Braunschweig. Autonomes Fahren im urbanen Verkehr ist eine Herausforderung. Denn im Gegensatz zum Fahren auf Autobahnen gibt es in der Stadt wesentlich komplexere und oft unübersichtlichere Situationen. Menschen sind zu Fuß, mit dem Fahrrad oder E-Roller unterwegs. Ein neuer Ansatz zur Lösung dieses Problems wurde nun in Braunschweig getestet, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einer Pressemitteilung berichtet.
Bisherige fahrzeugbasierte Automatisierungen müssen teilweise aus Sicherheitsgründen sehr langsam fahren, um auf verdeckte Hindernisse reagieren zu können. Das kann sie in eng bebauten Städten unwirtschaftlich machen oder sie werden als übertrieben vorsichtig und langsam wahrgenommen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat deshalb im Projekt MAD Urban gemeinsam mit Unternehmen und einer weiteren Forschungseinrichtung einen ergänzenden Ansatz entwickelt und erstmals erfolgreich in der Praxis demonstriert: Managed Automated Driving (MAD).
Automatisierung bekommt digitale Unterstützung
Beim MAD bekommt die Automatisierung an Bord des Fahrzeugs Unterstützung aus der digitalen Infrastruktur. Zur digitalen Infrastruktur zählen zum Beispiel Sensoren an Ampeln, Straßenlaternen und Gebäuden sowie sogenannte Edge-Rechner. Das sind spezielle, kompakte Computer, die Daten direkt dort verarbeiten, wo sie entstehen, also am Rand (englisch „edge“) eines Netzwerks. „Die Daten, die diese Sensoren erfassen, führen wir dann zusammen, um ein Gesamtbild aller Verkehrsteilnehmenden zu erzeugen. Das schließt auch die aus Sicht des Fahrzeugs verdeckten Objekte ein. So ‚sieht‘ das autonome Fahrzeug mehr und kann besser mit herausfordernden Situationen zurechtkommen“, beschreibt Julian Schindler, DLR-Forscher und technischer Leiter des Projekts.
Erster Praxistest erfolgreich
Mitte September 2025 hat ein Team des DLR und des Forschungszentrums Informatik (FZI) mit speziell ausgerüsteten Forschungsfahrzeugen die Machbarkeit dieses Ansatzes in der Praxis demonstriert – weltweit erstmalig im öffentlichen Straßenverkehr. Dieser „Proof-of-Concept“ ist ein wichtiger Meilenstein in der Technologieentwicklung. Dazu überquerten die Fahrzeuge die Kreuzung am Tostmannplatz in Braunschweig, die im Projekt mit zwei Sensor-Säulen ausgestattet worden war. Im Inneren dieser Säulen befindet sich eine Vielzahl von Sensoren und Rechnern. Diese zeichnen zu Forschungszwecken den Verkehr auf und analysieren ihn. Dazu erfassen sie datenschutzkonform die Umrisse von vorbeifahrenden Fahrzeugen, Menschen und Objekten auf der Kreuzung sowie den Fuß- und Radwegen. Daraus erstellen sie ein Bild der verkehrlichen Gesamtsituation.
MAD unterstützt in schwierigen Situationen
Wenn sich die beiden Forschungsfahrzeuge der Kreuzung näherten, übernahm der Edge-Rechner die Kontrolle, berechnete kontinuierlich den sicheren Fahrweg und überwachte die Ausführung der Fahrmanöver. Wenn die Fahrzeuge den Kreuzungsbereich verließen, übernahm die im Fahrzeug vorhandene Automation wieder die Steuerung. „Man kann sich das MAD-Verfahren wie einen Lotsen in der Luft- oder Schifffahrt vorstellen. MAD unterstützt in schwierigen Situationen beim sicheren und effizienten Fahren und erhöht so die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmenden“, erläutert Julian Schindler. Die Versuche fanden in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Braunschweig statt und nutzen auch die bereits am Tostmannplatz verbaute Sensorik des Testfelds Niedersachsen des DLR.