Braunschweig. Im Folgenden veröffentlichen wir eine Meldung ungekürzt und unkommentiert, die uns vom Leiter des Friedrich-Gerstäcker-Museums Thomas Ostwald erreichte.
Alle Bemühungen, das Friedrich-Gerstäcker-Museum in der Wolfenbütteler Str. 56 für die Öffentlichkeit zu erhalten, sind gescheitert. Nach der Weigerung der Stadt Braunschweig, das Museum in irgendeiner Form zu erhalten und weiterzuführen, ist es letztmalig am Sonntag, 2. Oktober 2016, in der Zeit von 10.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. An diesem Vormittag besteht auch die Möglichkeit für Besucher, Bücher oder Gegenstände aus dem Bestand zu erwerben.
Rückblick: Seit Jahren bemüht sich der Leiter des Museums, Thomas Ostwald, um eine Nachfolgeregelung. Der heute 67jährige möchte gern seinen Posten aufgeben und hatte die Hoffnung, dass die Stadt Braunschweig die Bedeutung dieser international anerkannten Forschungs- und Begegnungsstätte ebenfalls erkennt und dafür sorgt, dass zumindest die Sammlung der Gerstäcker-Materialien und Gegenstände aus seinem Nachlass an geeigneter Stelle zusammenbleiben können.
Nach einer ersten Mitteilung der bevorstehenden Schließung gab es verschiedene Mitteilungen vom Kulturinstitut, die hier nicht erneut aufgegriffen werden sollen. Nur zur Klärung der Dinge folgende Bemerkungen:
Die Stadt hat leider nicht sehr viel getan, um die Erinnerung an den Reiseschriftsteller und Weltenwanderer Friedrich Gerstäcker aufrecht zu erhalten. 1979 wurde aus dem Besitz der Stadt das letzte Wohnhaus Gerstäckers an Privat verkauft.
Eine Straße trägt Gerstäckers Namen, vor seinem Wohnhaus wurde eine Gedenktafel aufgestellt. Der älteste Jugendbuchpreis der Bundesrepublik trägt seinen Namen. Friedrich Gerstäcker hat zwar auch sechs Jugendbücher geschrieben, aber angesichts eines Gesamtwerkes von 44 Bänden bleibt die Frage, ob man dadurch das Andenken eines Reiseschriftstellers würdigt.
Das Gerstäcker-Museum war Anlaufstelle für alle, die sich in irgendeiner Weise mit dem Leben und Werk des Weitgereisten beschäftigt haben. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen, Hausarbeiten und Dissertationen entstanden, eine amerikanische Buchausgabe der Regulatoren sowie seines Tagebuches der Amerikareise werden derzeit in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft vorbereitet. In Australien erschien vor wenigen Wochen die erste Übersetzung seiner Australien-Reise, versehen mit einer Landkarte aus dem Nachlass Friedrich Gerstäckers. Zur Mitgliederversammlung anlässlich der Wiederkehr seines 200. Geburtstages waren auch Wissenschaftler aus den USA angereist. Eine Mappe mit Protestschreiben aus Deutschland und den USA, die sich alle für den Erhalt des Museums ausgesprochen haben, wurde Ende Mai dem Oberbürgermeister der Stadt überreicht – bislang ohne eine Reaktion.
Mit einer Online-Petition wurden 697 Unterschriften von Menschen gesammelt, die sich ebenfalls damit für den Museumserhalt ausgesprochen haben.
Von Seiten des Kulturinstitutes wurde der Vorwurf laut, der Vorsitzende der Gesellschaft würde die geführten Verhandlungen torpedieren. Dazu erklären wir, dass es keine „Verhandlungen“ gegeben hat, bestenfalls Vorschläge. Verhandeln kann man mit Partnern in Augenhöhe, unsere Gesellschaft war stets nur Bittsteller. Jetzt darauf zu hoffen, die Originalgegenstände in den Besitz des Städtischen Museums zu überführen und den Rest die Oker hinabgehen zu lassen, ist schon interessant. Noch ein Gedanke zum Städtischen Museum: Dort befindet sich ein Teil der ethnologischen Sammlung Friedrich Gerstäckers, Gegenstände, die er von seinem Südsee-Aufenthalt mitgebracht hat. Keiner dieser Gegenstände kann ihm heute mehr zugeordnet werden, sie sind im allgemeinen Fundus untergegangen. Ein Braunschweiger hat dem Städtischen Museum Gerstäckers Jagdmesser geschenkt, das einige Zeit ausgestellt war. Seit Jahren ist dieses Messer verschwunden, im Bestand des Museums nicht mehr auffindbar. Durch die überlieferte Zeichnung eines Besuchers haben wir Kenntnis davon erhalten und konnten eine Kopie anfertigen.
Die Kritik aus dem Kulturinstitut, das Konzept wäre nicht mehr zeitgemäß, kann bestenfalls als Meinung gewertet werden. Das HAUM; für Millionen renoviert, hatte auch ein veraltetes Konzept und präsentiert sich jetzt vollkommen neu. Mit ein wenig finanzieller Unterstützung hätten auch wir unser Konzept verbessern können. Museumspädagogisch haben wir jedenfalls bei zahlreichen Schulklassen und Gruppen gute Arbeit geleistet. Im Gerstäcker-Museum konnte man vom Bärenzahn bis zur indianisch gegerbten Rohhaut, vom Schiffszwieback der Auswanderer bis zu Glasperlen der Indianer alles anfassen.
Und wer daran glaubt, dass in der nächsten Zeit das Thema „Geschichte der Migration“ in Braunschweig ausgestellt wird, der denkt sehr optimistisch. Die Behauptung, dieses Thema würde nicht zu Gerstäcker passen, ist ein Zeichen für schlechte Information. Friedrich Gerstäcker hat sich lebenslang für die Belange der Migranten und der Emigranten eingesetzt und gehört, nebenbei, auch zu den Förderern von Friedrich Froebels Gedanken zur Kindererziehung.
2016 besuchten das Gerstäcker-Museum Gäste aus Nord- und Südamerika, Indonesien, Südafrika, Spanien, Portugal, England, Frankreich, Holland, Schweiz, Österreich und Tschechien. Braunschweig, die Stadt, die sich einst als Kulturhauptstadt beworben hat, lässt es zu, dass ein solches, privat geführtes Museum aus nichtigen Gründen aufgelöst wird. Gedanken an ähnliche Ereignisse wie im Falle der mechanischen Musikinstrumente von Carlson oder der Kunstsammlung Bönsch kommen einem in den Sinn, aber auch die Tatsache, dass vor nicht langer Zeit auch die Raabe-Gedächtnisstätte geschlossen werden sollte und nur durch den Protest der Germanisten davor bewahrt wurde.
Offenbar zählt in unserer Stadt nicht, was nicht im Mittelpunkt des „kulturellen Lebens“ steht. Wohlgemerkt dem Teil des kulturellen Lebens, das vom Kulturinstitut geprägt, geformt und für gut befunden wird.
In einer Stadt, in der das Grab eines Lessings beinahe für immer in Vergessenheit geraten wäre, in der am Grab von Friedrich Kreiß ein Zettel angebracht wird, dass die Ruhezeit abgelaufen sei, und in der das Grab Friedrich Gerstäckers erst zur Gründung der Gesellschaft 1979 in einen annehmbaren Zustand versetzt wurde (der eiserne Zaun war verrostet und teilweise tief in der Erde eingesunken), darf es nicht verwundern, dass an solche Persönlichkeiten bestenfalls nur zu runden Jubiläen erinnert wird.
Wie ist es zu erklären, dass kein einziger Oberbürgermeister jemals das Gerstäcker-Museum betreten hat? Die Besuche der zuständigen Kulturdezernentin sind nicht häufiger, Mitarbeiter des Kulturinstitutes wurden allerdings schon gelegentlich gesehen.
Braunschweig – eine Stadt mit Tradition. Mit einer Tradition, die nur von wenigen gepflegt wird.
Thomas Ostwald, 22. September 2016
1. Vorsitzender
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