Braunschweig. Im Exzellenzcluster SE²A für nachhaltige Luftfahrt der TU Braunschweig soll es gelungen sein, Flugzeugflügel aerodynamisch effizienter zu gestalten. Durch den Einsatz speziell entwickelter, 3D-gedruckter Absaugpaneele sei die Grenzschicht – der Bereich der Luftströmung unmittelbar an der Tragfläche – gezielt stabilisiert und optimiert worden. Das geht aus einer Pressemitteilung der TU Braunschweig hervor.
Ziel des Exzellenzclusters für nachhaltige Luftfahrt sei unter anderem die Reduktion von Emissionen und des Energieverbrauchs. Eine Rolle spiele dabei das Strömungsverhalten von Flugzeugen, insbesondere an den Tragflächen. Für Experimente dazu nutzen die Forscher den Niedergeschwindigkeits-Windkanal Braunschweig (NWB) der Stiftung Deutsch-Niederländische Windkanäle (DNW). Der Windkanal ermögliche einen sehr geringen Turbulenzgrad, sodass hier ein ähnliches Grenzschichtverhalten der Strömung wie in Freiflugexperimenten simuliert werden könne.
Mikroperforierte Oberfläche
Bereits im vergangenen Jahr konnten die Forschenden des Exzellenzclusters SE²A in Kooperation mit dem Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) die Möglichkeiten von 3D-gedruckten Paneelen zur Grenzschichtabsaugung im Windkanal demonstrieren. Die Forschenden konnten dabei aufzeigen, dass es möglich sei, mit mikroperforierten – also mit winzigen Löchern versehenen – Absaugpaneelen aus dem 3D-Drucker eine sogenannte Laminarisierung der Grenzschicht zu erreichen. Dabei werde ein kleiner Teil der Grenzschicht durch die mikroperforierte Oberfläche abgesaugt und diese somit stabilisiert.
Im Mai 2025 sei es den beiden Forschern Lajos Fohlmeister und Jan Kube zum ersten Mal gelungen, eine laminare Grenzschicht auf einem 3D-Flügel durch integrierte 3D-gedruckte Absaugpaneele zu erzeugen. Mit den neuen Absaugpaneelen ließe sich die Grenzschicht an aerodynamischen Körpern so verändern, dass der laminar-turbulente Umschlag weiter stromabwärts verschoben werde und sich der Anteil der laminaren Grenzschicht signifikant erhöhen könnte. Der Vorteil dabei sei, dass die laminare Grenzschicht bis zu 90 Prozent weniger Luftreibung als die turbulente Grenzschicht verursache. Die Luftreibung mache bei modernen Verkehrsflugzeugen etwa die Hälfte des Gesamtwiderstandes aus. „Die laminare Strömungskontrolle ist also eine vielversprechende Möglichkeit, den Treibstoffverbrauch und damit auch die Emissionen von Verkehrsflugzeugen signifikant zu reduzieren“, sagt Jan Kube von der TU Braunschweig, zuständig für die Fertigung der 3D-gedruckten Absaugpaneele.
Der Sichelflügel
Ein besonderes Highlight der neuen Untersuchung sei der 3D-Sichelflügel, entwickelt am Institut für Strömungsmechanik im Exzellenzcluster SE²A. „Die besondere Geometrie des Flügels in Form einer Sichel erlaubt die Untersuchung verschiedener aerodynamischer Zustände und insbesondere der Übergänge zwischen diesen Zuständen“, sagt Lajos Fohlmeister, zuständig für die Entwicklung des Sichelflügels und die Durchführung der Windkanalversuche. Der Sichelflügel wurde so entworfen, dass er ein neu entworfenes Tragflügelprofil unter realitätsnahen Bedingungen simuliert. Dadurch könnten die gewonnenen Erkenntnisse auch dazu beitragen, numerische Verfahren zur Vorhersage verschiedener Transitionsszenarien, also den laminar-turbulenten Umschlag der Grenzschicht, zu verbessern.
Interessant für Bau von Segel-, Leicht- und Verkehrsflugzeugen
Für die Drucker sei die Herstellung der besonders feinen Mikroperforation mit einem Durchmesser von unter 250 Mikrometern eine Herausforderung gewesen. Hendrik Traub: „Das Finden einer geeigneten Perforationsgeometrie hat entsprechend einen großen Teil unserer Forschungsarbeit ausgemacht. Die Möglichkeit, solche Oberflächen zu drucken, erlaubt jetzt dreidimensional gekrümmte Absaugoberflächen schnell und kostengünstig herzustellen. Das ist sowohl für Segel-, Leicht- und Verkehrsflugzeuge als auch für die Wissenschaft interessant.“
Über das Projekt
Während Konzept und Fertigung der Absaugpaneele am Institut für Mechanik und Adaptronik (Jan Kube, Hendrik Traub, Prof. Christian Hühne, TU Braunschweig) entstanden seien, wurden die fortlaufenden aerodynamischen Vorab-Tests der Absaugpaneele in Kooperation mit dem DLR Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik durchgeführt. Der Sichelflügel sei vollständig am Institut für Strömungsmechanik (Lajos, Fohlmeister, Prof. Rolf Radespiel, TU Braunschweig) entwickelt und gebaut worden. Der finale Windkanaltest sei in Kooperation des Instituts für Strömungsmechanik und des Instituts für Mechanik und Adaptronik der TU Braunschweig im Niedergeschwindigkeits-Windkanal Braunschweig (NWB) der Stiftung Deutsch-Niederländische Windkanäle durchgeführt worden.
Über das Exzellenzcluster
Der Exzellenzcluster „Sustainable and Energy Efficient Aviation“ (SE²A) beschäftige sich mit der Herausforderung, den zukünftigen Luftverkehr effizient zu gestalten und gleichzeitig den konkurrierenden Anforderungen an kontinuierliches Wachstum und ökologische Nachhaltigkeit gerecht zu werden. An SE²A seien neben der TU Braunschweig, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Leibniz Universität Hannover, die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt beteiligt. Der Exzellenzcluster sei Teil des gemeinsamen Forschungsschwerpunktes „Mobilität“ der TU Braunschweig.