Energietalk der Nibelungen-Wohnbau-GmbH


 v. l.: Professor Timo Leukefeld, Professor Norbert Raschper, Maren Sommer-Frohms, Rüdiger Warnke. Foto: Uwe Jungherr/
v. l.: Professor Timo Leukefeld, Professor Norbert Raschper, Maren Sommer-Frohms, Rüdiger Warnke. Foto: Uwe Jungherr/ | Foto: Uwe Jungherr/

Braunschweig. Großes Lob erfuhr die Wilhelm-Bracke-Gesamtschule aus dem Mund des Freiberger Energie- und Zukunftsforschers Professor Timo Leukefeld. Die Verbrauchsdaten der nach dem Passivhaus-Standard gebauten Schule seien beeindruckend.


Ein Haus ohne aktive Heizung, mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und einer sehr gut gedämmte Gebäudehülle mit einem hohen Anteil selbstgenutzten Stroms aus der Photovoltaikanlage. Der Ressourcenverbrauch der neuen Schule mache nur einen Bruchteil des abgerissenen Altbaus aus. Leukefeld, seit 2013 „Energiebotschafter der Bundesregierung“, war Gastredner beim Energietalk über Nachhaltigkeit, zu dem die Nibelungen-Wohnbau-GmbH am Freitag, 21. Oktober, in die Wilhelm-Bracke-Gesamtschule unter der Überschrift „Neue Schule – Neue Wege, alles ‚passiv‘ oder was?“ eingeladen hatte. Unter den Gästen - Architekten, Fachleute aus der Braunschweiger Wohnungswirtschaft, aus Schule, Rat und Verwaltung - waren auch Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer und die ehemalige Wolfsburger Stadtbaurätin Monika Thomas, die in die Position einer Abteilungsleiterin des Bundesumweltministeriums gewechselt ist.

In seinem Referat „Energie intelligent verschwenden“, betonte der Energieexperte, es sei möglich, bei Heizung, Strom und Mobilität fast ohne Kosten auszukommen. Die Sonne liefere Energie im Überfluss. Daher sei durch Effizienzsteigerung und Digitalisierung eine Nullgrenzkosten-Gesellschaft möglich, wenn geeignete Speichermedien zur Verfügung stünden. Investitionen in regenerative Energie sei bei einem Neubau ein sinnvolles Altersvorsorgekonzept, weil sie, dann, wenn das Einkommen sinkt, Ausgaben reduzierten.

Dabei betonte Leukefeld, es sei unsinnig, wenn sich die Menschen sich beim Komfort einschränkten, indem sie etwa die Raumtemperatur auf 18 Grad absenkten. Das bremse Innovationen und Investitionen. Salopp brachte er seine These auf den Punkt: “Intelligent Energie verschwenden ist das Gegenteil vom blöden Energiesparen.“

Ihm folgte Norbert Raschper, Professor für technisches Immobilienmanagement an der Bochumer EBZ Business School - University of Applied Sciences, der über die Frage „Ist Energie alles?“ über Nachhaltigkeit im Wohnungsbau reflektierte.

Es sei völlig klar, dass fossile Energie eingespart werden müsse, sagte Raschper. Deshalb würden die energetischen Anforderungen, denen die Wohnungs-wirtschaft ausgesetzt ist, ständig verschärft. Bei Neubauten sei es möglich, den vom Gesetzgeber geforderten Zwang zur Berücksichtigung erneuerbarer Energien umzusetzen. Allerdings mache dies mittlerweile 50 bis 60 Prozent der Baupreissteigerungen aus. Ab 2021 müssten alle Neubauten in der EU den neuen Standard des „Niedrigstenergiegebäudes“ erfüllen. „Bei einer Neubauquote von einem Prozent ist das aber nicht die Revolution.“

„Nachhaltige Wohnungswirtschaft betrifft aber nicht nur Energie“, betonte Raschper. Bei Bestandswohnungen sei es nicht sinnvoll, das Energieeinsparungspotential von bis zu 85 Prozent auszunutzen, denn dadurch werde die Miete unbezahlbar. Die Aufdoppelung der Wärme-dämmung etwa lohne sich nicht. Sie koste mehr als die dadurch ausgelöste Energieeinsparung bringe. Das Missverhältnis werde besonders deutlich, wenn – wie erwartet – das Rentenniveau sinkt. Außerdem drohe ein Verlust an Identität, wenn das Einsparungspotential im Geschosswohnungsbau voll genutzt würde und historische Fassaden dadurch schwänden. Nicht zuletzt komme es darauf an, die Wohnungsausstattung einer älter werdenden Gesellschaft anzupassen und etwa Fahrstühle oder begehbare Badewannen zu installieren. Raschper: „Energie ist eben nicht alles.“

In der sich anschließenden Diskussion, die Nibelungen-Wohnbau-Geschäftsführerin Maren Sommer-Frohms leitete, setzten sich die Experten für Ergänzung der Energieeinsparungsvorschriften durch neue Konzepte für Strom- und Wärmespeicherung ein.

In seinem Fazit plädierte Rüdiger Warnke, Vorsitzender der Geschäftsführung der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, dafür, dass die Wohnungswirtschaft aus der Praxis heraus eine Diskussion über Nachhaltigkeit, sozialen Wandel und Finanzierbarkeit anstößt, um ein Umdenken beim Gesetzgeber zu erreichen.


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