Braunschweig. Am vergangenen Mittwoch kam es nach Aussage des Niedersächsischen Umweltministeriums zu einer Freisetzung radioaktiven Jods über Braunschweigs Norden. Die Bürgerinitiative Strahlenschutz (BISS) kritisiert nun das „fehlerhafte Krisenmanagement".
„Weder die Bevölkerung noch die Stadt oder die Feuerwehr wurden über den Störfall informiert, und gemessen wurde offensichtlich auch nicht. Das ist angesichts der Gefährlichkeit des Stoffes in Sichtweite eines Schulzentrums unzumutbar“, stellt BISS-Sprecher Peter Meyer klar. Meyer weiter: „Ein „Schnapsglas“ radioaktives Jod-131 kippt um. Es hätte auch die Menge eines Weizenbierglases sein können - was dann? Radioaktives Jod-131 löst Schilddrüsenkrebs aus. Die Schnapsglasmenge entkommt über die Abluft, sodass nicht nur Mitarbeiter, sondern auch Menschen außerhalb der Atomfirmen mit hoher Wahrscheinlichkeit radioaktive Partikel einatmen. Es wird 40 Prozent mehr Radioaktivität frei als für einen Tag genehmigt ist. Aber zum Glück zeigen Berechnungen Tage später, dass niemand zu Schaden gekommen sein kann - wirklich? Ist es nicht wissenschaftlich erwiesen, dass jede zusätzliche Strahlung gefährlich ist? Und wieso wird offenbar nur berechnet und nicht gemessen? Warum erfahren wir erst Tage später davon? Was muss denn noch passieren - wie kann man hier so sorglos mit unserer Zukunft umgehen?“
Bürgerinitiative Strahlenschutz stellt Fragen
Wieso führt das simple Umfallen eines Glases zu einer Freisetzung in die Umwelt? Wieso ist nicht prozesstechnisch sichergestellt, dass bei solch einem Störfall die Grenzwerte für die Umgebung der Atomfirmen zwingend nicht überschritten werden können? Diese Fragen seien laut BISS brisant, weil das Niedersächsische Umweltministerium im Zuge der Überprüfung der Strahlengenehmigung der Nachbar-Nuklearfirma Eckert & Ziegler behaupte: „Nur ein Millionstel des Inventars kann bei einem Störfall überhaupt freiwerden. Das ist prozesstechnisch sichergestellt und über die Störfallanalyse von Eckert & Ziegler nachgewiesen." Diese Aussage erscheine demnach fragwürdig, „wenn nicht einmal eine Menge, die einem Schnapsglas entspricht, zurückgehalten werden kann", heißt es in dem Schreiben der BISS.
Evakuierung im Störfall nicht schnell genug?
Der „Worst Case“ Stresstest der BISS hingegen zeige hingegen deutlich, dass bereits bei Freisetzung eines Tausendstels der Strahlengenehmigung von Eckert & Ziegler eine 20 Kilometer lange und mehrere hundert Meter breite Abluftfahne entstehe, aus der sämtliche Bewohner sofort evakuiert werden müssten. Der aktuelle Vorfall zeige für die BISS, „dass es in Braunschweig bei Störfällen keine Vorwarnzeit gibt, dass die Atomfirmen in Braunschweig ihre Sicherheitsprozesse augenscheinlich nicht vollständig beherrschen und eine Evakuierung im Störfall nicht früh genug durchgeführt werden könnte."
Unklarheit über Personendosen
Stutzig mache die Bürgerinitiative auch der Hinweis, der Störfall habe bei drei Mitarbeitern zu erhöhten Personendosen geführt, die „Grenzwerte der Strahlenschutzverordnung für strahlenexponierte Personen“ seien jedoch nicht überschritten worden. Meyer erklärt: „Diese Grenzwerte für strahlenexponierte Personen liegen 20-fach über dem Wert für normale Bürger. Beim 40-fachen dürfen die Mitarbeiter ihrer Arbeit auf Dauer nicht mehr nachgehen. Wir können nur hoffen, dass die Personendosen der Mitarbeiter diese Werte nicht erreicht haben.“
BISS fordert Stresstest
Die Bürgerinitiative fordert die Berücksichtigung des von ihr vorgelegten „Worst Case“ Stresstests bei der Überprüfung der Strahlengenehmigung von Eckert & Ziegler. Dieser Stresstest aktualisiere und erweitere die Berechnungen der Entsorgungskommission des Bundes von 2013. Die BISS betont nachdrücklich: „Der Standort Braunschweig-Thune, mitten im Wohngebiet, neben Schulen, KiTas und Jugendzentrum ist definitiv nicht als Nuklearstandort geeignet. Das hat der aktuelle Störfall ein für alle Mal bestätigt."
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