"Ich liebe Braunschweig für immer!" - Sally Perel zum Ehrenbürger ernannt

Die feierliche Verleihung der Ehrenbürgerwürde fand am gestrigen Mittwoch aufgrund der Corona-Pandemie virtuell statt.

Sally Perel ist heute 95 Jahre alt und lebt in Israel.
Sally Perel ist heute 95 Jahre alt und lebt in Israel. | Foto: Anke Donner

Braunschweig. Oberbürgermeister Ulrich Markurth hat am gestrigen Mittwoch Salomon „Sally“ Perel offiziell die Ehrenbürgerwürde der Stadt Braunschweig verliehen. Aufgrund der Corona-Pandemie und den geltenden Abstandsregelungen konnte die Verleihung nicht in der Dornse stattfinden, sondern im Großen Saal der Stadthalle. Auch Sally Perel selbst konnte aufgrund der aktuellen Situation nicht persönlich aus Israel anreisen. Stattdessen wurden er, der Bürgermeister der Braunschweiger Partnerstadt Kiryat Tivon, Ido Grinblum, sowie weitere Gäste aus dem Rathaus in Kiryat Tivon per Video zugeschaltet. Hierüber berichtet die Stadt Braunschweig in einer Pressemitteilung.


Oberbürgermeister Markurth hatte dem Rat im Juli vorgeschlagen, Sally Perel für sein Engagement und seine Verdienste für die Stadt und um die Jugend zum Ehrenbürger der Stadt Braunschweig zu ernennen. Diesem Vorschlag folgte der Rat einstimmig. „75 Jahre nach Kriegsende kommt der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Herrn Perel eine besondere Bedeutung zu“, erklärte Markurth. „Im Zuge der Corona-Pandemie mussten wir – auch in Braunschweig – alle geplanten Veranstaltungen zum Kriegsende am 8. Mai absagen. Vor diesem Hintergrund verstehe ich die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Herrn Perel als ein Symbol des Gedenkens, das die Erinnerung an die Opfer des NS-Regimes aufrechterhalten soll.“ Dies könne niemals eine Wiedergutmachung sein, sagte Markurth: „Dennoch sehen wir darin ein Zeichen der Versöhnung. Ein Zeichen, das Mut macht, sich gegen Antisemitismus und Rechtspopulismus zu behaupten.“

"Ein Botschafter für die Stadt"


Dem stimmte auch Uwe Fritsch, Vorsitzender des Betriebsrates von Volkswagen Braunschweig, zu: „Sally Perel ist Botschafter für die Stadt und das Werk. Er ist Botschafter dafür, anderen Menschen mit Respekt zu begegnen, Toleranz gegenüber anderen Religionen, Weltanschauungen sowie politischen Einstellungen zu zeigen und gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu kämpfen.“ In Braunschweig, so führte er weiter aus, wisse man im Kampf um Frieden und demokratischen Gemeinsinn Sally Perel an seiner Seite.

Ido Grinblum bedankte sich in seiner Ansprache für die Gelegenheit an der Zeremonie teilzunehmen und die Ehrenbürgerurkunde in Vertretung für Oberbürgermeister Markurth übergeben zu dürfen. Aus der Corona-Pandemie könne man viel lernen, erklärte er, denn das Virus unterscheide nicht zwischen den Menschen. Es sei eine Bedrohung für alle - egal welche Herkunft, Hautfarbe oder politische oder religiöse Gesinnung die Menschen hätten. Dies sei auch eine Lektion von Sally Perel: Alle Menschen seien gleich geboren und hätten daher die gleiche Pflicht zum Kampf gegen Hass und Rassismus.

"Ja! Ich liebe Braunschweig für immer!"


Sally Perel nahm die „ihm zugewiesene Ehre in tiefer Ergriffenheit entgegen“. Die Zeit in Braunschweig und die Arbeit im Volkswagen-Vorwerk unter falscher Identität wäre die schicksalhafteste Zeit seines Lebens gewesen, erklärte er. Er habe in ständiger Angst entdeckt zu werden in seiner falschen Identität gelebt – nur nachts sei der ängstliche, jüdische Junge Salomon hervorgekommen. „Das ich so überlebt habe, ist ein Wunder. Und einen Ort, an dem man solche Wunder erlebt, den liebt man für immer. Ja! Ich liebe Braunschweig für immer!“, sagte er. Es sei ihm ein Anliegen seine Erfahrung als Mahnung an die jungen Leute weiterzugeben. „Dies sehe ich als meine Pflicht, denn so hat mein Überleben einen Sinn. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde ist für mich ein Ansporn noch weiterzumachen, auch im hohen Alter von 95 Jahren. Möge Braunschweig immer eine Stadt des Friedens und der Demokratie sein!“

"Vergiss nie, wer du bist"


1925 wurde Sally Perel in Peine als Sohn eines Rabbiners geboren. Um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen, entschloss sich die Familie Mitte der 1930er Jahre zur Flucht nach Łódź (Polen) – in die vermeintliche Sicherheit. Nach dem deutschen Überfall auf Polen wurde auch Łódź von deutschen Truppen besetzt. Um ihm das Überleben zu ermöglichen, schickten die Eltern den damals 14-jährigen Sally gemeinsam mit seinem älteren Bruder in den von der Sowjetunion annektierten Teil Polens. „Du sollst leben. Ihr sollt leben“, gab ihnen die Mutter mit auf den Weg; der Vater: „Vergiss nie, wer du bist.“

Sally gerät in die Hände der Deutschen


Als die Wehrmacht 1941 in Polen einfällt, wird Sally von deutschen Soldaten festgenommen. Er ist so geistesgegenwärtig, seine Papiere zu beseitigen. Blitzschnell legt er sich eine neue Identität als Volksdeutscher Josef „Jupp“ Perjell zurecht. Damit rettet er sein Leben. Nachdem „Jupp“, Josef Perjell, der Wehrmacht eine Zeitlang als Übersetzer gedient hatte, wurde der noch minderjährige zur Berufsausbildung hinter die Front geschickt. Er kam nach Braunschweig, in das Volkswagen-Vorwerk. In diesem NS-Prestigeprojekt wurde der Facharbeiternachwuchs ausgebildet. „Jupp“ Perjell absolvierte dort eine Ausbildung zum Werkzeugmacher. Während dieser Zeit lebte er im Lehrlingswohnheim an der Gifhorner Straße. Die Lehrlinge galten als künftige „Facharbeiterelite“. Ziel war es, einen „neuen deutschen Facharbeiter“ im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu erziehen. Auch „Jupp“ musste – wie alle Lehrlinge - Mitglied der Hitlerjugend werden.

"Ich war Hitlerjunge Salomon"


Mehrere Jahre gelang es ihm, in dieses streng reglementierte Leben einzutauchen und seine jüdische Identität zu verbergen. Er überlebte, getarnt durch die Uniform der Hitlerjugend und den falschen Namen. Auf diese Weise ist seine dramatische Lebensgeschichte untrennbar mit Braunschweig verbunden. Wie er später erfährt, haben seine Eltern und seine Schwester den Holocaust nicht überlebt. 1948 verlässt Sally Deutschland, um in den gerade gegründeten Staat Israel auszuwandern. Rund 40 Jahre später gelingt es ihm, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Er schreibt ein Buch: „Ich war Hitlerjunge Salomon“ und kommt Mitte der 1980er Jahre zurück nach Braunschweig und Peine.


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