Braunschweig. Nach über 200 Jahren konnte ein von Balthasar Permoser geschaffener Zyklus von vier Elfenbein-Statuetten wieder in den Händen der ursprünglichen Braunschweiger Besitzer vereint werden. Für das Herzog Anton-Ulrich Museum ist es die bisher teuerste Investion.
Dank der großzügigen Unterstützung mehrerer Stiftungen – namentlich der Fritz Behrens Stiftung Hannover, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Kulturstiftung der Länder und der Rudolf-August Oetker-Stiftung – sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Prof. Dr. Monika Grütters konnte das Herzog Anton Ulrich-Museum die Skulpturen „Herbst“ und „Winter“ im englischen Kunsthandel zurückerwerben. „Durch den Schulterschluss der verschiedenen Stiftungen ist es gelungen, die Permoser- Statuetten für das Herzog Anton Ulrich-Museum zu erwerben. Dieser Ankauf war dem Museum ein ganz besonderes Anliegen, denn die beiden Figuren vervollständigen die Vier Jahreszeiten- Serie“, sagt die Niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Gabriele Heinen- Kljajić. „Die Statuetten haben durch die große Bedeutung des Bildhauers Permoser für die deutsche Hofkunst des 17. und 18. Jahrhunderts weit über Niedersachsen hinaus eine große Strahlkraft.“

Nach zwei Jahrhunderten sind „Die vier Jahreszeiten" von Balthasar Permoser wieder vereint. Foto: Archiv
Nach 100 Jahren wieder aufgetaucht
Der Vier-Jahreszeiten-Zyklus ist im Jahr 1695 von Balthasar Permoser, einem der wichtigsten und einflussreichsten Bildhauer der Barockzeit, wohl im Auftrag von Herzog Anton Ulrich (1633 – 1714) gefertigt worden. Dokumentiert sind sie zum ersten Mal im Jahr 1722 in den herzoglichen Sammlungen. Während die Figuren von „Frühling“ und „Sommer“ durchgehend in Braunschweig verortet waren, gingen „Herbst“ und „Winter“ nach dem Sieg Napoleons über den Braunschweiger Herzog Carl Wilhelm Ferdinand im Jahr 1806 mit der flüchtenden herzoglichen Familie auf Wanderschaft – wie eine Reihe anderer Kunstwerke auch. Die Wahl fiel dabei vor allem auf leicht transportierbare Objekte mit einem hohen Materialwert. Warum nur zwei der Statuetten und nicht die ganze Gruppe mitgenommen wurde, ließ sich bisher noch nicht klären. Sicher hingegen ist, dass sich die Spur von „Herbst“ und „Winter“ nach der Verschickung für mehr als 100 Jahre verliert. Im Jahr 1931 schließlich wurden die Statuetten in England auf dem Landsitz Harewood House wieder nachgewiesen. Schon bei der Wiederentdeckung ist unstrittig, dass die beiden Elfenbein-Skulpturen ehemals zu der Braunschweiger Serie der „Vier Jahreszeiten“ gehörten.
Export-Lizenz erschwerteden Kauf
Seit mehreren Jahrzehnten hat das Museum der Familie Harewood gegenüber wiederholt das Interesse bekundet, die beiden Figuren zurück zu erwerben. In den Jahren 1977 und 2013 waren die vier Statuetten für Sonderausstellungen in Hamburg und Florenz auf kurze Zeit wieder vereint. Die gemeinsame Präsentation in einer international bestückten Ausstellung in Florenz war auch vom Museum angestoßen worden, um eine erneute Diskussion über die Wiedervereinigung in Braunschweig anzuregen. Im Herbst 2015 entschloss sich die Familie schließlich zum Verkauf der Figuren an den englischen Kunsthändler Daniel Katz, dessen Unternehmen über den Kontakt mit Dr. Regine Marth, der Leiterin der Abteilung Skulpturen des Herzog Anton Ulrich-Museums, vom Interesse der Braunschweiger an einer Rückerwerbung wusste. Dank der Gewinnung mehrerer Stiftungen sowie der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Prof. Dr. Monika Grütters konnte das Herzog Anton Ulrich-Museum zwar die geforderte Kaufsumme aufbringen – das Zittern um die Rückkehr der Kunstwerke war damit jedoch noch nicht beendet. In Großbritannien ist für die Ausfuhr von Kunstwerken, die älter als 50 Jahre sind bzw. wertmäßig eine bestimmte Summe überschreiten, eine sogenannte „Export Licence“ des „Arts Council of England“ erforderlich.
„Brexit" half beim Preis
„Die Permoser-Statuetten fielen ganz eindeutig in die Kategorie von Kunst, die ohne eine Export Licence Großbritannien nicht verlassen dürfen, weder für Ausstellungen und erst recht nicht für einen Verkauf“, erklärt Museumsdirektor Prof. Dr. Jochen Luckhardt. „Was die Erteilung der Erlaubnis zusätzlich verkompliziert hat, war die Tatsache, dass es in Großbritannien nur eine einzige andere Skulptur dieses bedeutenden Barock-Bildhauers gibt.“ Tatsächlich erfolgte nach Beantragung der Export Licence denn auch der öffentliche Aufruf des Arts Councils, die Kaufsumme von 1,8 Millionen Pfund aufzubringen, um die beiden Permoser-Skulpturen in Großbritannien zu halten. Der Arts Council setzte eine Frist für potentielle weitere Kaufinteressenten, um die Summe aufzubringen. Noch komplizierter wurde die Angelegenheit durch die zwischenzeitliche Verkündung des „Brexit“ und den Austausch der englischen Regierung. Letztendlich endeten die Bemühungen des Museums jedoch erfolgreich und durch den „Brexit" wurden rund 240.000 Euro gespart. Die Export Licence wurde erteilt, die Ernst von Siemens Kunststiftung übernahm fast die gesamte Vorfinanzierung der Kaufsumme, und so kehrten „Herbst“ und „Winter“ im Oktober 2016 mehr als 200 Jahre nach ihrer Verschickung nach Braunschweig zurück. Nachdem sie einer gründlichen Inspektion unterzogen wurden, werden sie ab dem 7. März 2017 gemeinsam mit „Frühling“ und „Sommer“ in den Räumen der Angewandten Kunst im zweiten Obergeschoss des Museums dauerhaft präsentiert.