Braunschweig. Die Ursache von Trisomie 21, dem Down-Syndrom, liegt in einer zusätzlichen Kopie des Chromosoms 21 im Erbgut. Ein Schlüssel ist dabei das Gen DYRK1A, das für das Protein DYRK1A kodiert. Es verändert vor allem das Nervensystem, das besonders unzugänglich für pharmazeutische Wirkstoffe ist. Im Forschungsschwerpunkt Infektionen und Wirkstoffe arbeiten Forschende der TU Braunschweig an einem Hemmstoff für das DYRK1A-Protein. Erste Tests an Zebrafischen legen nahe, dass damit diese angeborenen Nervenzelldefekte eingedämmt werden könnten. Über diesen Erfolg berichtet die TU Braunschweig in einer Pressemitteilung.
Können kleine Zebrafische aus den Subtropen vom Down-Syndrom betroffen sein? Auf den ersten Blick ist die Antwort ein eindeutiges Nein. Denn Mensch und Zebrafisch haben zwar große genetische Überschneidungen, aber weder gleich viele, noch die gleichen Chromosomen. Auf den zweiten Blick gibt es allerdings für Trisomie 21 entscheidende Gene, die bei beiden vorhanden sind. Zum Beispiel DYRK1A.
Um Effekte der Trisomie 21 im Nervensystem von Zebrafischlarven nachzustellen, hat Frau Dr. Astrid Buchberger in der Arbeitsgruppe Zelluläre und Molekulare Neurobiologie von Professor Reinhard Köster das DYRK1A-Gen gezielt überaktiviert. Zwar konnte sie damit die zusätzliche Gen-Kopie nicht reproduzieren, aber die Überaktivität der drei anstelle der normalerweise zwei vorhandenen DYRK1A-Gene bei Trisomie 21 simulieren. Ein Kontrastmittel macht zusätzlich die ausgewählten Nervenzellen im Mikroskop sichtbar. Zebrafischlarven sind nahezu durchsichtig, sodass die eingefärbten Nervenzellen sogar während der Entwicklung beobachtbar sind.
Dr. Astrid Buchberger: „Die genetisch veränderten Nervenzellen waren schlechter vernetzt, weniger komplex und stattdessen dichter gepackt. Das kann erklären, warum diese Zebrafischlarven langsamer und deutlich kürzere Strecken schwimmen. Inwieweit die Zebrafische damit Symptome von Trisomie 21 haben, bleibt allerdings offen. Denn naturgemäß kann es keine Zebrafische mit echter Trisomie 21 geben, die wir als Vergleichsgruppe erforschen könnten.“
Mit Präzision gegen Nebenwirkungen
An Dyrk1A forschen allerdings nicht nur die Biologen vom Zoologischen Institut, sondern auch das Institut für Medizinische und Pharmazeutische Chemie. Professor Conrad Kunicks Arbeitsgruppe synthetisierte für das DYRK1A-Protein einen Hemmstoff mit der Bezeichnung KuFal194. Eine Computersimulation zeigt, dass dieser Hemmstoff exakt an die entscheidende Stelle von DYRK1A integrierbar ist. Maren Flaßhoff, Doktorandin in der Arbeitsgruppe: „Erstaunlich ist dabei, wie präzise der Hemmstoff DYRK1A binden kann. Sowohl beim Zebrafisch-Protein als auch beim menschlichen Protein blockierte KuFal194 in der Computersimulation nur das, was er auch sollte.“
Unklar ist derzeit noch, ob so ein potenzieller Wirkstoff auch in das Gehirn gelangt. Was dafür spricht: Die DYRK1A-überaktiven Nervenzellen der Zebrafischlarven, die in Wasser mit Hemmstoff aufwuchsen, unterscheiden sich kaum noch von anderen Larven. Es liegt demnach nahe, dass der Hemmstoff das überschüssige DYRK1A bindet. Offensichtliche Nebenwirkungen waren bei den behandelten Zebrafischlarven nicht erkennbar. Weitere Studien hierzu könnten ein Ausgangspunkt für die Entwicklung eines Wirkstoffes darstellen.
„So ein Wirkstoff müsste möglichst direkt nach der Geburt eingenommen werden. Ob aber überhaupt ein Wirkstoff entsteht, kann erst nach langjähriger weiterer Forschung feststehen. Zunächst einmal handelt es sich hier um vielversprechende Erkenntnisse der Grundlagenforschung“, sagt Professor Reinhard Köster.
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