Braunschweig. Heavy Metal und typisch deutsche Vereinsarbeit? Der "hotel666 Metalclub e.V." beweist seit nunmehr fünf Jahren, dass sich harte Rockmusik und klassische Vereinsstrukturen nicht widersprechen, sondern sogar bestens ergänzen.
Wer in Braunschweig Heavy Metal hören will, kommt an hotel666 schon lange nicht mehr vorbei. Was als private Hobby-Website im Internet begann, ist inzwischen zur wohl bekanntesten Adresse für die vielzähligen Spielarten des Metal in der gesamten Region geworden und ein Vorbild für kulturelle Vereinsarbeit und Selbstorganisation. Wir haben uns mit Maresa Kasten, Samy Elshamy und Jonas Conradt vom Vereinsvorstand in Maresas Metal-Keller getroffen und beim ein oder anderen Bier ein ausführliches Gespräch mit den sympathischen Kuttenträgern geführt. Was ihr Erfolgsrezept ist, wie Basisdemokratie im Kulturbetrieb funktioniert und warum Braunschweig einen Veranstaltungsort mittlerer Größe für alternative und unabhängige Kultur braucht, verraten sie im Interview.
Ihr habt euch innerhalb weniger Jahre fest in der Braunschweiger Musikszene etabliert. Wie seid ihr entstanden?
Jonas: Das hat 2004 eigentlich in einer Bierlaune begonnen, allerdings noch nicht in Vereinsform. Ich hatte damals die Domain Satan666 registriert, weil die halt total cool war, als wir noch jung waren... *lacht*. Es war aber kaum mehr als eine große Link-Sammlung zu Liedern unbekannterer Metal-Bands. Die Seite machte relativ schnell die Runde, und nach einem halben Jahr kam dann die Idee, doch mehr daraus zu machen. Zum Beispiel auch Partys zu organisieren und Konzerte zu veranstalten.
Samy: Und dann ging es 2005 auch tatsächlich schon los mit einem Konzert: Der ersten "Krachnacht" im B58. Da kamen dann gleich 180 Gäste, was uns ziemlich überwältigt hat. Außer dem "Wintergarten" im Jolly Joker gab es in Braunschweig zu der Zeit ja auch kaum etwas in dieser Richtung. Das hat uns natürlich motiviert, weiterzumachen. Und seit 2009 sind wir nun offiziell als "hotel666 Metalclub e.V." im Vereinsregister der Stadt Braunschweig eingetragen.
Was kostet die Mitgliedschaft, und wie viele Mitglieder habt ihr?
Jonas: Der Vereinsbeitrag liegt bei 10 Euro pro Quartal, und wir haben derzeit ungefähr 120 Mitglieder.
Machen die Mitglieder auf euren Veranstaltungen den Großteil des Publikums aus, oder kommen auch immer wieder Außenstehende dazu?
Jonas: Es gibt auch viele Gäste, die gar nicht in den Verein eintreten wollen, weil so ein Verein gewisse Strukturen hat, die vielen Metallern nicht zusagen. Man denkt dabei halt immer sofort an Schrebergartenvereine mit tausend Vorschriften. Und viele sagen dann halt, das sei ihnen zu spießig, da wollen sie nichts mit zu tun haben. Die kommen halt trotzdem zu unseren Veranstaltungen, treten aber nicht in den Verein ein. Und dann gibt es auf der anderen Seite Leute, die kommen aus Zeitgründen selten zu unseren Veranstaltungen, weil sie inzwischen z.B. familiäre Verpflichtungen haben, die uns dann aber trotzdem als Mitglieder finanziell unterstützen, weil sie früher selbst in der Szene aktiv waren und die Sache an sich einfach gut finden.
Maresa: Und dann haben wir auch viele Leute aus Hannover, Goslar oder Wolfenbüttel. Wir beziehen also auch das Umland mit ein. Und umgekehrt fahren wir auch in andere Städte, wenn es dort gute Veranstaltungen gibt. Da herrscht keine Konkurrenz, sondern es sind gute Freundschaften.
Was ist euer Erfolgsrezept?
Maresa: Wir schaffen sehr viel durch das Engagement unserer Mitglieder; man kennt sich und unterstützt sich. Und das Erfolgsrezept ist wohl, dass die Bands gerne wiederkommen und uns immer für unsere Bandbetreuung loben. Sie spielen einfach gerne bei uns. Und auch bei Partys bekommen wir immer eine Stimmung hin, die allen Spaß macht.
Samy: Sehr wichtig sind natürlich auch die Mitgliederbeiträge. Das ist unsere Basis. Bei Konzerten nehmen wir in der Regel nur fünf Euro Eintritt. Davon bezahlen wir dann die Location, den Mischer und das Catering, der Rest geht an die Band. So landen wir bei kleinen Konzerten eigentlich immer bei plusminus Null.
Jonas: Etwas Geld kommt dann eher bei größeren Konzerten rein und eben bei den Partys, da die Kosten dort nicht so hoch sind und man mehr Einnahmen durch die Getränkeverkäufe hat. Bei der Vielzahl der kleinen Konzerte zahlen wir hingegen manchmal sogar noch drauf. Aber wir machen das Ganze ja auch nicht, um Geld zu verdienen, sondern als Fans der Musik, damit in Braunschweig in dieser Richtung einfach mehr geht.
Habt ihr musikalisch innerhalb des Metal eine bestimmt Ausrichtung?
Maresa: Wenn man sich unsere Mitglieder so anschaut, vertreten wir auf unseren Partys wohl alle Metal-Genres, die es so gibt. Von klassischem Heavy Metal über Mittelalter-Metal und New Metal bis Black, Speed, Thrash und Avantgarde... es ist alles dabei.
Jonas: Auf Konzerten haben wir am häufigsten Death und Thrash Metal im Programm, das läuft einfach am besten. Und natürlich alles, was irgendwie "oldschool" ist. Black Metal würden wir auch gerne häufiger auf die Bühne holen, aber das ist inzwischen oftmals schwierig, da viele dieser Bands leider ins politisch rechte Spektrum abgedriftet sind, und sowas wollen wir natürlich nicht unterstützen.
Maresa: Und darüber, wer auftritt, entscheiden wir natürlich nicht alleine im Vorstand. Sondern wir treffen uns einmal im Monat in der "Expertise", wo jedes Mitglied basisdemokratisch mit abstimmen kann, ob wir ein bestimmtes Konzert veranstalten oder nicht. Auch kann jeder seine Wünsche und Band-Vorschläge mit einbringen. Auf diese Weise erhalten wir immer wieder neue Impulse und lernen Bands kennen, die wir zuvor selbst noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
Ein Thema in Braunschweig ist ja immer wieder, dass es zu wenig Veranstaltungsorte gibt. Wie seht ihr das?
Jonas: Definitiv. Das ist, glaube ich, das größte Problem in Braunschweig. In den letzten Jahren hat ja viel dichtgemacht. Und gerade Metal wird von den Clubbesitzern eher stiefmütterlich behandelt. Generell kann man mit reinem Partybetrieb, besonders im musikalischen Mainstream, mit deutlich weniger Aufwand mehr Geld verdienen als mit Konzerten.
Was versucht ihr für Bands an Land zu ziehen? Seid ihr da mehr "underground" oder auch offen für große Namen?
Jonas: Wir sind für alles offen. Aber da sind wir auch wieder beim Problem der Größe der Location. Die VW-Halle mit Metal-Fans vollzubekommen, wird schwierig. Die Meier-Music-Hall hingegen hat eigentlich eine ideale Größe für Metalbands von Rang und Namen. Da waren wir auch schon an ein paar Veranstaltungen beteiligt. Wenn das Meier nicht mehr da ist, wird es also noch schwieriger, auch mal große Metal-Bands nach Braunschweig zu holen. Es fehlen einfach Veranstaltungsorte mittlerer Größenordnung in Braunschweig.
Wäre es eine Option, selbst mal so etwas aus dem Boden zu stampfen?
Jonas: Wir wollen schon immer ein Clubhaus haben. Es gibt ja angeblich auch Fördermittel von der Stadt für sowas. Hört man immer wieder, haben wir aber leider noch nie etwas von gesehen. *lacht*
Maresa: Ja, ein Clubhaus wäre toll. Damit man nicht mehr so sehr darauf angewiesen ist, dass eine Location mal einen Termin frei hat. Derzeit haben wir zwar das Onkel Emma, um einmal im Quartal eine Party zu machen, aber es ist halt auch immer schön, seine eigene Location zu haben, um an fremden Orten nicht immer umdekorieren zu müssen. Wenn die Stadt also Interesse hat: Wir sind gerne gesprächsbereit! *lacht*
Jonas: Auch gibt es so viele große Leerstände in Braunschweig. Wir würden da sogar etwas vollkommen Heruntergekommenes übernehmen, mit unseren Leuten vom Verein renovieren, und innerhalb eines halben Jahres wäre es einsatzbereit. Aber da ist halt auch immer die Frage, wer sind die Eigentümer, wie kommt man da überhaupt ran?
Was steht dieses Jahr noch an Highlights bei euch an?
Maresa: Wir werden am 3. Mai wieder unsere Vereinsfeier auf dem Abenteuerspielplatz in Melverode veranstalten, zu der natürlich auch Nicht-Mitglieder herzlich eingeladen sind. Und wir werden ein kleines Festival mit der Forelle in Salzgitter auf die Beine stellen, das "Full Metal Trout", das im August parallel zum Wacken Open Air stattfindet. Inklusive Zelt-Möglichkeit für die passende Festival-Atmosphäre. Und ab Herbst stehen dann wieder jede Menge Konzerte an, hauptsächlich im B58. Besonders freue ich mich auf unsere Veranstaltung "Power Metal" im Dezember, die auch wieder etwas größer wird. Ich will noch nicht zu viel verraten, aber so viel sei gesagt: Alle Fans von Heavy Metal sollten unbedingt mal Power Metal ausprobieren! *lacht*
Maresa, Jonas und Samy, vielen Dank für das Gespräch!
Titelbild: Stephen Dietl
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