Braunschweig. Steht man heute am modernen Bohlweg, mag man es kaum glauben: Braunschweig, das „Rothenburg des Nordens“? Tatsächlich war die Stadt bis zum Zweiten Weltkrieg eine Fachwerkstatt ersten Ranges in Deutschland. Selbst die Schrecken des Bombenkrieges konnten dieses Erbe nicht völlig ausradieren. Und so erzählen die Fachwerkhäuser Braunschweigs noch heute von einer reichen Geschichte – wenn jemand sie zum Sprechen bringt. Genau das möchte der Architekturhistoriker Elmar Arnhold mit seinem neuen Buch „Fachwerkhäuser in Braunschweig“ erreichen, das Ende November 2024 erscheint.
Arnhold hat in seinem Buch 47 der verbliebenen Fachwerkbauten der Innenstadt dokumentiert. Haus für Haus erzählt er die Geschichten der Baumeister, der Bewohner und der oft erstaunlichen Schicksale, die sich hinter den geschnitzten Fassaden verbergen. Ein Beispiel ist das sogenannte Huneborstelsche Haus am Burgplatz mit seiner reich verzierten Fassade: Ursprünglich stand es ganz woanders. 1525 ließ es der Patrizier Friedrich Huneborstel im Braunschweiger Stadtteil Sack erbauen. Um 1900 wurde beschlossen, das Haus abzureißen, weil es einem Neubau weichen sollte. Die Stadt Braunschweig jedoch kaufte die Fassade und den gesamten Dachstuhl und rekonstruierte das Haus am Burgplatz mit den alten Bauelementen. Das sollte nicht der letzte Umzug dieses Hauses bleiben: Im Zweiten Weltkrieg wurde die Fassade erneut abgebaut und aus Furcht vor Bombentreffern im kleinen Ort Hessen (Landkreis Harz) versteckt. Erst 1955 kehrte sie zurück an den Burgplatz.
Lebendige Zeugen der Geschichte
Etwa 120 Fachwerkhäuser sind im Stadtzentrum heute noch erhalten. „Sie verkörpern noch immer fast 700 Jahre Baugeschichte“, erklärt Arnhold. „Sie sind lebendige Zeugen kultureller und sozialer Verhältnisse in früheren Jahrhunderten.“
Mit einem Blick für Details erläutert Arnhold, welche Szenen und Motive auf den reich verzierten Holzfassaden zu sehen sind und welche symbolische Bedeutung sie einst für die Menschen hatten. Beim Huneborstelschen Haus beispielsweise zeigen die Schnitzereien zum ersten Mal in der Stadt keine religiösen, sondern ausschließlich weltliche Bilder: Mythologische Darstellungen der antiken Planetengötter ebenso wie humorvolle Szenen aus dem alltäglichen Leben der Reformationszeit um 1525. Dieses und andere Baudenkmäler geben Einblick in eine Zeit, in der Braunschweig eine mittelalterliche Metropole und ein Zentrum für Handwerkskunst und Handel war. Und sie sind selbstverständlich auch einfach hübsch anzusehen.
Auch technisch ist der Fachwerkbau komplex. Von der „Sockelschwelle“ bis zum „Zwerchhaus“, jeder Teil eines Fachwerkhauses hat eine eigene Bezeichnung. Damit Leserinnen und Leser sich trotzdem schnell zurechtfinden, hat Arnhold eine umfangreiche Einleitung und ein Glossar geschrieben, was es auch Laien ermöglicht, die Details zu verstehen. Ob eingefleischte Braunschweigerinnen und Braunschweiger, Architekturbegeisterte oder Touristen – nach der Lektüre dieses Buches sieht man die Stadt mit anderen Augen. Und beim nächsten gemeinsamen Spaziergang durch die Innenstadt kann man nun selbst Geschichten über Braunschweigs letzte Fachwerkhäuser erzählen.
Über den Autor
Elmar Arnhold, geboren 1964, lebt und arbeitet seit Jahrzehnten in Braunschweig. Als Lehrbeauftragter an der TU Braunschweig und ehrenamtlicher Heimatpfleger der Innenstadt hat er sich einen Namen als Chronist seiner Stadt gemacht. Mit Büchern wie „Braunschweigs Brücken an den Oker-Umflutgräben“ (2023) und „Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (2021) zeigt er immer wieder, wie Geschichte und Gegenwart Braunschweigs bis heute ineinanderfließen.
Das Buch "Fachwerkhäuser in Braunschweig" mit 128 Seiten und 255 farbige Abbildungen kann für 12,90 Euro erworben werden und ist bestellbar im Braunschweiger Buchhandel und über den Archiv Verlag (https://www.archivverlag.de/). Elmar Arnhold wird am 28. November um 18 Uhr sein Buch beim Bund deutscher Architekten im Torhaus (am Wendentor 3) vorstellen.
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