsidiumsvorsitzende Gabriele Siebert-Paul blickt auf die Frauenrechtlerin, Sozialreformerin, Sozialdemokratin, Abgeordnete der Weimarer Nationalversammlung und Reistagsabgeordnete Marie Juchacz zurück und teilt stolz mit, dass wenige Stunden zuvor das AWO-Gelände am Peterskamp mit der AWO-Bezirksgeschäftsstelle den offiziellen Namen Marie-Juchacz-Platz erhalten habe.
(1. Reihe, von rechts) Oberbürgermeister Ulrich Markurth, Gabriele Siebert-Paul, Wilhelm Schmidt, Gerd Winner, Klaus-Peter Bachmann und Rifat Fersahoglu-Weber feiern mit weiteren Gästen das 100-jährige Jubiläum der AWO. Foto:
Heute habe die AWO zwischen Harz und Heide etwa 3.500 Mitarbeiter in 130 Einrichtungen, in denen täglich rund 25.000 Menschen betreut oder beraten würden. Zudem unterstützen fast 5.000 Mitglieder die Arbeit des Verbandes. „Wir verstehen uns als sozialpolitischer Mitgliederverband und sind dadurch schon immer Sprachrohr für die Menschen gewesen, die sonst keine Stimme haben oder kein Gehör finden. Bis heute ist die AWO ein starker Mitgliederverband, der sich politisch einmischt.“ Als ein Beispiel von vielen nennt die AWO-Präsidiumsvorsitzende das Engagement der AWO für Vielfalt und gegen Rechtsextremismus.
„Menschverachtung lassen wir nicht zu!“
Daran knüpft auch der Präsidiumsvorsitzende des AWO-Bundesverbandes, Wilhelm Schmidt, an: „Dass sich die Menschenverachtung, wie sie sich zwischen 1933 und 1945 ereignet hat, schon wieder breit macht, werden wir nicht zulassen!“ Der Salzgitteraner Schmidt hatte den Künstler Gerd Winner aus Liebenburg dafür gewinnen können, ein großes Denkmal zu Ehren von Marie Juchacz zu gestalten, das jetzt in einem Park in Berlin-Kreuzberg steht. „Es steht für die Botschaft, die von dieser großartigen Frau und den Grundwerten der AWO ausgeht.“
„Not soll gar nicht erst entstehen“
Klaus-Peter Bachmann, Vorsitzender des AWO-Kreisverbandes Braunschweig, ehemaliger Geschäftsführer des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig, seit 50 Jahren aktives AWO-Mitglied und derzeit Mitglied der historischen Kommission des AWO-Bundesverbandes, erinnert daran, dass die Aktivitäten der AWO Braunschweig mit der Stadtranderholung für Kinder in der Waldschule Querum am heutigen Marie-Juchacz-Platz begonnen hatten.
„Die AWO wollte stets nicht nur Not lindern, sondern auch dafür sorgen, dass Not gar nicht erst entsteht“, fasst Bachmann zusammen und blickt in die Zukunft: „Hundert Jahre liegen hinter uns, viel Arbeit vor uns.“ Musikalisch umrahmt wurde die Feier von einem Ensemble des Staatstheaters Braunschweig.
Lesen Sie auch:
https://regionalbraunschweig.de/marie-juchacz-platz-feierlich-eingeweiht/
mehr News aus Braunschweig