Braunschweig. In Punkto Prävention von häuslicher Gewalt gegen Frauen sieht der Bund Braunschweig als vorbildlich. In der vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Bedarfsanalyse zur "Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" wird Braunschweig für die Kommunen mit weniger als 300.000 Einwohnern als "Nummer 1" genannt und wurde gezielt als "Promising Practice Kommune" ausgewählt.
Besonders hervorgehoben wurde in der Studie mit Bezug auf Braunschweig die starke Vernetzung der Beteiligten vor Ort und die bundesweit vorbildliche Umsetzung der präventiven Dauerausstellung "Rosenstraße 76" sowie die Umsetzung des Präventionskonzeptes "Stadtteile ohne Partnergewalt" (StoP), heißt es in einer Mitteilung der Stadt am heutigen Dienstag.
Großes Lob für die Stadt
"Dies ist ein großes Lob für die vielfältige Präventionsarbeit in unserer Stadt. Sie zeigt, dass wir in Braunschweig die Umsetzung der Istanbul Konvention ernst nehmen", freut sich Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum über die Auszeichnung.
Ziel der Bedarfsanalyse des Bundes sei, Handlungsempfehlungen für Kommunen zu entwickeln. Die Stadt Braunschweig sei dabei laut Bundesministerium ein herausragendes Beispiel für eine sinnvolle Umsetzung von Präventionsarbeit. Prävention kann vorbeugende Maßnahmen umfassen, die Gewalthandlungen von vornherein verhindern. Dazu zählt jedoch auch die Früherkennung von Gewalt und aus der Tat entstandene Folgen aufzuarbeiten. Die Ergebnisse wurden bei einer Fachtagung in Berlin vorgestellt. Bei der abschließenden Diskussion saß auch die Gleichstellungsbeauftragte Marion Lenz auf dem Podium.
Pflicht und keine Kür
Lenz erläuterte: "Es ist eine Pflicht und keine Kür: Die Istanbul-Konvention, das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, sowie das Gewalthilfegesetzt stellen klar, dass die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt, die meistens Frauen betrifft, keine freiwillige Aufgabe der Kommunen ist." Braunschweig setze nach Auffassung des Bundes mit seinen Präventionsangeboten Maßstäbe und gehe als vielversprechende Beispielkommune voran. "Das ist eine Bestätigung unserer gemeinsamen Zusammenarbeit in der Braunschweiger Stadtgesellschaft."
Die Statistiken würden belegen, dass Gewalt gegen Frauen leider stetig zu- und nicht abnimmt. In Deutschland wird nach Angaben des Bundeskriminalamtes fast täglich eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist.
Maßnahmen zeugen Wirkung
"Die Frauenberatungsstelle, das Frauenhaus und die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt leisten seit vielen Jahren professionelle Arbeit. Eine wichtige Ergänzung hierzu ist die Täterarbeit", stellt Sozialdezernentin Dr. Christina Rentzsch fest. Diese biete für Täter die Chance, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, eigenes Verhalten nachhaltig zu verändern und partnerschaftliche Konflikte gewaltfrei zu lösen. Hierfür hat die Stadt eine nach bundesweiten Standards arbeitende Täterfachberatungsstelle eingerichtet. Bei Tätern frühzeitig anzusetzen, hat ein hohes Präventionspotenzial. "Die Bedarfsanalyse hat ergeben, dass all diese Maßnahmen erwiesenermaßen wirksam sind. "Wir sind auf dem richtigen Weg! Braunschweig zeichnet sich durch eine gute Beratungslandschaft aus."
Ein weiteres Ergebnis der Bedarfsanalyse sei, dass wirksame Präventionsarbeit eine starke Vernetzung voraussetzt. Kooperationen, strategische Steuerung durch die Kommune sowie gezielte Maßnahmen sind die Schlüssel dafür. Auch hier geht Braunschweig beispielhaft voran: Herausgehoben seien die präventive Dauerausstellung "Rosenstraße 76", der Runde Tisch häusliche Gewalt, die Umsetzung des Präventionskonzeptes "Stadtteile ohne Partnergewalt" (StoP) sowie die Interdisziplinäre Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt für die Region Braunschweig (iKOST HG).
In Bezug auf Kinder und Jugendliche bieten "Communities That Care (CTC)" und "Schools That Care (STC)" fundierte Grundlagen für präventives Handeln. Diese schaffen durch Befragungen unter den Jugendlichen die Basis für eine gezielte strukturelle Weiterentwicklung.
CTC-Jugendbefragung
Die CTC-Jugendbefragung findet in diesem Jahr bereits zum vierten Mal in Braunschweig statt. Sie gilt als Realitätscheck um Sorgen und Bedürfnisse der Jugendlichen sichtbar zu machen. Die hohe Zahl an Jugendlichen, die in ihren ersten Beziehungen bereits Gewalt erfahren haben, war ein wichtiger Beweggrund, das langfristige Präventionsprojekt ‚Rosenstraße 76‘ einzurichten. Dieses wird von der Stadt Braunschweig dauerhaft finanziert und leistet präventive Aufklärungsarbeit für Schulklassen, Fachpersonal und Interessierte. Es zeigt sich als eine vollständig eingerichtete, scheinbar ganz normale Wohnung für eine ganz normale Familie.
Ein starkes Netzwerk
Ein weiterer wichtiger Baustein für alle Formen von Prävention, den die Bestandserhebung hervorhebt, sei die starke strategische Vernetzung innerhalb der Stadt Braunschweig. Der Runde Tisch häusliche Gewalt oder der Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen sind nur zwei Beispiele aus der vielfältigen Vernetzungsstruktur, die sich mit geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt beschäftigen, ein Unterstützungssystem bilden und Aufklärungsklärungsarbeit leisten. Beispielsweise macht der Arbeitskreis gegen Gewalt an Frauen jährlich durch öffentliche Aktionen am 25. November, dem Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auf die Auswirkungen der Gewalt gegen Frauen aufmerksam.
Vernetzung und Kooperation sei eine wichtige Strategie bei der Bekämpfung von Gewalt. Mit der Interdisziplinären Koordinierungsstelle häusliche Gewalt (iKOST HG) besitzt die gesamte Region Braunschweig eine Vernetzung aus über 50 fachlichen Organisationen, Institutionen und Einrichtungen aus unterschiedlichen Bereichen Dabei geht es unter anderem um Fortbildungsmöglichkeiten für unterschiedliche Berufsgruppen oder um Standards für die Zusammenarbeit in Fällen von häuslicher Gewalt.
Mit dem neuen Gewalthilfegesetz haben von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder ab 2032 einen kostenfreien Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung. Die guten Ansätze in der Prävention müssen weiter ausgebaut werden, um mehr Frauen zu erreichen und allen, die es brauchen, Beratung und gegebenenfalls einen Frauenhausplatz anzubieten. Nach wie vor reichen die Plätze sowohl bei den Beratungen als auch im Frauenhaus nicht aus. Braunschweig arbeitet daran und geht mit gutem Beispiel voran, den steigenden Zahlen entgegenzuwirken und die geforderten gesetzlichen Maßnahmen umzusetzen.