Bremen. Das interdisziplinäre Institute for Advanced Energy Systems (AES) der Universität Bremen wird ein Großprojekt in der Energieforschung koordinieren. Mit dabei ist auch die TU Braunschweig. In den kommenden fünf Jahren wird das Projekt mit 25 Millionen Euro vom Bund gefördert.
Gemeinsam mit dem Steinbeis Innovationszentrum (SIZ) energie+, einem An-Institut der Technischen Universität Braunschweig, der Entwicklungsagentur Region Heide und weiteren Partnern haben die Bremer Wissenschaftler den Zuschlag für die Entwicklung von zukunftsweisenden Energietechnologien und den nachhaltigen Umbau der Energieversorgung eines Stadtquartiers in der Stadt Heide (Kreis Dithmarschen) erhalten. Im Projekt „QUARREE 100“ geht es um den Aufbau einer resilienten und effizienten Strom-, Wärme und Kraftstoffversorgung im Stadtteil Rüsdorfer Kamp. Ziel ist die möglichst vollständige Verwertung von erneuerbaren Energien und insbesondere die Nutzung von den Anteilen der Windenergie, die aufgrund von Netzengpässen und fehlender Flexibilität im System abgeregelt werden und damit verloren gehen.
„QUARREE 100“
Die gemeinsam mit 20 Partnern eingereichte Projektskizze mit dem vollen Titel „QUARREE 100 – Resiliente, integrierte und systemdienliche Energieversorgungssysteme im städtischen Bestandsquartier unter vollständiger Integration erneuerbarer Energien“ wird in den nächsten fünf Jahren mit 25 Millionen Euro von der Bundesregierung gefördert. Das Budget des An-Institus der TU Braunschweig beträgt 2,4 Millionen Euro. QUARREE 100 wird in den Förderschwerpunkt „Solares Bauen/ Energieeffiziente Stadt“ aufgenommen, der ressortübergreifend vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wird.
„Forschungsintensiv aufgestellt“
Mehr als 60 Projektskizzen aus Stadtverwaltungen, Forschungsinstituten und Unternehmen waren in den Ministerien eingegangen. Das Vorhaben der Bremer und Braunschweiger Wissenschaftler und der Agentur in Heide wurde als „Leuchtturmprojekt“ eingestuft und wird nun als eines von sechs Demonstrationsprojekten gefördert. In der Begründung aus den beiden Ministerien heißt es: „Als besonders herausragend wurde bewertet, dass sich das Vorhaben insbesondere im Technologiebereich sehr forschungsintensiv aufstellt.“
Erprobung und Evaluation
Stefan G. Reisemann, Professor für Resiliente Energiesysteme und Sprecher des Institutes for Advanced Energy Systems an der Bremer Universität, freut sich über den Erfolg: „Unsere Konzepte für eine nachhaltige und widerstandsfähige Gestaltung von Energiesystemen und die hoch innovativen Energietechnologien, die im Fachbereich Produktionstechnik der Universität entwickelt werden, können nun dank der großzügigen Förderung im Quartier Rüsdorfer Kamp umgesetzt werden. So wird die Brücke zwischen Forschung und Praxis geschlossen, und wir bringen die Energiewende ein entscheidendes Stück voran. Davon profitieren nicht zuletzt auch unsere Studierenden in der Vertiefungsrichtung Energiesysteme“.
Das SIZ energie+ unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. M. Norbert Fisch forscht seit über 20 Jahren zum nachhaltigen und energieeffizienten Bauen. Insbesondere der urbane Kontext, in dem jetzt eine ganzheitliche Betrachtung aller verbrauchsrelevanter Sektoren möglich sein wird, macht das Forschungsvorhaben zu einem zukunftsorientierten Demonstrationsprojekt. „Wir müssen unseren Blick über die individuelle Betrachtung der Gebäude hinaus auf unsere Infrastrukturen zur Energieversorgung richten, die regenerativer werden müssen. Mit dem Projekt in Heide gelingt es gleich mehrfach, die Chancen zu nutzen und sowohl erneuerbare Quellen einzusetzen, Speicherkapazitäten zu erschließen und Quartiere nachhaltig zu versorgen“, sagt Fisch.
Reallabor Rüsdorfer Kamp
Der 20 Hektar große Stadtteil mit Geschosswohnungsbau aus den 1950er bis 1960er Jahren soll nachhaltige Attraktivität gewinnen. Im Zentrum steht die Umsetzung einer eigenen Energieerzeugung und -versorgung innerhalb des Quartiers, die sowohl zentrale als auch dezentrale regenerative Energiequellen berücksichtigt. Dazu gehören Wärme- und Stromversorgung sowie Mobilität. Photovoltaik-Dächer sollen Selbstversorgung in Niedrigenergiehäusern ermöglichen. Anfallende Stromüberschüsse sollen elektrochemisch in zentralen Batteriespeichern und in Gasspeichern gesammelt werden. Um die Versorgung insgesamt auch unter Extremsituationen und Störfällen gewährleisten zu können, müssen die Energiesysteme resilient, das heißt widerstandsfähig sein. Gleichzeitig soll das Quartier eine stabilisierende Wirkung auf das Energiesystem insgesamt entfalten.
Tankstelle der Zukunft
Erprobt werden außerdem hybride Lösungen für individuellen und öffentlichen Verkehr. Die Forscherinnen und Forscher wollen eine „Tankstelle der Zukunft“ entwickeln, eine Idee, die vom Projektpartner Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg vorangetrieben wird. Dabei werden der regenerativ erzeugte Wasserstoff, Methan und Strom als alternative Antriebsquellen für Fahrzeuge angeboten. Unter dem Stichwort „Energieeffiziente Stadt“ geht es also insgesamt um die Erprobung neuer Technologien in großem Maßstab. Das Modell soll am Ende bundesweit auf andere Städte und Regionen übertragbar sein.
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