Braunschweig. Am morgigen Mittwoch ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Oberbürgermeister Ulrich Markurth wendet sich aus diesem Anlass mit einem Video an die Bürgerinnen und Bürger, das morgen auf www.braunschweig.de und dem städtischen Youtube-Kanal www.youtube.com/stadt-bs veröffentlicht wird. In den nächsten Tagen werden zudem zwei Zitate großformatig im Stadtgebiet plakatiert. Eine Ausstellung unter dem Titel "Drei Steine" in der Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Schillstraße wird virtuell auf www.schillstrasse.de zu sehen sein. Das kündigt die Stadt Braunschweig in einer Pressemitteilung an.
"Das Gedenken an die Opfer und die aktive Auseinandersetzung mit den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen, die sie zu Opfern hat werden lassen, ist unsere gemeinsame Verpflichtung auch für die Zukunft, um unsere Demokratie lebendig und wehrhaft zu erhalten", betont Oberbürgermeister Markurth. "Wir müssen unsere Aufmerksamkeit gegen Ausgrenzung und Antisemitismus immer wieder von neuem schärfen." Die Internetpräsentation der Gedenkstätte Schillstraße wird neu gestaltet. Sie informiert in optisch und technisch zeitgemäßer Form über aktuelle Projekte, Veranstaltungen und pädagogische Angebote. Darüber hinaus werde ein vertiefender Einblick in das Offene Archiv der Gedenkstätte geboten, dessen Bestandsverzeichnis online zugänglich ist. Die Aktualisierung des Webauftritts wird weiter fortgesetzt.
Zwangsarbeit in Braunschweig
In den nächsten Tagen werden im Braunschweiger Stadtgebiet zwei großformatige Plakate an zahlreichen Stellen angebracht. Im Mittelpunkt stehen zwei Zitate. Eines stammt von dem Holocaust-Überlebenden Natan Grossmann. Er wurde 1927 als Sohn jüdischer Eltern in der polnischen Stadt Zgierz geboren. Während zahlreiche seiner Angehörigen im Holocaust umkamen, überlebte er das Ghetto "Litzmannstadt" (Łódź) und das KZ Auschwitz. Für die Braunschweiger Firma Büssing musste er im KZ-Außenlager Vechelde Zwangsarbeit leisten. Am 2. Mai 1945 befreiten US-Truppen Natan Grossmann in einem Lager in der Nähe von Ludwigslust. Zunächst nach Israel ausgewandert, führte ihn sein Lebensweg Ende der 1950er Jahre nach München, wo er seitdem lebt. Die Verantwortlichen danken ihm für seine Bereitschaft, sich mit einem Statement gegen Geschichtsvergessenheit und Rassismus einzubringen. Es war ihm selbst ein großes Anliegen.
Lebensbedrohlicher Antifaschismus
Das zweite Zitat stammt von dem Graphic Novel-Autor Nils Oskamp, der die Plakate auch künstlerisch gestaltet hat. Mit seinem Statement fasst er seine persönlichen Erfahrungen zusammen. Oskamp wurde 1969 in Bochum geboren und ging in Dortmund Dorstfeld zur Schule. Als ein Mitschüler im Unterricht den Holocaust leugnete, äußerte Nils Oskamp seine Meinung gegen Nazis. Eine für Oskamp lebensbedrohliche Spirale der Gewalt begann. Später studierte er Grafik, dann Trickfilm und veröffentlichte im Jahre 2016 über seine Erlebnisse mit den Neonazis die Graphic Novel "Drei Steine" (www.dreisteine.com). Aktiv setzt er sich gegen Rechtsradikalismus ein und klärt mit Lesungen und Workshops besonders Jugendliche darüber auf.
Nils Oskamp ist zugleich konzeptioneller Träger und Gestalter der Ausstellung "Drei Steine", die in der Gedenkstätte Schillstraße eröffnet wurde und dort mindestens bis zum 26. März 2021 verbleibt. Coronabedingt ist sie zunächst nur über einen digitalen Video-Rundgang auf der Webseite zu sehen. Für interessierte Schulen sollen Angebote wie Lesungen und Workshops mit dem Autor auch extern umgesetzt werden. Zusätzlich wird zusammen mit Oskamp eine dreiteilige Online-Fortbildungsreihe für Lehrkräfte angeboten (10./15./23. März 2021).
Gedenken auf ungewöhnliche Weise
Kulturdezernentin Dr. Anja Hesse: "Es ist ein ungewöhnlicher Weg, den wir in diesem Jahr mit dem Gedenken gehen, aber die Tatsache, dass Nils Oskamp seine Ausstellung und seine Projektangebote für Schulen nach Braunschweig bringt, und wir zudem, gemeinsam mit dem Arbeitskreis Andere Geschichte, die Plakataktion im öffentlichen Raum realisieren konnten, ist eine Alternative, die zudem eine Brücke in die Gegenwart schlägt und dokumentiert, wie zerbrechlich der Schutz der Würde des Einzelnen ist."
Gerald Hartwig und Lars Skowronski, als Mitarbeiter der Gedenkstätte für die Plakataktion und das Ausstellungvorhaben verantwortlich, betonen "die Wichtigkeit, zeitgemäße und attraktive Formate und Angebote zu schaffen, welche neben einem breiten Publikum auch besonders Jugendliche ansprechen und ihnen eine Reflexion über die Geschehnisse und Verbrechen in der NS-Zeit in Anknüpfung an ihre eigene Lebenswelt im Jetzt ermöglichen. Neben der Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins muss auch eine Reflexion über eigene Verantwortung in Gegenwart und Zukunft erfolgen. Toleranz, Vielfalt und eine Positionierung gegen Rechts müssen einen zentralen Stellenwert unserer Gesellschaft bilden."
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