Braunschweig. Die Redaktion erreichte einer Mitteilung von Jens-W. Schicke-Uffmann (Piraten). BraunschweigHeute.de veröffentlich diese ungekürzt und unkommentiert.
Die Piratenfraktion hat unter anderem ein Paket von Anträgen zum Haushalt eingereicht, die darauf abzielen, im Investitionsprogramm ab 2017 einige Projekte nach hinten zu schieben und teilweise auch zu kürzen, um eine mittel- und langfristige Handlungsfähigkeit der Stadt Braunschweig ohne weitere Kreditaufnahmen sicher zu stellen. Ich möchte außerhalb der (zahlreich abgedruckten) Antragsbegründungen etwas länger ausführen, was uns zu diesem Schritt geführt hat, denn die Projekte, die wir um ein Jahr verschieben wollen, sind für die Stadt wichtige Investitionen.
Das Problem der Haushaltsreste ist ja seit Jahren existent und bekannt: Da aus den Vorjahren Projekte liegen geblieben sind, die Verwaltung aber nicht beliebig viele Projekte umsetzen kann, können im jeweils aktuellen Haushaltsjahr wieder nicht alle geplanten weiteren Projekte erledigt werden und müssen verschoben werden. Die zugehörigen Finanzmittel werden ebenfalls verschoben und bilden eine Art Schattenhaushalt, der im Investitionsprogramm nicht mehr sichtbar ist, aber noch ausgegeben wird. Unsere Anträge werden einmal zu einem beschleunigten Abbau dieser Haushaltsreste führen, der längst hätte stattfinden sollen. Ein Haushaltsplan mit Planung von erheblichen Haushaltsresten über Jahre hinweg ist, um es klar zu sagen, ein Haushaltsplan, der bereits plant nicht umgesetzt zu werden. Wir schulden es aber den Braunschweigern, dass wir ihnen mit Ratsbeschluss nur das versprechen, was auch umsetzbar ist! Noch wesentlicher ist aber S. 75 des Haushaltsentwurfs: "Der voraussichtliche Bestand an Zahlungsmitteln wird zum Ende des Finanzplanungszeitraumes, also zum Jahresende 2018, noch rund 5,5 Mio. € betragen. Hierbei ist der vorgesehene Abbau der Haushaltsreste bis auf einen verbleibenden Sockelbetrag von rund 23,2 Mio. € berücksichtigt." Im Klartext: Am Ende des Jahres 2018 werden wir noch 5,5 Mio. € Zahlungsmitteln haben, von denen aber 23,2 Mio. € für verschobene Projekte ausgegeben werden. Die Stadt müsste also Kredite aufnehmen. Viele der noch nicht ausgeplanten Projekte sind dabei nicht einmal berücksichtigt. Das Ringgleis beispielsweise wird zusätzlich etwa 3,5 Mio. € benötigen. Wegen der kreditähnlichen Rechtsgeschäfte im Rahmen der Schulprivatisierung schätzt die Verwaltung bereits jetzt auf S. 182, dass die jährliche Zinslast der Stadt Braunschweig steigen wird. Von derzeit etwa 5 Mio. € auf etwa 9 Mio. € in 2018. Dies sind 4 Mio. € mehr, die jedes Jahr dem Finanzsektor zu gute kommen und nicht den Braunschweiger Bürgern. Jede über Kredite finanzierte Investition, sprich Infrastruktureinrichtung, die auf diese Weise kurzfristig realisiert werden kann, senkt langfristig die Gesamtmenge der von der Stadt überhaupt finanzierbaren Infrastruktur und Dienstleistungen. Wenn das Investitionsprogramm in der derzeitigen Fassung beschlossen und umgesetzt wird, kommen weitere Zinsen auf uns zu. Die doppelte Buchführung der Stadt ermöglicht uns, im Ergebnishaushalt ein realistisches jährliches Gesamtergebnis zu ermitteln, in dem die Kosten langfristig nutzbare Infrastruktur durch Abschreibungen auf die vermutete Nutzungsdauer verteilt werden. Dennoch wird natürlich ein Bauwerk bei Errichtung bezahlt. Die entsprechenden Geldbewegungen werden im Finanzhaushalt geplant und der ganze Vorgang als Investition bezeichnet. Diese Begriffswelt verleitet dazu, anzunehmen, Kredite für Investitionen seien "harmlos", da ihnen ja Investitionen gegenüberstehen. Auch das ist rein begrifflich noch richtig. Aber anders als in der Wirtschaft, bei der Investitionen zumindest plangemäß eine Rendite über der Kapitalmarktrendite des eingesetzten Geldes erzielen, "investiert" die Stadt (aus guten Gründen) üblicherweise in unwirtschaftliche Einrichtungen. Der typische Investitionskredit der Wirtschaft führt dazu, dass Gewinne früher realisiert werden, die letztlich die Zinsen übersteigen. Beim typischen Investitionskredit der Stadt jedoch stehen den Zinsen nur neue Ausgaben an der Seite. Prinzipiell wäre die Anpassung des Investitionsprogramms auch nächstes oder übernächstes Jahr noch ohne Kreditaufnahmen denkbar. Dabei sollten
allerdings keine begonnenen Projekte unterbrochen werden, da dann durch sich ändernde Rahmenbedingungen Planungen hinfällig werden können und Baustopps ohnehin immer mit Mehrkosten verbunden sind. Würde erst zum Haushalt 2016 eine Anpassung vorgenommen, verringerte sich daher der Spielraum für kostenneutrale Verschiebungen um all diejenigen Projekte, die 2015 bereits (gegebenenfalls auch nur planend) begonnen wurden. Um
dennoch den für eine kreditfreie Zukunft notwendigen ausgeglichen Finanzhaushalt zu erreichen, müssten dann für einzelne Projekte auch Verschiebungen um mehrere Jahre diskutiert werden.
Es spricht sogar einiges dafür, im Finanzhaushalt nicht nur keine Kredite zu planen, sondern einen gewissen Sockel an flüssigen Mitteln vorzuhalten. Mit Sicherheit wird es auch nach 2018 nicht dazu kommen, dass alle Projekte mit jahrelangem Vorlauf geplant werden können. Stattdessen wird es immer wieder kurzfristige Bedarfe geben, denen aus unabweisbaren Sachzwängen heraus äußerst kurzfristig nachgekommen werden muss, ein heutiges Beispiel sind die Tiefgaragen. Um auch in solchen Fällen ohne Kredite und die damit verbundenen Kürzungen in anderen Bereichen auskommen zu können, wäre meines Dafürhaltens ein entsprechender Sockel von etwa 30 Mio. € anzustreben. Davon sind wir derzeit im Verwaltungshaushalt jedoch weit, im Gesamtkonzernhaushalt noch sehr viel weiter, entfernt.
Braunschweig mittelfristig noch ohne Kredite?
| Foto: Thorsten Raedlein