Braunschweig. Von wegen hutlose Gesellschaft: die Modistin Margret Porwoll ist davon überzeugt, dass es für jeden Kopf auch den passenden Hut gibt. Mit ihrem Raum23 im Magniviertel hat sie einen behüteten Raum für hutinteressierte Braunschweiger geschaffen, die Mut zum Hut haben.
Ein kleiner Laden in der Ritterstraße. Durch das Schaufenster des Fachwerkbaus blickend, sieht man eine braunhaarige Frau an der Nähmaschine sitzen; um sie herum Regale, Tische und Modellköpfe mit Hüten, Mützen und Kopfschmuck. Im Ladenraum läuft Édith Piaf, ein sonores Rattern ist zu hören. Nach Farben und Formen sortiert, liegen die Kopfbedeckungen aufgereiht aus – sie warten förmlich darauf, aufgesetzt zu werden.
Die Inhaberin: Margret Porwoll. Sie ist Braunschweigs einzige Modistin – sie stellt, im Gegensatz zu Hutmachern, Kopfbedeckungen und Schmuck per Hand her. Ihre Hüte entstehen hinter dem Ausstellungsbereich in einer Werkstatt. Eine Türe auf, eine Türe zu, Treppenstufe hoch: Ein großer Tisch steht in der Mitte des Raumes, eine alte Adler-Nähmaschine steht am Rande. In den Regalen sind unzählige hölzerne Köpfe zu finden, die als Modell für ihre Kreationen dienen. Ein Filz-Rohling aus Kaninchenhaar ist gerade über einen solchen Modell-Kopf gezogen. Margret Porwoll ist dabei den violetten Filz mit einem Dampfbügeleisen geschmeidig zu machen, um dann die Krempe zu modellieren. Daneben liegt eine Herren-Mütze aus kariertem Stoff. "Die ist für einen Kunden, der mit einem Jacket seines Großvaters in den Laden kam: ich sollte ihm aus dem Stoff eine Mütze anfertigen", erzählt die Modistin.
Der Hut ist mehr als ein Accessoire
Binnen Minuten wird einem klar, dass der Hut mehr sein muss, als ein wärmendes Stück Stoff oder ein hübsches Accessoire. Anders als bei Schuhen oder Hosen, verleiht der Hut dem Träger eine gewisse Attitüde. "Er ist auch Ausdruck von Identität", sagt Porwoll. In Zeiten, wo sich die Menschen optisch immer mehr angleichen, die Mode in der Regel nicht mehr die Funktion eines politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Statements übernehmen soll, bleibt dennoch der Hut. Er sei ein Ausdruck der Lebensfreude und der Bedürfnisse, sagt Porwoll.
Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt assoziierte man mit dem Hut etwas anderes; mal wirkte er bürgerlich verstaubt, mal chic und mondän, mal lässig über dem fettigen "Libertines"-Haar gelegen. "Die Frage ist doch, was habe ich für ein Bild von mir. Sehe ich mit diesem Hut aus wie meine Mutter? Es gehört einfach dazu, seinen eigenen Stil zu finden und gerade in Braunschweig, so scheint mir, laufen viele optisch angepasste Menschen herum", sagt sie.
Der Hut sei eben kein alter Hut. Kunden allen Alters mit unterschiedlich gefüllten Geldbeuteln kämen in den Raum23. Die einen zum Stöbern, die anderen geben Hüte nach Maß in Auftrag. "Es gibt immer mal wieder Menschen, die kommen herein, sagen ‘mir steht kein Hut’ und gehen mit einer Anfertigung wieder heraus. Es gibt aber auch Produkte, die für den kleinen Geldbeutel zu haben sind." Und einige, die frierts einfach am Kopf. Unterschiedliche Stoffe, verschiedene Designs, mit Pudel oder ohne Pudel – nur eines sollten sie nicht: kratzen.
Liebe zum Detail
Margret Porwoll hat an einer Modisten-Meister-Schule in Hamburg gelernt. Der Unterschied zwischen einem Modisten und einem Hutmacher ist die Technik: der Modist fertig mit der Hand, er ist nahe am Stoff. Federn zurechtschneiden, kleben, annähen, modellieren. "Man braucht für diesen Beruf Feingefühl, sowohl für den Menschen, als auch für das Material. Kreativität, Handwerk und diese Sensibilität sind die Basis zum Kreieren", sagt sie.
Während Édith Piaf weiter über das Leben singt und die Nähmaschine so schön vor sich hin rattert, kommt der nächste Kunde in den Laden. Ihm stünden keine Hüte, sagt er.
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