Anna Kuschnarowa erhält den Friedrich-Gerstäcker-Preis der Stadt Braunschweig




Braunschweig. Die Schriftstellerin Anna Kuschnarowa erhält für ihr Buch „Kinshasa Dreams“ den mit 8.000 Euro dotierten Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur der Stadt Braunschweig. Die Auszeichnung findet am Donnerstag, 15. Mai, ab 17.30 Uhr im Braunschweiger Altstadtrathaus statt.

In dem für Jugendliche ab 14 Jahren empfohlenen, 2012 im Verlag Gulliver, von Beltz & Gelberg erschienenen Roman erzählt Anna Kuschnarowa die Geschichte von Jengo Longomba aus Kinshasa. Er erlebt das Zerbrechen seiner Familie und verlässt nach diesem Verlust seines Schutzes als Heranwachsender seine Heimat. Auf der Suche nach seiner Mutter und geleitet von seinem Traum, als Boxer einen Platz im Leben zu finden, gelangt er über Ägypten und Libyen nach Frankreich, doch als Illegaler darf er nirgendwo lange bleiben. Jengos Schicksal steht für viele Flüchtlingsgeschichten über einen Menschen zwischen den Kulturen.

Die Begründung der Preisjury lautet:

„Mit „Kinshasa Dreams“ stellt Anna Kuschnarowa ein Flüchtlingsschicksal zwischen Afrika und Europa in das Zentrum ihres Romans. In einem verschachtelten, souverän die Relation zwischen der Erzählebene und dem inneren Monolog wahrenden Format thematisiert die Autorin die Suche des jungen Boxers Jengo Longomba nach sich selbst und seinem Platz in dieser Welt.

Mit ausgeprägter Erzähldynamik führt die Autorin in die Geschichte hinein, lässt die alte und neue Welt im Kongo aufeinanderprallen und nimmt dann den Leser mit auf eine abwechslungsreiche und dramatische Odyssee eines Heranwachsenden, der aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit bereits in seiner Heimat Kinshasa ein Fremder ist. Nur in der Flucht vor dem Aberglauben seines Lebensumfeldes und den damit verbundenen Demütigungen sieht der Protagonist seine Chance auf ein Leben in Selbstbestimmtheit und Würde. Nur wenn er Afrika verlässt, hat er eine Möglichkeit, seinen Traum, Boxer zu werden, zu realisieren.

Seine Erfahrungen während seiner Fluchtversuche nach Europa - Paris ist sein Ziel - zeichnen eine Spur des Schreckens und der Demütigung und konfrontieren ihn mit der Ohnmacht gegenüber Menschenschleusern, überforderten Aufnahmeländern und einer Zivilgemeinschaft in europäischen Staaten, in der es für Flüchtlinge wie Jengo nur in einer Parallelwelt, am Rande der Gesellschaft, eine Überlebenschance gibt.

Fokussiert auf die Figur ihres Protagonisten, der trotz vieler Rückschläge seinem Traum folgt, webt Anna Kuschnarowa ein dichtes Netz von Begleitfiguren, bietet authentische Einblicke in unterschiedliche Kulturen und eindringliche, atmosphärisch dichte und aktuelle Blicke auf Gesellschaften, die der Problematik von Flüchtlingsströmen noch immer mit einem eurozentristischen Blick gegenüberstehen.

Anna Kuschnarowa beleuchtet am Beispiel eines Flüchtlingsschicksals ein zeitloses und gleichermaßen hoch aktuelles Thema: Die Diskrepanz zwischen selbstbestimmtem Leben und gesellschaftlich dominierten Verhältnissen auf dem  afrikanischen Kontinent und im Europa der Gegenwart. Die Geschichte Jengos hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck und schärft den Blick auf unsere Gegenwart“, heißt es in der Jury-Begründung.

Mitglieder der neunköpfigen Preisjury waren Udo von Alten (Friedrich-Bödecker-Kreis e. V.), Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Joachim Behr (Germanist/TU Braunschweig), Dr. Annette Boldt-Stülzebach (Stadt Braunschweig, Abteilung Literatur und Musik), Sabine Lippert (Stadtbibliothek Braunschweig, Sparte Kinder- und Jugendbuch), Thomas Ostwald (Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft), Ute Wegmann (Jugendbuchautorin, freie Journalistin, Dozentin für Literaturverfilmung an der Universität Duisburg-Essen), Katrin Wonschik (Buchhandel), Clara Hübner und Mariel Reichard als Vertreterinnen der Jugendjury.

Die Preisträgerin wurde 1975 in Würzburg geboren. Sie studierte Ägyptologie, Germanistik und Prähistorische Archäologie in Leipzig, Halle/Saale und Bremen und unterrichtete zehn Jahre an mehreren deutschen Hochschulen. Ihr wissenschaftliches Interesse gilt Gender-Themen. Sie arbeitet als freie Autorin und Fotografin und gründete 2011 die Seschat Fernschule für Ägyptologie.

Ausgezeichnet wurde Anna Kuschnarowa u.a. 2013 mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher, dem Preis für „Die drei schönsten Kinderbücher 2013“, ausgewählt von MDR Figaro sowie 2012 dem Preis für „Die besten 7 Bücher für junge Leser“ des Deutschlandfunks.

1947 von der Stadt Braunschweig gestiftet, erinnert der Friedrich-Gerstäcker-Preis für Jugendliteratur an den Weltreisenden und Abenteuer-Romancier Friedrich Gerstäcker, der seine Jugend und seine letzten Lebensjahre in Braunschweig verbrachte. Der älteste deutsche Jugendbuchpreis wird 2014 zum 30. Mal verliehen. Im zweijährigen Turnus wird ein Buch ausgezeichnet, das Jugendlichen im Alter ab zwölf Jahren das Abenteuer der Begegnung mit fremden Welten fantasievoll vor Augen führt und dabei die Gedanken der Toleranz und Weltoffenheit in sprachlich anspruchsvoller Form näher bringt. Den Preis erhielt zuletzt Martin Grzimek und zuvor u.a. Anja Tuckermann, Iva Procházková, Christa-Maria Zimmermann, Günther Bentele, Sigrid Heuck und Klaus Kordon.


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