Wolfenbüttel. Rauchen beim Essen, rauchen im Kino, rauchen im Auto, rauchen in der Disko. Unsere Einstellung zu dem blauen Dunst hat sich im Laufe der Jahre geändert. Nur einer darf noch überall seiner Sucht nachkommen – Altkanzler Helmut Schmidt.
Damals war das anders. Es war völlig normal, dass Eltern ihren Kindern zwei Fünf-Mark-Stücke in die Hand drückten und sagten "Bringt mal HB und West mit". Wenn man Glück hatte, dann sprangen noch fünfzig Pfennig für einen selbst raus. Raucher waren allgegenwärtig. Während man grillte, steckten sie sich abwechselnd eine Kippe und ein Stück Nackensteak in den Mund. Im örtlichen Provinzkino gab es noch einen Raucher-Saal. Wer Kippen auf den Boden warf, der fiel nicht weiter auf. Man rauchte neben Kindern, beim Autofahren, im Zug, im Schlafzimmer und im Büro. Wenn die nette Nachbarin mit dem auberginefarbenen Haar und den grell lackierten Fingernägeln den Kindern klebrige Minz-Bonbons in die Hand drückte, dann hielt sie in der anderen einen heruntergebrannten Stummel. Nach einem längeren Besuch der Verwandtschaft musste man in Erwägung ziehen, die Textiltapete mit einem Spachtel zu bearbeiten oder den gesamten Raum zu renovieren. Man rauchte eben immer und überall.
Doch mit dem Wissen um die physischen Konsequenzen des Passiv- und Dauerrauchens, der Einführung des flächendeckenden Rauchverbotes und dem gewachsenen Umweltbewusstsein sind die ewig qualmenden Zeitgenossen zu den Raucher-Stationen gedrängt worden. Rauchen ist nicht mehr gesellschaftsfähig. Der tägliche Zigaretten-Konsum gilt als Schwäche, als wertmindernd in Zeiten der Selbstoptimierung. "Rauchen gefährdet die Gesundheit und die Menschen in Ihrer Umgebung." Wenn man heute ein Auto vor sich sieht, in dem sich Eltern, Kinder und Zigaretten zu einer ungleichen Quote den Raum teilen, möchte man anhalten und entrüstet an das Fenster klopfen. Trifft man in einer abgelegenen Straße auf Teenager, die ungelenk und zu dritt an einer Zigarette ziehen, dann wirkt das völlig absurd. Selbst die harten Polizei-Cops aus den Vorabendserien sind immer seltener mit einer Kippe im Mundwinkel zu sehen.
Man hat sich also mittlerweile daran gewöhnt, dass man sich als Bar-Gast nach draußen zu den Abtrünnigen gesellt. Dass man am Bahnhof auf den gelben Stigmata-Markierungen steht, und nicht, sobald der letze Gang serviert ist, zum Rauchen verschwindet. Rauchen ist nicht mehr cool.
Nur der eine, der gewissermaßen letzte lebende Malboro-Man, der qualmt bis zum letzen Atemzug – Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Wer sich "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" trifft, der zieht in weiser Voraussicht die Kleidung an, die ohnehin in den Wäschekorb gehört, denn Herr Schmidt ist bekennender Kettenraucher. Nach fast 97-Lebensjahren sieht er wohl keinen Grund mehr, mit dem Rauchen aufzuhören. Interviews gibt er nur dort, wo das Rauchen gestattet ist. Für ihn gilt die eine und wohl letzte Ausnahme – "Only Helmut Schmidt is allowed to smoke in this room".
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