Braunschweig. Wie die Pressestelle des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung heute in einer Pressemitteilung bekannt gab, haben HZI-Forscher aufgedeckt, wie ein Tumorvirus gezielt ein Protein seines Wirts für die Infektion nutzt.
In den meisten Fällen gelingt es dem Immunsystem, Krankheitserreger wie Bakterien und Viren zu erkennen und erfolgreich zu eliminieren. Doch die Familie der Herpesviren hat sich dem Immunsystem hervorragend angepasst: Ihre Mitglieder schaffen es, nach der Infektion lebenslang im Körper ihres Wirtes zu verbleiben. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) hat kürzlich entdeckt, dass ein Protein des sogenannten Kaposi-Sarkom-assoziierten Herpesvirus (KSHV) – einem krebserregenden Virus – eine Komponente des Immunsystems für die eigenen Zwecke nutzt. Dies ermöglicht es dem Virus, seinen Wirt erfolgreich zu infizieren.
Jeder Mensch wird im Laufe seines Lebens mit mindestens einem der neun Vertreter der humanen Herpesviren infiziert. Dabei gelingt es dem Immunsystem gesunder Menschen in den meisten Fällen, die Herpesviren im Zaum zu halten, und es kommt selten zur Entwicklung schwerer Krankheitssymptome. Herpesviren haben sich ihrem Wirt hervorragend angepasst – sie manipulieren sein Immunsystem auf vielfältigste Weise und schaffen es, lebenslang im Wirt zu verbleiben. Ist das Immunsystem geschwächt, können sich die Herpesviren vermehren und so schwerwiegende Komplikationen, unter anderem Krebserkrankungen, verursachen.
Das Virus gehört zurFamilie der humanen Herpesviren
Zur Familie der humanen Herpesviren gehört das Kaposi-Sarkom-assoziierte Herpesvirus (KSHV). KSHV ist ein Tumorvirus, das drei verschiedene Krebsarten auslösen kann: das Kaposi-Sarkom, ein Krebs der Blutgefäße, das primäre Effusionslymphom, ein Krebs der weißen Blutzellen, und die Castlemann’sche Krankheit, eine Erkrankung der Lymphknoten. Das Kaposi-Sarkom tritt besonders häufig bei AIDS-Patienten auf, deren Immunsystem durch die Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus 1 (HIV-1) stark geschwächt ist. Ein Impfstoff gegen das KSHV existiert bislang nicht. Auch die Mechanismen, mit denen dieses Virus seinen Wirt manipuliert und zur Entstehung von Krebs führt, sind nicht vollständig aufgeklärt. „Um Infektionen mit diesem Herpesvirus erfolgreich behandeln zu können, müssen wir im Detail verstehen, wie es unser Immunsystem steuert“, sagt Prof. Melanie Brinkmann, die am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung die Arbeitsgruppe „Virale Immunmodulation“ leitet und eine Professur an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) innehat.
Um Einblicke zu erhalten, wie das KSHV der Immunkontrolle entgeht, hat Brinkmanns Forschungsgruppe ein bislang wenig charakterisiertes Protein dieses Virus untersucht – das Protein ORF20. Durch massenspektrometrische Analyseverfahren fanden die Forscher heraus, dass ORF20 mit einem speziellen Wirtsprotein der angeborenen Immunabwehr einen Komplex bildet. „Eigentlich dient dieses Wirtsprotein, OASL genannt, der Wirtsabwehr, es hat also eine antivirale Funktion“, sagt Dr. Kendra Bussey, Wissenschaftlerin in Brinkmanns Team und Erstautorin der Studie. „Wir konnten jedoch erstmalig zeigen, dass OASL im Kontext der KSHV-Infektion eine provirale Funktion hat – es begünstigt also den Infektionsverlauf anstatt ihn aufzuhalten.“ Mithilfe genetisch veränderter Viren konnten die Wissenschaftler zeigen, dass OASL allerdings nur dann proviral wirken kann, wenn das Virusprotein ORF20 vorhanden ist. „Dies zeigt, dass das KSHV seinen Wirt geschickt zu seinen Gunsten manipulieren kann, ihn sozusagen mit seinen eigenen Mitteln schlägt“, sagt Bussey.
Diese Forschungsarbeiten haben Melanie Brinkmann und ihr Team im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsprogramms (SFB900) durchgeführt. In Zukunft wollen sie in Kollaboration mit Forschern des HZI und der MHH im Detail verstehen, welche weiteren Schalthebel der zellulären Immunabwehr das KSHV bedient, um diese Verteidigung zu umgehen. „Dadurch werden wir neue Einblicke in das Zusammenspiel zwischen dem Virus und seinem Wirt erhalten und hoffentlich nachvollziehen können, wie dieses Virus durch die Manipulation der Immunantwort zur Entstehung von Krebs beiträgt“, sagt Brinkmann.
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