Gabriel: Flüchtlingsstrom wird Konflikte bringen

von Robert Braumann


Sigmar Gabriel sprach in Braunschweig über die aktuelle Flüchtlingssituation. Fotos: Robert Braumann
Sigmar Gabriel sprach in Braunschweig über die aktuelle Flüchtlingssituation. Fotos: Robert Braumann | Foto: Robert Braumann



Braunschweig. Das AGV-Forum lud am Freitagabend ins "Steigenberger Parkhotel Braunschweig", Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach zum Thema "Flüchtlingsdilemma oder geregelte Zuwanderung?" - Status und Ausblick. Er warnte vor einem Zerfall Europas und mahnte, dass nicht alles euphorisch zu sehen sei. Man habe alle Chance die Situation zu meistern, aber man müsse auch Ängste wahrnehmen und realistisch sein.

Den Abend eröffnete Christoph Schulz,Vorstandsvorsitzender Braunschweigische Landessparkasse, er stellte klar, die Politik müsse nun Lösungen finden. "Wenn ein Konzept da ist, kann die Wirtschaft auch einsteigen. Er habe Sorge, dass die Stimmung im Land umkippen würde, wenn keine Lösungen erarbeitet werden würden. Auch damit man den Rattenfängern aus dem rechten Spektrum keine Angriffspunkte bieten würde.

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Christoph Schulz,Vorstandsvorsitzender Braunschweigische Landessparkasse Foto:



Danach trat Wolfgang Niemsch, Vorstandsvorsitzender AGV, an das Podium. Als im Frühjahr das Thema für den Abend festgelegt wurde, habe man nicht ahnen können, wie aktuell dieses Thema werden würde, so Niemsch. Seit Jahren sei bekannt, dass man die Zuwanderung in der Wirtschaft bräuchte, auch um dem demografischen Wandel entgegen zu wirken. Doch sei die Frage, ob man nicht einen geregelteren Zulauf bräuchte und klarere Regeln. Deutschland sei mit Abstand das stabilste Land in Europa, man habe die Kraft voranzugehen, aber es müssten Konzepte her und offene Fragen beantwortet werden.

Bis zu eine Millionen Flüchtlinge?


Sigmar Gabriel begann den Abend mit einer Einschätzung zu den Flüchtlingszahlen. Aus seiner Sicht werde man bis zu eine Millionen Schutzsuchende in diesem Jahr bekommen. Die Hilfsbereitschaft im Land sei unglaublich hoch. Die Situation sei mit Sicherheit keine Kleinigkeit. "Es gibt Chancen, aber man darf auch nicht die ganze Zeit euphorisch so tun, als gäbe es die Schwierigkeiten nicht", so der Vize-Kanzler. Es müsse auch mit Enttäuschungen gerechnet werden. Es würden viele Flüchtlinge kommen, die keine Qualifikation hätten und die deutsche Arbeitsbedingungen nicht kennen würden. Es herrsche eine andere Arbeitstradition in Deutschland, als in den Heimatländern der Asylsuchenden. Man solle daher nicht erwarten, dass alles schnell und reibungslos gehe.


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Viele waren gekommen um den Abend zu verfolgen. Foto:



"Meine große Sorge ist, dass die Euphorie weicht. Wir werden auch Zeit brauchen." Man werde Konflikte bekommen und müsse über alles offen reden. Es gäbe Menschen, die sich fragen würden, ist das hinterher eigentlich noch Deutschland, ändert sich die Kultur? "Es gibt Menschen die denken, alles wird von den Medien, der Wirtschaft und der Politik schöngeredet, das ist nicht gut", so Gabriel. Auch das veränderte Sicherheitsgefühl von Bürgern sollte ernstgenommen werden. Es müssten mehr Polizisten eingestellt werden, damit die Beamten sichtbar bleiben.

"Sie werden die Völkerwanderung nicht aufhalten"


Es würden Menschen zu uns kommen, die einiges nicht verstehen würden. Zum Beispiel Meinungsfreiheit, Gleichberechtigung oder Homosexualität. Es brauche an dieser Stelle einen offenen Liberalismus. Es sollte den Flüchtlingen klar sein, dass Deutschland kein beliebiges Land sei. Es gäbe eine gewisse Leitkultur, die auf den 20 Artikeln unserer Verfassung verankert ist. "Wir müssen auch klarmachen, dass wir das nicht ändern wollen", sagte Gabriel. Man können sich aber nicht abschotten: "Sie werden eine moderne Völkerwanderung nicht aufhalten, mit keinem Zaun oder wollen wir uns mit aufgesetztem Bajonett an die EU-Außengrenzen stellen und anlegen auf die Menschen die kommen?"

Länder stabilisieren


Deshalb brauche man Lösungen, damit die Zahl der Menschen die ihre Heimat verlassen nicht weiter dramatisch ansteigt. Was also tun? Gabriel plädiert dafür, die Nachbarregionen der Staaten aus denen die meisten Flüchtlinge kommen zu stabilisieren.

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Adalbert Wandt, Dr. Felicitas Pudwitz, Lutz Stratmann,Reza Asghari und Sigmar Gabriel führten die Diskussion. Foto:



Dahin müsse Geld fließen. "Es muss Schluss damit sein, das die Internationale Staatengemeinschaft nicht mal das Geld aufbringt, dass die Menschen dort etwas zu essen haben." Man würde dort sonst die Quelle für die nächste Generation an Terroristen selbst aufbauen. In Zukunft werde man auch das Verhältnis mit der Türkei und Russland hinterfragen, nur zusammen mit diesen Staaten sei eine Lösungen zu finden. Auch die Ankündigung der Kanzlerin mit Assad reden zu wollen, begrüßte der Vize-Kanzler. Diplomatie sei zwar langsam aber wichtig. Eines dürfte man außerdem nie außer acht lassen, man kämpfe momentan auch um Europa. Wenn keine gemeinsamen Lösungen gefunden werden, könnte dies viel größe Auswirkungen als die Griechenlandkrise haben. Ein Ende der offenen Grenze hätte nach seiner Meinung weitreichende mentale und wirtschaftliche Folgen für die EU. Am Ende mahnt Gabriel, bei aller Flüchtlingshilfe auch nie die eigene Bevölkerung zu vergessen. "Wir müssen verhindern, dass ein Stadtrat sagt, wir können die Schule nicht mehr bauen, wir müssen das Geld für die Flüchtlingsunterbringung ausgeben", dass würden die Menschen nicht verstehen.

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Reza Asghari erzählte eindrucksvoll, wie er selbst als junger Flüchtling nach Deutschland gekommen ist. Foto:



Im Anschluss folgte eine Podiumsdiskussion mit Sigmar Gabriel, Prof. Dr. rer. pol. Reza Asghari, Gemeinsamer Lehrstuhl für Entrepreneurship der TU Braunschweig und der Ostfalia Hochschule, Dr. Felicitas Pudwitz, Leiterin Personal ckc ag, Lutz Stratmann, Geschäftsführer Demografieagentur für die niedersächsische Wirtschaft GmbH, Minister a. D. und Adalbert Wandt, IHK-Vizepräsident. Besonders Reza Asghari erzählte eindrucksvoll, wie er selbst als junger Flüchtling nach Deutschland gekommen sei und wie schwer es gerade am Anfang gewesen wäre hier Fuß zu fassen.


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